Opernhaus Zürich: Premiere von Claudio Monteverdis „L’Orfeo“

Opernhaus Zürich/L’ORFEO/Foto: Monika Rittershaus

Mit seiner Favola in Musica nimmt Claudio Monteverdi in der Geschichte der Oper einen ganz wichtigen Platz ein. Das 1607 am Hof von Mantua uraufgeführte Werk gehört aus heutiger Sicht zu den ersten dieser Musikgattung. Man weiß, dass die Uraufführung nicht in großem Rahmen stattgefunden hat und vermutet, dass im höfischen Salon mehr Mitwirkende, als Zuhörer zugegen waren. (Rezension der Premiere vom 17. Mai 2024)

 

Monteverdi wollte mit seinem Werk die Menschen emotional berühren und mit der Handlung eine neue Form der Aufmerksamkeit des Publikums erreichen. Dies ist ihm mit der freien Wiedergabe der griechischen Sage von Orpheus und Eurydike auf eindrückliche Weise gelungen. Die Sage vom wunderbaren Sänger Orpheus, der die Götter betörte und mit seinem Gesang Menschen, Tiere, ja sogar Steine zum Weinen bringen konnte und nach dem Tod seiner Eurydike versuchte, diese aus dem Hades zurückzugewinnen, ist in vielen Versionen verewigt.

In Monteverdis Oper werden wir Zeuge, wie mit wunderbarer Musik bei den Zuhörern die Gefühlsregungen eines glücklichen Liebenden bis hin zum verzweifelten Trauernden geweckt werden können.

Der Regisseur Evgeny Titov, zusammen mit Chloe Lamford und Naomi Daboczi, welche das Bühnenbild entworfen haben, lässt uns in eine düstere Felsenlandschaft eintauchen, welche durch die raffinierte Lichtgestaltung von Martin Gebhardt, unterstrichen wird.

Opernhaus Zürich/L’ORFEO/Foto: Monika Rittershaus

Es gelingt dem Regisseur, die Emotionen der einzelnen Figuren ohne viele Effekte zu vermitteln. Sei es durch die Hochzeitsgesellschaft, welche das kurze Glück der beiden Liebenden feiert, oder durch die eindrückliche Szene vor dem Tor der Unterwelt, wo sich Caronte auf ganz spezielle Weise zu erkennen gibt, oder mit der kühlen Strenge der Unterwelt, wo durch kurze Videoeinspielungen die Erinnerung an die Hochzeit auftaucht. Die Handlung geschieht fließend, sodass sich die Zuhörer auch auf die musikalische Leistung konzentrieren und sie genießen können. Zu erwähnen sind ferner die Kostüme von Annemarie Woods, welche vor dieser düsteren Kulisse eine besondere Wirkung erzielen.

Auf der musikalischen Seite kann man von einem außerordentlichen Erlebnis berichten.

Das Orchestra La Scintilla, welches seit vielen Jahren zu einem weltweit führenden Orchester für alte Musik auf historischen Instrumenten zählt, überzeugte mit einer großartigen Leistung. Unter der Leitung von Ottavio Dantone wurden alle Feinheiten der Partitur auf eine frische und brillante Weise zu Gehör gebracht.

Die Zürcher Sing-Akademie, einstudiert von Marco Amherd, welche ebenfalls einen hervorragenden Ruf genießt und für gewöhnlich auf Konzertbühnen zu erleben ist, hatte in dieser Produktion Gelegenheit, auch szenisch zu überzeugen. Ein Hörgenuss erster Güte.

Opernhaus Zürich/L’ORFEO/Foto: Monika Rittershaus

Für die herausforderungsreiche Partie des Orfeo konnte der polnische Tenor Krystian Adam gewonnen werden. Er überzeugte mit großer Bühnenpräsenz und einer in allen Lagen sicheren Stimme, die ihm feinste Interpretationsnuancen ermöglicht. Seine Klage im dritten Akt war einer der Höhepunkte dieses Abends.

Die Damen José Maria Lo Monaco als La Musica/Messagera/Eco, Miriam Kutrowatz als Euridice, Simone McIntosh als La Speranza/Proserpina, Isabel Pfefferkorn als Ninfa, alle mit Haus-und/oder Rollendebuts, gestalteten die jeweiligen Partien mit eindrücklicher stimmlicher und darstellerischer Präsenz.

Bei den Herren liess Mirco Palazzi mit großer Bassstimme als Caronte und Plutone aufhorchen. Mark Milhofer hatte als Apollon einen wahrhaftig glänzenden Auftritt. Das Duett mit Orfeo am Ende der Oper ließ noch einmal Hoffnung für Orfeo aufkommen. Fast zu schön um wahr zu sein, denn aus der Sicht des Regisseurs kommt es am Ende anders, als erwartet. Massimo Altieri, 1. Pastore, Luca Cervoni, 2. Pastore, Tobias Knaus, 3. Pastore und Yves Brühwiler 4. Pastore ergänzten dieses auserlesene Ensemble.

49 Jahre nach dem Start des damals weltweit gefeierten Harnoncourt/Ponnelle Monteverdi-Zyklus, hat Zürich wieder einen „Orfeo“ präsentiert, welcher einen berührt und musikalisch wie szenisch fasziniert.

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Opernhaus Zürich / Stückeseite
  • Titelfoto: Opernhaus Zürich/L’ORFEO/Krystian Adam/Foto: Monika Rittershaus

 

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