
Im Jahre 1852 erhielt Giuseppe Verdi den Auftrag, für das Pariser Théatre Impérial de l‘Opéra eine neue Oper zu komponieren, mit einem Libretto von Eugène Scribe. Erst Ende 1853 erhielt er das Libretto, welches aber bereits aus dem Jahre 1839 stammte und von seinem Mitarbeiter Charles Duveyrier überarbeitet wurde. Einige Jahre nach der Uraufführung von „Les Vêpres siciliennes“, wie die Oper in Paris hieß, erfuhr er, dass bereits Gaetano Donizetti große Teile dieses Librettos in seiner Oper „Le duc d‘Albe“ verwendet hatte. (Besuchte Vorstellung: Premiere am 9. Juni 2024)
Die Uraufführung im Juni 1855 in Paris war ein Erfolg. Im Dezember desselben Jahres fand die italienische Erstaufführung im Teatro Regio von Parma statt. Wegen der dort herrschenden Zensur wurde die Handlung dann nach Portugal verlegt und die Oper unter dem Titel „Giovanna di Guzman“ aufgeführt. Bis heute wird „I vespri siciliani“ nicht sehr oft aufgeführt und so wurde die Neuinszenierung am Opernhaus Zürich mit Spannung erwartet.

Die Oper spielt im von den Franzosen besetzten Sizilien 1282. Mit großer Brutalität gehen die Besatzer vor und erachten alles als Ihren Besitz, nicht zuletzt auch die sizilianischen Frauen. In diesem Umfeld spielt sich das Drama der unerfüllbaren Liebe zwischen der Sizilianerin Elena und dem Widerstandskämpfer Arrigo ab, der erfährt, dass Monforte, der gehasste Anführer der französischen Besatzer, sein Vater ist. Arrigo ist der Sohn einer Sizilianerin, welche Monforte vergewaltigt hatte. In seiner inneren Zerrissenheit, seiner Liebe zu Elena, seinen Idealen und dem Bewusstsein, wer sein Vater ist, will er den von den Aufständischen geplanten Mordanschlag an Monforte verhindern. Revolutionäre und Elena werden verhaftet. Doch Monforte will weiteres Töten verhindern und erlaubt die Hochzeit von Elena mit Arrigo als Zeichen für den Frieden. Doch Procida, der Anführer der Aufständischen, hat bestimmt, dass, sobald die Glocken zur Hochzeit ertönen, dies das Signal sei, um das Massaker zu beginnen. Elena lehnt die Verbindung mit Arrigo ab. Monforte ignoriert die Weigerung und erklärt die beiden zu Mann und Frau. Die Glocken ertönen und das Massaker beginnt.
Der für seine intensiven Inszenierungen bekannte und umstrittene Regisseur Calixto Bieito, hat bei seiner Sicht auf das Werk die Gewalt an den Frauen in den Vordergrund gerückt. Damals wie heute ein Thema, welches in der Kriegsberichterstattung nur selten Erwähnung findet. Daran hat sich auch in unserer aktuellen Realität nichts geändert.
Beim nüchternen Bühnenbild von Aida Leonor Guardia fallen als erstes aufeinandergestellte weiße Container auf, welche sich auf der Drehbühne zu immer neuen Formationen verwandeln lassen. Dabei dienen die Containerwände als Projektionsfläche für von Adria Reixach bearbeitete, teilweise, brutale Videoeinspielungen. Die Kostüme von Ingo Krügler sind passend nüchtern.

Als Zuschauer ist man gezwungen, Zeuge von sadistischen Misshandlung, Vergewaltigung, Hinrichtungsszenen und Blick auf Leichen zu sein. Mit einer derartigen Inszenierung glaubt die Regie, das Publikum aufzurütteln. Muss sich das Publikum zu Verdi’s Musik eine derart sadistische Provokation seitens der Regie gefallen lassen? Wünschenswerter wäre gewesen, wenn die Regie einer besseren Personenführung und stellenweise transparenteren Vermittlung der verworrenen Handlung mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte um zu verhindern, dass weniger Ermüdungserscheinungen auftreten. Es überraschte nicht, dass am Ende aus den Reihen des Publikums viele Unmutsbezeugungen zu vernehmen waren.
Leider lässt auch die musikalische Seite dieser Aufführung zu wünschen übrig. Der erstmals im Opernhaus Zürich dirigierende Ivan Repušic liess bei der Ouvertüre aufhorchen. Doch im Verlaufe der Aufführung wurde die Philharmonia Zürich des öfteren zu laut, was sich auf das Zusammenspiel zwischen den Solisten auswirkt und diese zuweilen zum forcieren verführt. In den großen Chorszenen mit dem von Janko Kastelic einstudierten Chor der Oper Zürich mit Chorzuzügern und dem Zusatzchor Opernhaus Zürich geriet die Akustik an ihre Grenzen.
Die italienische Sopranistin Maria Agresta als Elena, in Ihrer Auftrittsszene herrlich singend und im Duett mit Arrigo voller Emotionen, vermochte leider nicht bis zum Bolero im fünften Akt durchzuhalten. Die Stimme verlor an Kraft und Virtuosität.
Den Arrigo, den leidenden Sohn und Liebhaber, sang der russische Tenor Sergey Romanovsky mit starker, höhensicherer Stimme, neigte aber zum Forcieren. Das Duett mit seinem Vater Monforte im dritten Akt war jedoch ein Höhepunkt des Abends. Dies war sein Rollendebut.

Quinn Kelsey, immer wieder ein gern gesehener Gast im Opernhaus, konnte seinen Bariton in großen Szenen aufblühen lassen und spielte hervorragend und mit viel Emotion den verzweifelten Vater. Ganz hervorragend als Giovanni di Procida sang der russische Bass Alexander Vinogradov. Was für eine Stimme und Bühnenpräsenz!
In den kleineren Rollen waren Irène Friedli als Ninetta, Jonas Jud als Il sire di Bethune, Brent Michael Smith, als Il conte Vaudemont, Raul Gutiérrez als Danieli, Omer Kobiljak als Tebaldo, Stanislav Vorobyov als Roberto und Maximilian Lawrie als Manfredo zu erleben.
- Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
- Opernhaus Zürich / Stückeseite
- Titelfoto: Opernhaus Zürich/I vespri siciliani/M. Agresta, Ensemble, Chor/Foto: Herwig Prammer