
Das 70. Konzert im Woelfl-Haus wurde von der Woelfl-Haus-Jugend, jungen Mitgliedern der Joseph-Woelfl-Gesellschaft, gestaltet. Es war ein Gesprächskonzert, bei dem die einzelnen Programmpunkte mit passenden Bildern unterlegt waren, die auf der raumbreiten Leiwand projiziert wurden. Der Konzertsaal mit seinen 70 Plätzen war voll, im angrenzenden Hof waren weitere 40 Sitzplätze besetzt. (Rezension des Konzerts vom 7.7.2024)
Den Anfang machten Susanna Kilian, Sopran, und Valentin Bauer, Tenor, am Klavier begleitet von Bastian Windisch, mit Liedern und Duetten von Joseph Woelfl, Robert Schumann und Felix Mendelssohn-Bartholdy sowie „Care pupille“ aus Mozarts „La finta Giardiniera“. Paulina Walter und Max Brentrup, der Ovid auf Latein zitierte, allerdings auch die deutsche Übersetzung lieferte, erläuterten Hintergründe und Bezüge der Liedtexte zum Thema Natur.
Den zweiten Teil eröffnete die junge Hornistin Daniela Held mit einer Komposition von Josef Strauss, Vater von Richard Strauss, gefolgt von drei Liedern Woelfls über Seefahrer und ein Lied von Charles Dibdin „The Celebratad Song oft he Storm“, zu dem die junge Pianistin Katharina Hack neun ungeheuer virtuose Variationen für das Klavier von Joseph Woelfl aufführte.

Die Sensation und Höhepunkt des Konzerts jedoch war die Welt-Uraufführung von „La colombe Poignardée et le Jet´eau“ („Die erstochene Taube und der Springbrunnen“) nach dem berühmten Gedicht von Apollinaire aus der 1918 erschienenen Sammlung „Caligrammes“, komponiert vom jungen Komponisten Fynn Hoffmann, der Susanna Kilian (Sopran), Valentin Bauer (Tenor) und Daniela Held (Horn) selbst am Klavier begleitete. Wie Hoffmann den ambivalenten Charakter des Texts musikalisch unterstrich, der als konkrete Poesie natürlich auch als Bild an die Wand projiziert wurde, hat mich sehr beeindruckt.
Es war eine für den gegebenen Anlass und die vorhandene Besetzung geschaffene Komposition, die von einem Vogel handeln sollte. Das Kalligramm von Apollinaire bot sich an, denn Hoffmann hatte es in seiner ersten Vorlesung an der Universität Bonn beim Komparatistikprofessor Neil Stewart kennen gelernt, und es schien ihm sinnvoll, den Autor Apollinaire, „der die Schrecken des ersten Weltkriegs in einer seltsamen Ästhetik einfängt“ aufzugreifen, weil Apollinaire „ein in Rom geborener Frankophiler war, der zeitweise sogar im Rheinland, in Bad Honnef, gewohnt hat.“
„Der Titel spricht für sich. Da würde jede Erklärung das grausame Bild verflachen. … Das Aufflattern einer Taube, ein Gurren im Horn, gebetsartige Kaskaden ein überfließendes Becken – das fasst es gut zusammen. Und in der Tat sprechen zwischendurch reale Menschen, die Apollinaire kannte, oder gekannt haben könnte – Ravel, Poulenc, Debussy, Honegger, Messiaen – alle ihre Stile sind hier eingeflossen,“ so der junge Komponist zu seinem ungewöhnlich besetzten Duett mit Klavier- und Hornbegleitung.
Die Elegie gestattet viele Deutungen. Ich selbst habe die Komposition weniger als Klage über verlorene Liebe und Freundschaften aufgefasst, denn als Anti-Kriegsgedicht, das es sicher auch ist, im Gedenken an in den Krieg gezogene und gefallene Freunde. „Mit der diesjährigen Weltlage, in der Kriege herrschen, Frankreich und Deutschland gemeinsam des D-Day gedachten, Macron in Dresden seine Rede für Europa und die amité franco-allemande hält, und die zwei größten Sportereignisse in diesen beiden Ländern stattfinden, haben das über hundert Jahre alte Kalligramm und das Stück eher nichts zu tun,“ so der junge Komponist.
Das Duett: „La ci darem la mano“ aus Mozarts „Don Giovanni“ gaben Susanna Kilian und Valentin Bauer als Zugabe, die nun wirklich alle wiedererkannten, auch wenn Don Giovanni eigentlich Bariton ist. Die Faszination der Verführung einer naiven jungen Frau durch einen notorischen Womanizer brachten beide sehr überzeugend rüber.
Valentin Bauers gut geführter lyrischer Tenor ist ideal für das klassische und romantische Repertoire und kam auch im Duett mit Susanna Kilians wunderschönem lyrischen Sopran sehr gut zur Geltung. Bauer ist neben dem Sologesang als Musikpädagoge tätig, Susanna Kilian studiert Jura und arbeitet im Woelfl-Haus als studentische Hilfskraft. Fynn Hoffman komponiert seit seinem 13. Lebensjahr und wurde von Margit Haider-Dechant ermutigt, Klavier und Komposition zu studieren. Er hat 2019 und 2020 Preise beim Wettbewerb „Jugend komponiert“ gewonnen. Daniela Held ist noch Studentin an der Hochschule für Musik und Tanz, Köln, unterrichtet aber schon an einer Musikschule das Fach Horn. Bastian Windisch und Katharina Hack sind junge Pianisten, die von Prof. Margit Haider-Dechant unterrichtet und gefördert wurden.

Die Musikwissenschaftlerin Paulina Walter ist nach einigen Jahren als studentische Hilfskraft am Woelfl-Haus nach ihrem Masterstudium jetzt Chorinspizientin und organisatorische Leiterin des Kinderchors an der Staatoper Stuttgart. Der Musikwissenschaftler und Altphilologe Max Brentrup ist seit 2023 Musik-, Latein- und Griechischlehrer an einem Gymnasium. Alle sind Mitglieder der Woelfl-Gesellschaft, die sich für das Werk Joseph Woelfls einsetzt.
Im Anschluss an das Konzert luden Margit und Hermann Dechant zu einem Umtrunk in ihrem wunderschönen Garten.
Die Aufführenden sind typisch für junge Künstlerinnen und Künstler, die im Woelfl-Haus gefördert werden. Sänger*innen und Instrumentalist*innen erhalten in den an jedem ersten Sonntag im Monat stattfindenden Kammerkonzerten die Gelegenheit, vor Publikum aufzutreten. Bedingung ist, dass sie mindestens ein Stück von Joseph Woelfl zu Gehör bringen. Prof. Margit Haider-Dechant und Prof. Hermann Dechant haben das Woelfl-Haus am 4. September 2016 feierlich eröffnet. Es dient der Edition und Aufführung der Werke des Komponisten Joseph Woelfl (1773-1812), der als Zeitgenosse Beethovens lange vergessen war, nun aber als Vertreter der Wiener Klassik in ihrer Londoner Ausprägung allgemein anerkannt ist.
- Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Woelfl – Haus Bonn
- Titelfoto: Woelfl Saal Bonn/Foto @ Woelf-Haus Bonn