Vergänglichkeit: Bach-Kantaten im Rahmen der Mozartwoche in Salzburg

Mozartwoche 2025/Bach-Kantaten/P. Herreweghe/Foto: Wolfgang Lienbacher

Als ich die Liste der drei Kantaten von Johann Sebastian Bach sah, die am 27. Januar 2025, dem Geburtstag von Wolfgang Amadé Mozart, im Großen Saal der Stiftung Mozarteum in Salzburg gespielt werden sollen, dachte ich sofort an den berühmten Brief, den der 31-jährige Wolfgang an seinen todkranken Vater Leopold schrieb: „da der tod |: genau zu nemmen | der wahre Endzweck unsers lebens ist, so habe ich mich seit ein Paar Jahren mit diesem wahren, besten freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel beruhigendes und tröstendes!“

 

Obwohl Mozart diese drei Kantaten, die auf dem Programm standen, wahrscheinlich weder gehört noch die Partituren gesehen hat, ähnelt die Botschaft in der Kantate BWV 8 („Liebster Gott, wenn werd ich sterben“), die am 24. September 1724 uraufgeführt wurde, der Versöhnung im Angesicht des bevorstehenden Todes den Worten, die Mozart an seinen Vater schrieb. Die zweite Kantate auf dem Programm, BWV 138 („Warum betrübst du dich, mein Herz“), die für den 15. Sonntag nach Trinitatis, den 5. September 1723, komponiert wurde, befasst sich mit der Bergpredigt aus Matthäus, in der Jesus seine Jünger auffordert, auf Gott zu vertrauen und sich nicht um weltliche Angelegenheiten zu kümmern. Die letzte Kantate für diesen Abend, BWV 75 („Die Elenden sollen essen“), wurde am ersten Sonntag nach Trinitatis, dem 30. Mai 1723, uraufgeführt. Das zweiteilige Werk befasst sich mit der Geschichte aus dem Lukasevangelium über Lazarus und den reichen Mann und stellt Reichtum und Armut im ersten Teil aus weltlicher Sicht und im zweiten Teil aus geistlicher Sicht gegenüber.

Unter der Leitung von Philippe Herreweghe haben das 17-köpfige Orchester und der 12-stimmige Chor, das Collegium Vocale Gent, in den die Solisten integriert waren, intime, ausgefeilte Interpretationen geliefert, die in diesem Saal von Klarheit und Herzlichkeit profitierten. Herreweghe hat meiner Meinung nach einen sehr positiven Ruf dafür, dass er die Barockmusik (also das, was in der Partitur steht und mit dem besten Wissen über die Aufführungspraxis zur Zeit der Komposition verstanden wurde) über seine eigene Interpretation stellt. Mit seinen musikalischen und vokalen Ensembles schafft er stets eine Innerlichkeit, die sich ideal für kleine bis mittelgroße Veranstaltungsorte und für Aufnahmen zum Hören zu Hause eignet. Die Aufführungen dieser drei Kantaten im Mozarteum erforderten volle Konzentration, da sie so viele Einzelheiten deutlich hörbar machten und mit Tempi und Spielweise eine sanfte, quasi spirituelle Atmosphäre in einem Konzertsaal hervorriefen, die den gesungenen Texten entsprach. Vor allem die historischen Blasinstrumente fügten dem Klangbild Farbe und Vielfalt hinzu, ohne die kleine Streichergruppe jemals zu übertönen.

Mozartwoche 2025/Bach-Kantaten/Foto: Wolfgang Lienbacher

Die vier Solisten waren für diese Musik bestens geeignet und ließen keine Wünsche offen. Die Sopranistin Grace Davidson zeichnete sich in der Arie „Ich nehme mein Leiden mit Freuden auf mich“ von BWV 75 aus. Ihr weicher Ton verlieh dem Text, der über die göttliche Belohnung für diejenigen, die die Plagen des Lazarus geduldig ertragen, handelt, einen Hauch von Zärtlichkeit. Der Countertenor Alex Potter gab eine bewegende, tiefgreifende Interpretation der Arie „Jesus macht mich geistlich reich“ in BWV 75. In den Arien „Was willst du dich, mein Geist, entsetzen, wenn meine letzte Stunde schlägt?“ aus der Kantate BWV 8 sowie „Mein Jesus soll mein alles sein!“ aus BWV 75 hat der Tenor Guy Cutting mit Detailgenauigkeit, klarer Diktion und dem richtigen Maß an Emotionen für jeden Text. Besonderes Lob gebührt dem Bass Krešimir Stražanac, der durchweg äußerst engagiert klang und mehrere Arien, darunter „Doch weichet, ihr tollen, vergeblichen Sorgen!“ aus BWV 8 und „Auf Gott steht meine Zuversicht“ aus BWV 138, sehr eindrucksvoll vortrug.

Die Aufführungen waren wirklich hervorragend, wie ich es von Herreweghe und dem Collegium Vocale Gent bei diesem Repertoire erwarte. Ich habe ihre Aufführung der „h-Moll-Messe“, BWV 232, am 16. Juni 2024 in der Leipziger Thomaskirche auch geschätzt. Gleichzeitig fragte ich mich, ob der Umstand, dass drei Bach-Kantaten an Mozarts Geburtstag während der Mozartwoche in Salzburg gespielt wurden, ein Zufall war, der mit den Terminen der verschiedenen Mitwirkenden zusammenhing, oder einen anderen Grund hatte. Wie auch immer, bei Vorstellungen dieser Qualität hatten das Publikum im vollbesetzten Saal und ich viel Freude. Es wäre allerdings wünschenswert gewesen, wenn diese Musizierende, die auch Mozart auf hohem Niveau spielen, eines seiner kleineren Werke (beispielsweise eine der selten gespielten Freimaurerkantaten) in das Programm anlässlich des Geburtstages und der Heimatstadt des Komponisten hätten aufnehmen können.

 

  • Rezension von Dr. Daniel Floyd / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Mozartwoche 2025
  • Titelfoto: Mozartwoche 2025/Bach-Kantaten/Foto: Wolfgang Lienbacher
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