Zum Abschluss ihres Aufenthalts bei den Salzburger Sommerfestspielen haben Jordi Savall und Le Concert des Nations am 9. August 2024 Ludwig van Beethovens 8. und 9. Symphonien auf historischen Instrumenten im Haus für Mozart gespielt. Die Aufführungen der ersten, zweiten und vierten Symphonie am selben Veranstaltungsort am 6. August habe ich bereits rezensiert. Der Klang dieser Aufführung war erfrischend, mit schlanken, sparsamen Texturen, die die Klarheit des Orchesters gewährleisten. Insbesondere die Holzbläser waren klar hörbar, und die historischen Pauken, die mit harten Stöcken gespielt wurden, machten sich bei den Klimaxen bemerkbar. Savalls energische Lesart trieb die Musik mit beständiger und beeindruckender Dynamik voran. (Rezension des Konzertes v. 9. August 2024)
Die F-Dur-Symphonie op. 93 wurde am 27. Februar 1814 in einer von Beethoven veranstalteten „Akademie“ im großen Redoutensaal in Wien uraufgeführt. Die Struktur der Sinfonie ist für die damalige Zeit unkonventionell: Der zweite Satz (Allegretto scherzando), der anstelle eines üblichen langsamen Satzes steht, ist eine Sonatine (Sonate ohne Durchführung). Er besteht aus einem A-Teil, einer variierten Wiederholung des A-Teils und einer Coda. Die Symphonie in d-Moll op. 125, die ich anlässlich ihres 200. Jubiläums rezensiert habe, wurde in einem Konzert uraufgeführt, das Beethoven am 7. Mai 1824 im Theater am Kärntnertor veranstaltete. Eine Symphonie mit einem gesungenen Text, Friedrich Schillers „Ode an die Freude“, war innovativ und wurde vom Publikum bei der Premiere im ausverkauften Theater mit begeisterten Ovationen bedacht.
Jordi Savalls Interpretation der F-Dur-Symphonie war umwerfend geschmeidig mit eindrucksvoller Virtuosität. Der erste Satz (Allegro vivace e con brio) brach in einem berauschenden Feuerwerk an Energie aus, das vom ersten bis zum letzten Takt aufrechterhalten wurde. Der reizvolle zweite Satz besaß einen unwiderstehlichen Schalk, und auch der dritte Satz war einnehmend. Das Finale (Allegro vivace) funkelte und tanzte wild und erinnerte an Beethovens Humor, der in der gesamten Symphonie zu spüren ist. Der erste Satz hat keine Einleitung; der zweite Satz enthält eine Nachahmung des von Johann Nepomuk Maelzel neu erfundenen Metronoms; der dritte Satz, der als Tempo di Menuetto bezeichnet wird, ähnelt an Volkstänze; und im vierten Satz entpuppt sich eine scheinbar deplatzierte Note im Hauptthema als Grundton eines anderen Akkords in einer anderen Tonart.
Le Concert des Nations war einfühlsam und stets aufmerksam für die Nuancen der Partitur in der d-Moll Symphonie. Savall bringt warme und lebendige Harmonien hervor und setzt subtile dynamische Veränderungen ein. Die Paukenschläge sind heftig, wenn Beethoven sie vorschreibt, wie zum Beispiel das orchestrale Fortissimo zu Beginn der Reprise im ersten Satz. Der erste Satz (Allegro ma non troppo, un poco maestoso) hatte nicht nur enorme Kraft, sondern auch Zurückhaltung, wobei die vielen Piano- und Pianissimo-Passagen gut beachtet wurden. Das Molto vivace – Presto hatte eine geheimnisvolle Energie, die plötzlich ausbrach, und das Trio war heiter. Der dritte Satz (Adagio molto e cantabile – Andante moderato) blieb in Bewegung, und die zunehmende Ausarbeitung der Violinlinien kam als wirklich schön rüber. Die Fanfare zu Beginn des letzten Satzes zeigte die Kraft der Blechbläser, und die erste Aussage des Freude-Themas war lebhaft und doch poetisch. Sobald der Bass Manuel Walser die Stimmen zum Anstimmen aufforderte („O Freunde, nicht diese Töne! Sondern laßt uns angenehmere anstimmen und freudenvollere“), stieg die Spannung der Gefühle. Der erste Choreinsatz von La Capella Nacional de Catalunya war ausgeprägt, und die Artikulation war durchweg klar. Das Solistenquartett, zu dem auch die Sopranistin Lina Johnson, die Altistin Olivia Vermeulen und der Tenor Martin Platz gehörten, war großartig. Die Doppelfuge wurde äußerst energisch und packend vorgetragen, und die Passage „Brüder, überm Sternenzelt muß ein lieber Vater wohnen“ verbreitete Ehrfurcht und Erhabenheit. Im folgenden Prestissimo hielten die Soprane an ihrem hohen A fest, und die Aufführung endete im Triumph.
Diese Aufführung beweist, dass eine historisch informierte Praxis kraftvoll, emotional packend und lebendig sein kann. Die eingesetzten Orchester- und Chorbesetzungen projizierten ebenso viel Leidenschaft und Kraft wie groß angelegte Interpretationen und hatten zudem den Vorteil, dass mehr Einzelheiten, insbesondere in den Streichern (die Violinen waren antiphonal geteilt) und Holzbläsern, zu hören waren. Der Chor, die Solisten, das Orchester und der Dirigent wurden mit verdientem Beifall gefeiert. Das Haus für Mozart erwies sich als nahezu ideale Akustik, nicht nur für Beethovens 9. Symphonie, sondern auch für die früheren Symphonien, die während der diesjährigen Salzburger Festspiele dort gespielt wurden.
- Rezension von Dr. Daniel Floyd / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Salzburger Festspiele / Stückeseite
- Titelfoto: Salzburger Festspiele 2024/Le Concert des Nations 2 · Savall 2024: Le Concert des Nations, La Capella Nacional de Catalunya, Jordi Savall (Dirigent)/Foto: © SF/Marco Borrelli