
Zum Abschluss ihrer äußerst erfolgreichen Intendanz hat Elisabeth Sobotka für die Seebühne in Bregenz Carl Maria von Webers Romantische Oper „Der Freischütz“ ausgewählt und damit die Zusammenarbeit mit Regisseur Philippe Stölzl fortgesetzt. Stölzl hatte bereits die Verdi Oper „Rigoletto“ sehr eindrücklich auf die Seebühne gebracht und es war sein Wunsch, auch die Oper „Der Freischütz“ zu inszenieren und der ist ihm nun erfüllt worden. (Besuchte Vorstellung: Premiere am 17.Juli2024)
Webers Oper wurde 1821 in Berlin uraufgeführt und hatte das Libretto von Friedrich Kind als Grundlage. Die Handlung spielt in einem Dorf in Böhmen, kurz nach dem Ende des Dreissigjährigen Krieges. Auf der Bühne zu sehen ist ein Dorf in winterlicher Umgebung, welches im Begriffe ist, im Wasser zu versinken. Hier hat Philipp Stölzl wirklich ganze Arbeit geleistet und zusammen mit den Kostümen von Gesine Völlm und der Lichtgestaltung von Florian Schmitt ein vom Anfang bis zum Ende weites Spektrum an Eindrücken geschaffen.
Natürlich ist es für die heutigen Zuschauer schwer nachvollziehbar, welche Sitten und Gebräuche, gepaart mit Aberglaube und Unterwerfung damals geherrscht haben. Deshalb wurde nach einem Konzept von Stölzl und in Zusammenarbeit mit Jan Dvořák eine modernere Dialogfassung geschrieben, welche viele Klischees der damaligen Zeit auslässt.

Damit die Zuschauer der Handlung besser folgen können, hat die Regie der Figur des Teufels Samiel eine durch die ganze Vorstellung führende Rolle zugeteilt. Er erscheint immer wieder auf der Bühne und erklärt auf packende Weise, was gerade vor sich geht. Die Texte sind zum Teil weit weg von der ursprünglichen Fassung. Dies, wie auch die immer wieder dazwischen gespielten zusätzlichen Kompositionen von Ingo Ludwig Frenzel, wirkt irritierend. Die Aufführung beginnt mit dem Ende der Geschichte und wird dann als Rückblick erzählt. Auch der Schluss kommt ganz anders daher, als in der Urfassung. Hier darf man sich die grundsätzliche Frage stellen, wie weit man ein Libretto verändern und stellenweise sogar Arien mit kurzen Texten unterbrechen darf.
Die Bühnengestaltung ist großartig und bis ins kleinste Detail märchenhaft gestaltet. Die Inszenierung, wie auch die Choreographie verlangen von den Darstellern, dass sie oft im Wasser stehend agieren müssen und zuweilen vergisst man, dass „Der Freischütz“ eine Oper ist und nicht ein Musical. Was die Stunt- und Bewegungsregie von Wendy Hesketh-Ogilvie dabei bietet, ist sehr eindrücklich und man muss allen Mitwirkenden, welche die außergewöhnlichen Bedingungen dieser Inszenierung mitmachen, großen Respekt zollen.
Die musikalische Seite der Aufführung bot einige Highlights. Die Wiener Symphoniker spielten unter der umsichtigen Leitung des Conductor in Residence Enrique Mazzola. Er führte das Orchester und die Sänger/innen, welche ja unter ganz speziellen Bedingungen agieren mussten, mit viel Energie und dem Gespür für die Feinheiten dieses Werkes. Die Zusatzmusik wurde von Ania Marchwinska, Cembalo, Daniel Schober, Kontrabass und Atanas Dinovski, Akkordeon, gespielt.
Zunächst einmal muss an erster Stelle des Ensembles nicht ein Sänger, sondern der Schauspieler Moritz von Treuenfels genannt werden, welche in der Rolle des Teufels Samiel während der ganzen Aufführung präsent ist und eine großartige Leistung an Spiel und Rezitation bot.

Mit der deutschen Sopranistin Nikola Hillebrand, welche die Rolle der Agathe sang, hat man eine ideale Besetzung gefunden. Sie singt und spielt mit Lockerheit und einem blühenden Sopran. Ihr zur Seite stand Katharina Ruckgaber als Ännchen, als die selbstbewusste Freundin von Agathe. Sie bot ebenfalls einen gesanglich, wie auch schauspielerisch sehr ansprechenden Auftritt.
Tenor Mauro Peter als Max sang diese anspruchsvolle Partie des gehänselten und verliebten Burschen. Ob dies die richtige Partie für ihn ist, kann man wohl erst nach ein paar Aufführungen beurteilen. Bei der Premiere wirkte er nervös und oft angestrengt. So richtig aufblühen konnte seine Stimme noch nicht. Christoph Fischesser als Kaspar singt und spielt ebenfalls sehr eindrücklich. Liviu Holender als Ottokar, Franz Hawlata als Kuno, Andreas Wolf als Eremit und Maximilian Krummen als Kilian bildeten ein bestens eingespieltes Ensemble.
Der Prager Philharmonischer Chor unter der Leitung von Lukáš Vasilek konnte auch in diesem Jahr wieder mit einer beeindruckenden Leistung aufwarten.

Es würde zu weit führen, alle an dieser sehr speziellen Produktion Beteiligten namentlich zu erwähnen. Diesem Projekt ging viel Arbeit unter ungewöhnlichen Bedingungen voraus. An dieser Stelle seien auch die vielen Künstler, Handwerker und Helfer erwähnt, welche einen großen Beitrag hinter den Kulissen geleistet haben und ohne die eine so außergewöhnliche Aufführung nicht hätte verwirklicht werden können.
Wenn es gelingen sollte noch mehr auch jüngere Opernfreunde zu gewinnen, dann ist eine solche Produktion dazu bestens geeignet. Die meisten Aufführungen sind bereits ausverkauft.
Auch im kommenden Jahr steht „Der Freischütz“ nochmals auf dem Programm der Bregenzer Festspiele. Der Vorverkauf beginnt am 1. Oktober 2024. Die Aufführungen finden vom 17. Juli – 17. August 2025 statt.
- Rezension von Marco Stücklin / DAS OPERNMAGAZIN-CH
- Bregenzer Festspiele 2024 / Stückeseite
- Titelfoto: Bregenzer Festspiele 2024/DER FREISCHÜTZ/Foto © Bregenzer Festspiele / Anja Köhler