Jakub Józef Orliński bei den Händel-Festspielen: „Der bösartige Geist der Parteien“

Ulrichskirche-Festkonzert J.J. Orliński/ Foto © Thomas Ziegler

Die Rivalität zweier in den 1720er Jahren in London tätigen Komponisten, Giovanni Bononcini und Georg Friedrich Händel, war die Grundlage für das Programm des Konzerts der Händel-Festspiele Halle, das am 8. Juni 2023 in der Konzerthalle Ulrichskirche aufgeführt wurde. Eine Besonderheit des Programms war die Möglichkeit, einige Kompositionen Bononcinis denen Händels gegenüberzustellen.

 

Obwohl Bononcini in den frühen 1720er Jahren mit Händel konkurrierte, wurde sein guter Ruf 1731 zerstört, nachdem er ein von Antonio Lotti geschriebenes und als Teil der Duetti, terzetti e madrigali veröffentlichtes Madrigal „In una siepe ombrosa“ als seine eigene Komposition ausgegeben hatte. Bononcini verließ London 1732, arbeitete in Paris und Lissabon, kehrte 1737 endgültig nach Wien und starb am 9. Juli 1747, weitgehend vergessen.

Ulrichskirche-Festkonzert J.J. Orliński/ Foto © Thomas Ziegler

Was in den im Rahmen dieses Programms präsentierten Werken deutlich zum Ausdruck kam, ist, dass Bononcini ein würdiger Rivale Händels war und dass er in London möglicherweise weitere Erfolge erzielt hätte, wenn es nicht zu einem Plagiat gekommen wäre. Auf dem Programm standen zwei Ouvertüren (aus Il Muzio Scevola und Griselda) sowie vier Arien („Di vagheggiarvi“, „Infelice mia costanza“, „Volgendo a me lo sguardo“ und „Sebben fu il cor severo“) aus seinem Oeuvre. Eine seiner vollständigen Oper zu hören würde es ermöglichen, Bononcinis Leistungen umfassend zu ermessen.

An diesem Abend wurden vier Arien („Spera che tra le care“, „Empio, dirò tu sei“, „Stille amare“ und „Se in fiorito“), zwei Ouvertüren (aus Il Muzio Scevola HWV 13 und Flavio, re de’ Longobardi HWV 16) und der Vivace-Satz aus dem Concerto Grosso op. 3 Nr. 6 HWV 317 von Händel aufgeführt. Diese Auswahl zeigt, wie sehr sich Händel die italienische Sprache und Kompositionsformen verinnerlicht hat.

Der Countertenor Jakub Józef Orliński sang nicht nur die Arien, er nutzte auch Mimik und Körpersprache, um die Bedeutungen der Texte zu vermitteln, die verloren gehen können, wenn man sie aus dem Kontext der Opern, zu denen sie gehören, entfernt. Sein Engagement für das Publikum (beispielsweise gesprochene Einführungen in englischer Sprache zu einigen der Werke) und sein „Schauspiel“ beim Singen hielten die Stücke zusammen und sorgten für einen unvergesslichen musikalischen Abend. Es war von Vorteil, dass er die Händel-Arien auswendig sang und die weniger bekannten Stücke von Bononcini so zu singen verstand, als wären sie von gleicher Qualität. Dabei half er dem Publikum zu verstehen, warum Bononcini von vielen seiner Zeitgenossen als Händel ebenbürtiger Komponist angesehen wurde.

Ulrichskirche-Festkonzert J.J. Orliński © Thomas Ziegler

Die Herausforderung bei Programmen, die Arien und verschiedene Instrumentalstücke von zwei verschiedenen Komponisten mischen, besteht darin, die Kohärenz und den Schwung zu erhalten. Das Ensemble Capella Cracoviensis, bestehend aus zwölf Musikern und dem Cembalisten und Dirigenten Jan Tomasz Adamus, hielt das Interesse mit flotten und geschmeidigen Spiel aufrecht. Obwohl diese hervorragenden Aufführungen wahrscheinlich nicht zu einer Bononcini-Renaissance führen werden, machten sie deutlich, dass Bononcini ein Komponist ist, der unsere Aufmerksamkeit verdient, wenn er mit Leidenschaft aufgeführt wird. Die Kenntnis seiner Musik bereichert unser Verständnis von Händels musikalischem Umfeld und bringt ein umfassenderes Bild der italienischen Oper auf den Londoner Bühnen des frühen 18. Jahrhunderts näher.

Dieses Konzert erinnerte mich an eine unterschätzte Wahrheit: Intellektuelle Raffinesse und Freude an der Musik sind kein Widerspruch, sondern ergänzen sich vielmehr. Der Sänger und die Musikanten haben diese beiden Qualitäten miteinander verbunden, was die größte Tat ist, die Musik vollbringen kann. Der stürmische Beifall am Ende des Konzerts bestätigte, dass dies ein Triumph für Orliński und das Orchester war.

 

  • Rezension von Dr. Daniel Floyd / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Händel – Festspiele Halle
  • Titelfoto:  Ulrichskirche-Festkonzert J.J. Orliński/Foto © Thomas Ziegler
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Ein Gedanke zu „Jakub Józef Orliński bei den Händel-Festspielen: „Der bösartige Geist der Parteien“

  1. Eine sehr genaue Rezension. Ich möchte nur hinzufügen, dass das Konzert bis auf den letzten Platz ausverkauft war. Ein einzigartiges Erlebnis, da Bononcinis Werke nur sehr selten aufgeführt werden

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