Vor der Spanientournee: Jakub Hrůša und die Bamberger Symphoniker schwelgen in tschechischer Romantik

Bamberger Symphoniker/Foto @ Andreas Herzau

Seit über sechs Jahren leitet der Tscheche Jakub Hrůša die Bamberger Symphoniker als ihr Chefdirigent. Wenige Jahre vor seinem oberfränkischen Amtsantritt hatte er sich von der ihm zunächst angetragenen Position des Musikdirektors der Königlichen Oper Kopenhagen zurückgezogen. Diesen Schritt ging er damals aus Solidarität zu seinem künstlerischen Leiter Keith Warner, der sich mit nicht hinnehmbaren Budgetkürzungen konfrontiert sah. Es ist bemerkenswert, dass Hrůša seit diesen Begebenheiten nur gelegentlich zu Aufführungen von inszenierten Opernproduktionen im Orchestergraben stand. Als Gastdirigent der weltweiten Spitzenorchester fokussiert er sich vornehmlich auf das symphonische Repertoire. Auch mit seinem exzellenten Bamberger Klangkörper führt er lediglich vereinzelt Opernwerke auf. Eine konzertante Darbietung von Mozarts Don Giovanni mit Christian Gerhaher in der Titelrolle fand jedoch vielfache Beachtung auch über die Stadtgrenzen Bambergs hinaus. (Rezension des Konzerts v. 13.01.2023)

 

 

Wenn aber Jakub Hrůša dann doch einmal an einem Opernhaus wirkt, horcht die Opernszene schlagartig auf. Mit den Bühnenwerken seines tschechischen Landsmanns Leoš Janáček befindet er sich in seinem Element. Mit der Leitung der Oper Věc Makropulos an der Wiener Staatsoper und dem Opernhaus Zürich bewies er sein musikalisches Gespür für die einkomponierte tschechische Sprachmelodie. Janáčeks Káťa Kabanová in der Kosky-Inszenierung mit Hrůša am Pult der Wiener Philharmoniker wurde als szenisch-muskalischer Höhepunkt der Salzburger Festspiele des vergangenen Sommers bejubelt.

Als Hrůša schließlich vor knapp einem Jahr am Royal Opera House in London mit einer Wiederaufnahme des Lohengrin im Wagner-Fach debütierte, überschlugen sich die Wellen in Großbritannien. Solch ein aufregendes Wagner-Dirigat habe man seit den Zeiten Haitinks und Soltis nicht mehr in Covent Garden gehört! Das Royal Opera House ― immerhin eines der bedeutendsten Opernhäuser der Welt ― ernannte Jakub Hrůša kurzerhand zu ihrem neuen Music Director. Damit wird Hrůša im Herbst 2025 die Nachfolge von Sir Antonio Pappano antreten, der nach einem Vierteljahrhundert an der Royal Opera innerhalb der Stadt zum London Symphony Orchestra wechseln wird, um dort Sir Simon Rattle zu folgen (welcher wiederum in München die Leitung des Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks übernehmen wird. Damit schließt sich der bayerische Dirigenten-Ringtausch).

Jakub Hrůša / Foto @ Andreas Herzau

Für sein heimisches Bamberger Publikum ließ Hrůša nun im Joseph-Keilberth-Saal in Vorbereitung einer Spanientournee, auf welcher die Bamberger Symphoniker mehrere Werke des Tschechen Antonín Dvořák präsentieren, dessen Sinfonie Nr. 8 in G-Dur op. 88 erklingen. Hrůša prägte seine musikalische Interpretation durch das exzessive Nebeneinander von Hell und Dunkel. C-Dur und c-Moll stehen sich im 2. Satz gegenüber. Der Dirigent führte das Orchester mit Präzision und unter einem spürbar beharrlichen Puls in straffen Tempi. Lediglich den Holzbläser-Soli gab er Freiraum für ihre eigene pastorale Inspiration. Hrůšas prägnanter Ansatz, geprägt durch schlagartige Farbschattierung, sorgten beim Publikum wahrlich für ein Wechselbad der Gefühle. Dieses intensivierte sich im durch Variationen dominierten Schlusssatz hin zu einem orchestralen Strudel: Die Bamberger Symphoniker entluden sich über dem hypnotisierten Publikum in einem eruptiven Orchestertutti.

Trotz Freundschaft zu Antonín Dvořák schätzte Johannes Brahms dieses Werk gar nicht so sehr. Diese 8. Sinfonie beinhalte „zu viel Fragmentarisches, Nebensächliches“. So erklang in dem Konzert als zweites großes Werk zunächst Brahms Symphonie Nr. 3 in F-Dur op. 90. Beide Sinfonien wurden innerhalb weniger Jahre in den 80er Jahren des vorletzten Jahrhunderts komponiert und gelten heute als absolute Klassiker des symphonischen Konzertrepertoires.

Jakub Hrůša /Foto @ Marian Lenhard

Was Hrůša am Pult der Bamberger Symphoniker nun aus Brahms Partitur herauszuholen vermochte, suchte wahrlich seinesgleichen! Besonders gelangen ihm die großen Höhepunkte im Finalsatz, dem Allegro. Dieses gestaltete der Dirigent als naturverbundenen, gewaltigen Kraftakt, welchen er in der Coda im Abbau des musikalischen Geschehens jäh zu magischen Momenten verwandelte: Geradezu intuitiv verklärte Hrůša seinen Orchesterklang. Die Musik Brahms glitt friedvoll, zugleich beharrlich hinüber in das „Ewige“. Die Bamberger Symphoniker demonstrierten in jenen berühmten letzten Takten, wie schlicht die musikalische „Schönheit“ doch klingen kann.

Zwischen beiden Sinfonien eingeschoben erklang György Ligetis Lontano.  Diese knapp zehn-minütige Komposition diente zugleich als Überleitung und emotionaler Ruhepunkt. Denn bei all diesen aufwühlenden Motiven von Dvořák und Brahms war Hrůšas intellektuell angelegter Zugang zu Ligeti, der zu genauem Zuhören und Entdecken einlud, auch bitter nötig!

 

  • Rezension von Phillip Richter / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Bamberger Symphoniker
  • Titelfoto: Jakub Hrůša /Foto @ Marian Lenhard

 

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