Puccinis frühes Werk „Edgar“ begeistert im Konzerthaus Berlin aufgenommen

EDGAR/ Foto © Bertelsmann, Fotograf Thomas Ecke

Wenn Komponisten in einem Übermaß von Klängen schwelgen ….

… kommt dabei heraus, was uns einfach in den Bann zieht.

Wer kennt sie nicht, Giacomo Puccins bezaubernde Melodien? Wer liebt sie nicht, seine Arien und Duette aus Tosca, Turandot, La Bohème, Madama Butterfly oder auch den nicht ganz so populären Werken, wie Gianni Schichi oder dem Mädchen aus dem goldenen Westen? Die Berliner Operngruppe und  Bertelsmann, Spezialisten für die Präsentation selten gespielter Opern, brachten nun Puccinis zweites, wenig bekanntes Werk Edgar im Konzerthaus am Gendarmenmarkt halbszenisch zur Berliner Erstaufführung.

Die Oper spielt zur Zeit der flämisch-französischen Kriege und erzählt die Geschichte des jungen Bauern Edgar, der nach Handgreiflichkeiten und einem von ihm gelegten Feuer das Dorf Courtrai und seine Verlobte Fidelia verlässt, um ein ausschweifendes Leben mit seiner ehemaligen geliebten Tigrana zu führen. Da ihn dieses bald langweilt, tritt er in die Armee ein und zieht in den Krieg. Nachdem er seinen Tod vortäuschte, kehrt er als Mönch verkleidet zurück. Gibt sich, Tirana verfluchend, zu erkennen. Doch sein neu gefundenes Glück mit Fidelia endet jäh, da Tigrana diese aus Eifersucht ersticht.

Konzerthaus Berlin/Orchester/Foto@Opernmagazin

Thilo Reinhardt ist eine halbszenische Umsetzung gelungen, die auf wenig Raum viel Spannung erzeugt und verdeutlicht, was nun auf einer großen Bühne geschehen würde: Sei es, wenn Edgar mit dem Feuerzeug spielt, Edgar und Tigranas Verehrer Frank einen Messerkampf ausführen, Fidelia wirklich zusammenbricht, wenn Tigrana sie ersticht und vieles mehr. Die Kostüme entsprechen bei den Damen deren Charakter, reinweiß und mädchenhaft bei Fidelia. Roter Samt und später Schwarz, das eher mondän als Trauer zeigend wirkt, für Tigrana. Die Herren tragen Straßenanzüge, angedeutete Uniformjacken oder eben eine Mönchskutte.

Thematisch, wie auch musikalisch, ist Edgar dem frühen Verismo zuzuordnen und lässt die sich entwickelnde Genialität Puccinis erkennen.  Die Berliner Operngruppe und Bertelsmann beschenkten das begeisterte Publikum mit einem Feuerwerk an Melodien, die einfach in den Bann zogen. Vielleicht auch, weil diese immer wieder Fragmente oder Stilelemente anklingen lassen, die jeder aus den „Großen Werken“ Puccinis kennt und liebt und die so wunderbar die Gefühle der Protagonisten untermalen und Konflikte in der Handlung voraus nehmen.

Diese Vielfalt aus Ausdruck, den ständigen Wechsel von leidenschaftlichen Klängen, zu choralähnlichen und dann wieder zu liedhaften, dramatischen oder verführerischen bewältigen das Orchester der Berliner Operngruppe unter Leitung von Felix Krieger mit Bravour. Dass, wie Krieger auf dem nachfolgenden Empfang im Bertelsmann-Haus sagte, die gemeinsamen Proben erst vor gut einer Woche begonnen hatten, mag man am herausragenden Ergebnis gemessen, kaum glauben. Das alle auch im nächsten Jahr gerne wieder dabei wären, jedoch schon.

Der Chor der Berliner Operngruppe, dessen Leitung Steffen Schubert obliegt, beeindruckte von der Empore unter der Orgel aus, mit harmonischer Stimmgewalt, wie sie an nicht so guten Tagen, manch Chor in den Opernhäusern fehlt.

Kraft war es, die dem Tenor Peter Auty in der Titelrolle streckenweise – vermutlich krankheitsbedingt – fehlte. Erst im zweiten Teil gelangen Auty Töne, die sein wahres Potential vermuten ließen und ein Timbre das sehr wohl den Schmelz hat, den das Publikum an Tenören so schätzt. Schauspielerisch gab es keinerlei Schwächen. Auty überzeugte sowohl als angetrunkener Bräutigam, ebenso wie als wütender Bratstifter, als Mönch oder zum Ende als um seine Liebe Trauender.

EDGAR/Elena Rossi/ © Bertelsmann, Fotograf Thomas Ecke

Für Sopranistin Elena Rossi, als Fidelia, gilt ähnliches. Ihre Ausstrahlung und Darstellung ist voller Zärtlichkeit, Enttäuschung, Verzweiflung. Ihre volle Stimme hat einen dramatisch metallenen Klang und neigt bei den Spitzentönen leicht zu Schärfe. Doch nur um dann wieder mit gefühlvoller Klarheit und Sanftheit, zu berühren. Ob ihr stimmliches Ausdrucksspektrum, auch wirklich wie es vermuten lässt, zarte Piano-Töne einschließt, ließ sich heute nicht feststellen, da Puccini in der gesamten Partitur sehr sparsam mit den „p“ und „pps“, für leise und sehr leise umging.

Die wirklichen Stars des Abends waren jedoch die beiden Künstler in den jeweils tieferen Stimmlagen.

Mezzosopranistin Silvia Beltrami ist eine selbstbewusste, das Bürgertum verachtende Tigrana, die zwar Edgar begehrt, aber nur sich und alles, was sie für sich von Vorteil hält, liebt. Die Leidenschaft, die sie in ihre Darstellung legt, spiegelt sich auch in ihrem Mezzo: voll, wohltönend und von jener erotisierenden Strahlkraft, wie sie einer Carmen gebühren würde.Jeder Ton, jede Geste kommt leicht, sicher und den Zuhörer faszinierend.

EDGAR/Aris Argiris/ © Bertelsmann, Fotograf Thomas Ecke

Ebenso faszinierend und in den Bann ziehend war der griechische Bariton Aris Argiris als Frank. Er gehört zu jenen Künstlern, die über eine enorme Bühnenpräsenz und Schauspielfähigkeit verfügen. Und dazu kommt noch eine Stimme, die ihre Schönheit aus ihrer Wandelbarkeit zieht und der hervorragenden Stimmführung. Mit scheinbarer Mühelosigkeit singt Argiris sanft und zart von seiner Liebe zu Tigrana. Aber ebenso gelingt es ihm, kraftvoll leidenschaftlich Rache zu schwören und sein Stimmregister dabei in nahezu tenorale Höhen auszureizen.

Wie schade, dass etwas anderes schon ausgereizt ist, etwas das nichts mit den Sängern und Musiker zu tun hat. Die Aufführungshäufgikeit, von Puccinis Oper Edgar, hier in Berlin im Konzerthaus beschränkte sich auf diesen einen, begeistert umjubelten Abend. Leider.

Andererseits: 2020, neues Jahr ,neues Partiturmanuskript aus der Mailänder Ricordi Edition und dort gibt es noch ungefähr 3000 weitere!

 

  • Rezension der Aufführung von Birgit Kleinfeld/Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Titelfoto: Chorleiter Steffen Schubert, David Oštrek, Elena Rossi, Silvia Beltrami, Dirigent Felix Krieger, Peter Auty und Aris Agiris/Foto @Bertelsmann Fotograf Thomas Ecke
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