Nino Machaidze und Joseph Calleja im gemeinsamen Gespräch mit dem OPERNMAGAZIN

Staatsoper Hamburg/ LUISA MILLER/ Foto @ Monika Rittershaus
Staatsoper Hamburg/ LUISA MILLER/ Foto @ Monika Rittershaus

Nino Machaidze und Joseph Calleja gehören zu den internationalen Stars der Opernszene. Am 11.10. 2018 begeisterten die beiden in Giuseppe Verdis Oper „Luisa Miller“ als Luisa und Rodolfo in der Staatsoper Hamburg das Publikum zum sechsten und leider bisher letzten Mal. DAS OPERNMAGAZIN traf die beiden Künstler zuvor zu einem Interview in den Räumen der Staatsoper Hamburg. 


Nino Machaidze wurde 1983 im georgischen Tiflis geboren, wo sie am dortigen Konservatorium ihre Ausbildung erhielt. Mit 17 gewann sie ihren ersten Gesangswettbewerb und debütierte am Sacharia-Paliaschwili-Theater für Oper und Ballett in Tiflis als Zerlina in Mozarts „Don Giovanni“. Dort war sie dann auch als Gilda (Rigoletto) und Norina (Don Pasquale) zu hören bevor sie 2005 die Akademie für junge Opernsänger an der Mailänder Scala aufgenommen wurde. Hier debütierte sie als Najade in „Ariadne auf Naxos“ und legte 2007 mit in der Titelrolle von Rossiins „ La Fille du regiment“ den ersten Meilenstein für ihre Karriere. Im folgenden Jahr sprang sie bei den Salzburger Festspielen für Anna Netrebko ein und sang an der Seite von Rolando Villazon die Juliette in Gounods „Romeo et Juliette“.

Nino Machaidze / Foto @ Nino Machaidze

Danach machte Nino Machaidze verschiedene bedeutende Rollendebüt an namhaften Theatern. Heute hat die, mit verschiedenen Preisen ausgezeichnete Sängerin, ein 37 Rollen umfassendes Repertoire mit populären Partien, wie Mimi, Musetta, Gilda, Michaela, Violetta, Juliette, Rosina und Luisa, aber auch Thais, Desdemona (Rossini), Fedora und Afrikanerin und ist in allen bedeutenden Opernhäusern zu Hause.

Auch der Tenor Joseph Calleja kann auf Auszeichnungen zurückblicken ( Gewinner des Caruso Wettbewerbs 1998, Preisträger bei Operalia 1999) und hat ein 40 Partien starkes Repertoire. Daneben ist er seit 2012 erster maltesischer „Cultural Ambassador“ und wurde 2015 in den Vorstand der Europäischen Musiktheater-Akademie gewählt.
Calleja wurde 1978 auf Malta geboren und debütierte dort im Alter von 19 Jahren als Macduff in Giuseppe Verdis „Macbeth“ im Astra Theatre. Sein Debüt an der Metropolitan Opera hatte er im Jahr 2009 als Titelheld in Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“. Damals sprang Calleja für den erkrankten Rolando Villazón ein. Heute gehört auch er an allen großen Opernhäusern zu den gern gesehen Gästen. Sei es als Herzog in Verdis „Rigoletto“, Rodolfo in Puccinis „La Boheme“.Cavaradossi in „Tosca“ oder als Edgardo in Donizettis „Lucia di Lammermoor“. Außerdem nimmt er regelmäßig an Operngalas teil und gibt Recitals. 2012 war er maßgeblich an der Gestaltung der Last Night of the Proms beteiligt.

Sie sind aber mutig“, beginnt Joseph Calleja das Gespräch, „einen Tenor und einen Sopran zusammen einzuladen. Die hassen sich.“ Durch sein Lachen, die Art wie er und Nino Machaidze sich umarmen und überhaupt die entspannte Atmosphäre, die von Anfang an herrscht, straft er sich selbst Lügen. Und so bleibt es während des gesamten Gesprächs.

Opernmagazin“ (OM):  „Frau Machaidze“Sie betonen gerne, wie sehr Sie die Rolle der „Luisa“ lieben. Können Sie den Grund nennen?

Nino Machaidze (NM): „Manchmal wirft man einen Blick in eine Partitur und hat das Gefühl: -„Bei dieser Rolle hat der Komponist an mich gedacht!“- So ging es mir bei „Luisa“ schon vom ersten Moment an. Obwohl es wirklich schwer ist, ist die Luisa eine Partie bei der alles,  jeder Ton,  jeder Lauf sich sofort natürlich und schön anfühlt beim Singen. Es war einfach in musikalischer, wie darstellerischer, emotionaler Beziehung Liebe auf den ersten Blick. Natürlich muss man dennoch daran arbeiten. Es ist eine anspruchsvolle Rolle mit vielen Aspekten. Sie benötigt Leichtigkeit und auch Ernsthaftigkeit, Koloraturen und auch viel Stütze. Ich liebe es einfach, alle meine Möglichkeiten und Fähigkeiten zeigen zu dürfen, denn Ausdruck und Empathie für die Partie, ist für mich genauso wichtig , wie das Musikalische. Besonders im zweiten und dritten Akt bin ich ja fast nur agierend auf der Bühne, was anstrengend, doch da bin ich ganz in meinem Element. Denn zu berühren mit Stimme und Spiel, zu hören, dass de Menschen weinten oder Gänsehaut bekamen, das bedeutet für mich eine Künstlerin zu sein.“

Joseph Calleja/ Foto Copyright DECCA/Simon Fowler

Joseph Calleja (JC): „Ja, im zweiten Teil gebe nur ich dir mit meiner Arie „Quando le sere a placido“ eine kurze Verschnaufpause.“ 

OM: „Ja, Herr Calleja so kann man es sicher sehen.“ – „Frau Machaidze, Sie gaben ihr „Luisa“-Rollendebüt hier in Hamburg vor vier Jahren, Sie, Herr Calleja sangen in dieser Aufführungsserie den Rodolfo zum ersten Mal.

JC: „Das ist richtig. Die Arie hingegen habe ich schon sehr oft gesungen. Die gesamte Oper ist wirklich wunderschöne Musik. Verdis „Luisa“ ist noch nicht so vollkommen, wie seine späteren Opern, zum Beispiel „Falstaff“ oder auch „Otello“. Aber es gibt so viele Passagen die Verdi später in „La Traviata“ oder auch „Rigoletto“, benutzt. (beide singen etwas an). Ich bin ja ein lyrischer Tenor, singe seit über 20 Jahren, bemüht das lyrische zu erhalten, aber Rollen wie der Rodolfo verlangen mehr Fülle, mehr Stütze und so heißt es sich von einigen Rollen zu verabschieden und neue zu entdecken. Was die gesamte Partie betrifft, da bin ich ehrlich, hätte ich mir mehr Vorbereitungszeit gewünscht. Doch das ist bei unseren Karrieren kaum möglich und so bin ich, als Perfektionist nur zu 95% mit mir zufrieden. Besonders im letzten Akt gibt es Passagen, Tonläufe für den Tenor, die mörderisch schwer sind und an denen ich immer weiter arbeiten möchte. Da ich nur wenige Tage hatte die Inszenierung kennenzulernen, bin ich dankbar für Ninos Unterstützung, besonders während der ersten Vorstellung, was das Zurechtfinden in der Szenerie betrifft. Denn auch ich bin ein Sänger, dem nicht allein die Technik wichtig ist, sondern die Gesamtleistung. Ich vergleiche das manchmal gerne mit einem Auto: Du hast die Karosserie und da steht es dann – dein Auto -, aber damit es wirklich funktioniert , braucht es noch viel mehr: den Motor, die Sitze, das Steuerrad. Alle diese Dinge machen es erst zu einem Ganzen.Und außerdem ist Oper auf die Bühne gebrachtes Leben, zeigt all seine Aspekte und Emotionen. In dieser Aufführung stimmte aber zusätzlich zur eigenen Einstellung auch der Rest. Das Team ist einfach wunderbar. Von allen singenden Kollegen bis hin zu Spielleiter Tim Jentzen, der ein Mal den Conte spielte, als Vitalij Kowaljow erkrankte und sehr kurzfristig Carlo Colombara für ihn einspringen musste, der die Produktion ja nicht kannte und darum nur sang.“

NM: „Ja, Tim hat das wirklich toll gemacht an de Abend. Und es war wirklich eine sehr gute Crew. Ich weiß auch, dass das Publikum Josephs und meine Stimme als sehr schön klingend zusammen empfindet. Das ist etwas, dass man nicht forcieren oder manipulieren kann, er hat seine Stimmfarbe, ich die meine. Doch es ist ein schöner Zufall, dass dies dem Publikum so gefällt.“

OM: „Eine gute Einleitung zur nächsten Frage. Wann ist ein Abend ein Erfolg. Hängt dies allein von der Reaktion des Publikums ab oder auch davon wie man die eigene Leistung einschätzt?“

NM: „Joseph, darf ich zuerst? (Er nickt) Eine interessante Frage, die ich noch nie gestellt bekam. Es ist natürlich beides. Egal, was vielleicht jemand anderer sagt , wir wissen, was wir tun. Wissen, wann wir etwas gut und richtig gemacht haben und wann nicht. So ist es ein warmes, schönes Gefühl im Inneren, hat man etwas Schwieriges gut bewältigt. Aber wir spielen ja fürs Publikum, und diese glücklich zu machen ist noch wichtiger. Es reicht nicht, zu denken -Ja, ich ab es gerockt!-, sondern zu fühlen und zu sehen, dass, was was ich fühlte, auch das Publikum gefühlt hat. Im letzten Duett hier, bekam ich neulich selbst Gänsehaut und als mir dann jemand sagte, ihm wäre es ach so gegangen, wusste ich, das die Energie zwischen Bühne und Saal stimmte. Und ihre Rührung und Freude zu sehen, mit dem Publikum dies zu teilen, das ist wichtig. Das ist für uns Sänger ein unglaubliches Gefühl.“

JC: „Ich bin Perfektionist und ja, ich liebe es, das Publikum glücklich zu machen. Und das gelingt mir am besten wenn ich das Gefühl habe, Perfektion fast erreicht zu haben. Fast, denn wirklich perfekt kann man nie sein. Wenn ich dieses Gefühl für mich erreicht habe, fühlt es auch das Publikum. Andererseits merken oder spüren sie auch, wenn etwas nicht richtig ist, vielleicht ohne genau zu wissen was. Und dann gab es in der Vergangenheit auch Vorstellungen, bei denen ich umjubelt wurde, aber dennoch selbst dachte: Ja, aber der Ton, diese Phrase …Um über lange Zeit vom Publikum gemocht zu werden, ist es wichtig, einerseits nicht zu vergessen, dass man ein Mensch und keine Maschine ist, aber immer bemüht, sein Bestes zu geben. Das Wichtigste im Theater sind nicht wir. Das Wichtigste ist das Publikum. Und auch wenn es weh tut, und ich es selbst niemals tun würde, müssen wir Manns oder Frau genug sein, wenn wir ausgebuht werden“.

Nino Maichaidze/ Foto @ Nino Machaidze

NM: „Wichtig ist, dass man nie den Glauben an sich verliert. Nicht vergisst, dass man sein Bestes gegeben hat und dass man positiv denkt.“

JC: „Genau so ist es. Im Leben gibt es gutes und schlechtes Wetter, man muss es nehmen, wie es ist. So ist es auch auf der Bühne. Vieles ist Glücks- oder Geschmackssache.“

OM: „Wie wichtig nehmen Sie beide Kritiken. Egal, ob negativ oder positiv?“

NM: „Es ist schön positive Kritiken zu bekommen, doch manchmal hat man schon nach den ersten Zeilen Zweifel ob der Kritiker wirklich da war, da es übertrieben und fern von der selbst empfundenen Realität klingt. So wie Joseph sagt, es hängt soviel vom Geschmack des jeweiligen Kritikers ab. Es ist wie mit Frauen oder Männern. Die oder der eine mag blond, die oder der andere rot oder braun. Viele mögen meine Stimme, andere nicht. So lese ich Kritiken, aber ich suche nicht nach ihnen. Der Moment direkt nach der Vorstellung ist, das was wirklich für mich zählt.“

JC: „Als ich noch jünger war, habe ich im Internet nach jeder Kritik gesucht. Aber dann, als ich mir einen Namen gemacht habe, und Nino und ich haben ja beide einen Namen, habe auch ich es gelassen. Wenn man gute Kritiken ernst nimmt, muss man auch die schlechten ernst nehmen. Natürlich ist die Meinung wichtig, doch war es früher wichtiger. Da es heute schon mal vorkommt, dass ein junger Mensch von gerade einmal 20 Jahren, meine Leistung nach der Qualität beurteilt, die er von Studioaufnahmen kennt. Das ist, beileibe nicht immer so, es gibt durchaus Kritiken, konstruktive, von denen ich lernen kann. Aber heutzutage weiß ich um meine Stärken, meine Schwächen, erkenne selbst meine Erfolge und Misserfolge. Die Balance ist wichtig, zwischen guter und schlechter Kritik, zwischen Selbstvertrauen und Selbstkritik.“

NM: „Für mich ist es wichtig, so lange wie möglich an diesen Punkt des Erfolges zu bleiben den ich erreicht habe. Berühmt zu werden geht schnell, aber damit Wachsen auch die Erwartungen, die Leute kaufen Karten um mich zu sehen. Sie sind wichtig, für sie möchte ich alles geben, auch wenn kein Tag gleich ist, vieles von unserem Körper abhängt und unserer Lebenssituationen. Manchmal bedeutet dies harte Arbeit, aber es ist machbar und das Publikum ist es wert. Wie gesagt, das ist es, was für mich am meisten zählt.“

OM: „Sie kommen beide aus vielleicht nicht exotischen, doch kulturell interessanten Ländern. Wie viel Heimat tragen Sie, auch auf der Bühne, in sich?“

NM: „Ich weiß es nicht. Natürlich bin ich dort geboren, aufgewachsen und habe eine Gesangstechnik dort gelernt. Aber ich hatte auch lange Unterricht bei der fantastischen Leyla Gencer, die ja Türkin war und ich lebe seit 13 Jahren in Italien. Ja, wahrscheinlich werde ich im Herzen, und so auch auf der Bühne immer Georgierin bleiben auf die eine oder andere Art. Ich kann es nicht sagen. Was mir aber wichtiger ist, ich bin glücklich, dass es in einem so kleinem Land, wie in meinen Georgien, so viele fantastische und berühmte Opernsänger und unglaubliche Musiker, Pianisten, Violinisten, und viele mehr, gibt.“

Joseph Calleja/ Foto Copyright DECCA/Simon Fowler

JC: „Ihr seid 3.000. 000 Einwohner? Wir sind 400.000. Eigentlich, kann ich dazu nicht viel anderes sagen, als Nino. Und auch aus Malta kommen bekannte Opernsänger, wie zum Beispiel Miriam Gauci, oder auch Sänger anderer Genres. Um die jungen Talente unserer schönen Insel zu fördern, habe ich den Drake Calleja Trust gegründet. In nur 4 Jahren haben wir auch durch staatliche Unterstützung mehrere Millionen Euro eingenommen.  Unter den Stipendiaten ist ein 19 Jahre alter Bariton, dem ich eine gute Karriere voraussage und der von Gozo kommt, einer Insel mit nur 30.000 Einwohnern.
Ja, Malta ist schon ein besonderer und friedvoller Ort. Ich bin und bleibe im Herzen immer Malteser, tragen auch stets den Ring mit dem maltesischen Kreuz.“

OM: „DAS OPERNMAGAZIN dankt Ihnen beiden herzlichst für dieses interessante Gespräch. Und wünscht Ihnen, Frau Machaidze fürs Erste,  für ihre „Rosina“ in Rossinis „Barbiere di Siviglia“ an der Nationale Opera Amsterdam, und Ihnen Herr Calleja, für den „Cavaradossi“ an der Metropolitan Opera in New York, viel Erfolg.“

NM: Dankeschön. Ciao!
JC: Vielen Dank! Auf Wiedersehen!

 

 

  • Das Interview mit Nino Machaidze und Joseph Calleja fand am 5.Oktober 2018 in der Staatsoper Hamburg statt. Birgit Kleinfeld stellte die Fragen für DAS OPERNMAGAZIN.
  • Titelfoto: Nino Machaidze (Foto privat) + Joseh Calleja (Foto @ Decca – Simon Fowler) (Portraits zusammengefügt)
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