
Das Auffüllen der fehlenden Teile des Meisterwerks Wolfgang Amadé Mozarts c-Moll-Messe, KV 427, ist eine Praxis, die im späten neunzehnten Jahrhundert begann. Als Mozart die Arbeit an der Messe abbrach, wurden wesentliche Teile des Credo und das gesamte Agnus Dei – Dona nobis pacem ungeschrieben gelassen. Von den mir bekannten „Vollendungen“ ist die neue Fassung von Luca Guglielmi, die am 26. Januar 2025 im Großen Saal der Stiftung Mozarteum uraufgeführt wurde, eine der gelungensten, weil sich die eingefügte Musik nahtlos in die Textur der von Mozart geschriebenen Teile einfügt. In dieser neuen Ausgabe der Partitur wurden die fehlenden Abschnitte wie folgt ergänzt: Crucifixus – Et resurrexit auf Grundlage von »Davide penitente«, KV 469, „Tra le oscure ombre funeste“, Et in Spiritum Sanctum basierend auf des fragmentarischen Entwurfs eines Credo zur Messe C-Dur, KV 337, Agnus Dei auf Grundlage des Christe eleison sowie des Solfeggio, KV 393, Nr. 2 und Dona nobis pacem neu komponiert nach Mozarts Skizzen.
Jordi Savall leitete Le Concert des Nations und La Capella Nacional de Catalunya in einer einfühlsam Interpretation mit Solisten, die ideal auf ihre Rollen abgestimmt waren. Das Gesamtergebnis war emotional aufregend und rhythmisch getrieben, so dass sich die Spannung eher aus dem musikalischen Puls als aus den flotten Tempi ergab. Savall erzeugte mit absoluter Präzision einen nuancierten, aber dennoch klaren Klang, bei dem der Chor und das Orchester Einheit und Geschlossenheit bewiesen.
In dieser unvollendeten Messe erhalten die Sopranistinnen den größten Teil der Musik, und die neue Ergänzung gibt ihnen noch mehr zu singen. Der Bass ist immer noch auf einen kleinen Beitrag beschränkt, der im Quartett des Benedictus zu hören ist. Die Verteilung der Frauenstimmen in dieser Aufführung war vernünftig, weil sie ein Maximum an Abwechslung bot und es ermöglichte, dass die Sängerinnen Teile sangen, die ihrem Stimmumfang am besten entsprachen. Anstelle der üblichen Soprane I und II fügte Savall einen zusätzlichen Mezzosopran hinzu.

Nach einem grandiosen Kyrie vom Chor hat die Sopranistin Giulia Bolcato ein prächtiges Christe eleison vorgetragen, bei dem sie sowohl die hohen Töne als auch die tieferen Lagen beherrschte und ein süßes Legato zeigte. Bolcatos Solo im Crucifixus – Et resurrexit war mit ihren strahlenden Koloraturen atemberaubend schön. Im Et incarnatus est hat die Sopranistin Elionor Martínez mit brillanten hohen Tönen gesungen, begleitet von einem beeindruckenden Trio von Holzbläsern, und ihre gemeinsame Kadenz war makellos. Im Laudamus te überzeugte die Mezzosopranistin Lara Morger mit prächtigen, klaren Koloraturen und viel Wärme in den mittleren und unteren Stimmlagen. Im Trio Quoniam war der Tenor David Fischer ein leichter, angenehmer Partner für die Sopran und Mezzosopran. Im Benedictus sang Matthias Winckhler in seinem Beitrag zum Quartett mit einem eleganten Bass.
Der 20-köpfige Chor, insbesondere beim Kyrie, Gloria, Qui tollis und Agnus Dei, war hervorragend. Die Positionierung des Chors war so aufgestellt, dass sich die Sopranistinnen und Mezzosopranistinnen auf der rechten und linken Seite der Bühne gegenüberstanden, während die Tenor- und Bassstimmen im hinteren Teil der Bühne dem Publikum zugewandt waren. Dieses Arrangement sorgte nicht nur für maximale textliche Klarheit, sondern auch dafür, dass die verschiedenen Stimmlagen leicht zu unterscheiden waren und in den Tutti-Abschnitten genug Kraft hatten, um wie ein größerer Chor zu klingen. Das Orchester erwies sich einmal mehr als eines der allerfeinsten Ensembles für historische Instrumente mit viel Wärme in den Streichern und reifen, spritzigen Bläsern.
Im vergangenen Jahr habe ich zwei weitere Aufführungen dieser Messe in Salzburg mit unterschiedlichen Mitwirkenden und Ausgaben der Partitur erlebt: am 19. Mai 2024 und am 7. August 2024. Die Aufführung unter Savalls Leitung war die denkwürdigste und lohnendste, denn die Gesamtaufführung, die geschickte Verteilung der Sopranpartien und die neue Vervollständigung von Mozarts Werk zeugten von einer sorgfältigen Überlegung und Vorbereitung, die zu einem mitreißenden musikalischen Ergebnis führte. Der rauschende Beifall im vollbesetzten Mozarteum am Ende zeigte, dass auch das übrige Publikum das Konzert sehr genossen hat.
- Rezension von Dr. Daniel Floyd / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Mozartwoche 2025
- Titelfoto: Mozartwoche 2025/C-moll-Messe/Foto: Wolfgang Lienbacher