Um mein Fazit direkt an den Beginn zu stellen: Diese Einspielung von Pietro Mascagnis Oper IRIS gehört einfach in jede CD-Sammlung von Menschen, die Oper lieben und die sich vom Zauber und der Klangmalerei des musikalischen Verismo begeistern lassen wollen. Die Berliner Operngruppe, unter der musikalischen Leitung von Felix Krieger, präsentiert anlässlich ihrer Berliner Uraufführung der Oper IRIS am 18. Februar 2020 im Konzerthaus Berlin einen hochkarätigen Mitschnitt, der mittlerweile als CD im Handel erhältlich ist. Für mein DAS OPERNMAGAZIN habe ich mir diese Aufnahme angehört. Und das mit zunehmender Begeisterung!
Alljährlich, seit 2010, erarbeitet die Berliner Operngruppe mit ihrem musikalischen Leiter, dem renommierten Dirigenten Felix Krieger, eine Oper, die dann im Berliner Konzerthaus am berühmten Gendarmenmarkt ihre Aufführung findet. Und immer sind es besondere Werke, die Krieger seinem Publikum vorstellt. Zumeist selten gespielte, – für einige Opernfans fast unbekannte -, Opern des italienischen Fachs. 2020 war es Mascagnis selten gespieltes Werk IRIS. Im Jahre 2019 führte die Berliner Operngruppe Giacomo Puccinis Frühwerk EDGAR mit ebenfalls großem Erfolg auf. Die Berliner Operngruppe e.V. hat sich der Wiederentdeckung und Aufführung selten gespielter Opern in semiszenischer Form gewidmet. Der Schwerpunkt lag zunächst bei italienischen Belcanto-Opern, in den vergangenen Jahren zunehmend Verismo-Opern. Seit 2013 finden die Aufführungen stets im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt statt.
Die Oper IRIS hatte am 22. November 1898 in Rom ihre Uraufführung und wurde ein großer Erfolg. Die Geschichte der Oper spielt in Japan und Pietro Mascagni erschuf dazu seine besondere emotionale Musik mit der damals typischen Einfärbung von japanischen Musikelementen, so wie es sich Mascagni vorgestellt hatte. 6 Jahre später erschuf Giacomo Puccini seinen großen Erfolg MADAMA BUTTERFLY. Eine Oper, anders als es bei IRIS ist, die von keinem Spielplan der Opernbühnen dieser Welt wegzudenken ist. Aber für den Hörer beider Opern erschließen sich, trotz der kompositorischen und historischen Unterschiede, durchaus Parallelen. Nicht nur, dass im Mittelpunkt jeweils junge und zerbrechlich-naiv wirkende Frauen standen, die von den Männern um sie herum ausgenutzt wurden und die beide als Ausweg nur ihren Freitod sahen. Es ist auch diese Vielzahl an Klangfarben, an großen musikalischen Emotionen und eben auch, diese ganz besonderen fein klingenden und zarten Momente dieser Opern. Und in beiden Werken begegnet uns das typisch musikalische Kolorit dieses fernen Landes der untergehenden Sonne. Aber die Scheinbarkeit von Naivität, die beide Titelheldinnen eint, ihr Glaube an die große und einzige Liebe, die sich weder bei Iris noch bei Cio-Cio-San erfüllen sollte, macht sie dennoch zu starken Frauen. Frauen, die ihrem inneren Wunsch und ihrem Herzen folgen und die am Ende die Männer, die sie beide zu Lebzeiten umgaben, zu charakterlichen Zwergen degradierten.
In IRIS wird die Geschichte einer jungen Japanerin erzählt, die mit ihrem blinden Vater in einer beschaulichen und idyllischen Welt lebt. Aus dieser wird sie eines Tages vom Bordellbesitzer Kyoto unter Vorspiegelung falscher Tatsachen herausgerissen. Kyoto hatte seinem Kumpel Osaka dabei geholfen, an Iris heranzukommen. Als sie wenig später als eingekleidete Geisha realisiert, was diese Männer ihr angetan haben, ist es zu spät. Und als dann noch ihr Vater auftaucht, seine Tochter in diesem Etablissement entdeckt und ihr den Vorwurf macht eine Hure zu sein, sieht Iris nur noch den Tod als einzig möglichen Ausweg. Sie springt aus einem Fenster in die Tiefe. Schwerverletzt landet sie auf der Straße. Und selbst da wird sie noch ihrer äußeren Würde beraubt, nachdem man ihr die innere bereits genommen hatte: Lumpensammler stehlen ihr die Kleider und lassen die sterbende Frau in der nächtlichen Atmosphäre achtlos zurück. Als wenig später die Sonne aufgeht, ist es für Iris wie ein Zeichen, dass sie doch nicht vergessen wurde. Im Glanz der aufgehenden Sonne stirbt sie – und ist innerlich versöhnt.
Eine drei-aktige Oper, die alles hat, was sich der Freund der italienischen Oper nur wünschen kann. Ich gebe zu, ich habe die knapp 3 Stunden sehr genossen. Teile der Oper waren mir bekannt, aber die gesamte Schönheit und Emotionalität dieses Werks haben mich begeistert.
Felix Krieger kann sich bei seiner Operneinspielung auf ein glänzendes Gesamtensemble stützen.
Zunächst sei hier der Chor und das Orchester der Berliner Operngruppe genannt. Die Chorszenen- und Elemente geraten vorzüglich. Bestens einstudiert und dargeboten stellt sich dieser Chor (einstudiert von Steffen Schubert) in eine Reihe mit den Opernchören der Deutschen und der Komischen Oper Berlin, sowie der Staatsoper Unter den Linden. Das Orchester spielte einen Mascagni voller Glut, Melodik, aber auch Schmelz und der bei Verismo-Opern so notwendigen realistischen Dramatik.
An die Hauptpartie sind große Anforderungen gestellt. Die gesangliche Darstellung eines jungen Mädchens das im Laufe der Handlung erkennt, in welch ausweglose Lage es geraten ist und wie sie von Männern, der sie vertraute, restlos betrogen wurde, gelingt Karine Babajanyan großartig und sehr überzeugend. Die armenische Sopranistin, die u.a. mehrjähriges Ensemblemitglied an der Stuttgarter Staatsoper war, berührt besonders in den stillen Momenten ihrer Partie, weis aber auch ihrer Stimme entsprechende Dramatik zu verleihen.
Als Osaka kann der Tenor Samuele Simoncini auf ganzer Linie überzeugen. Er hinterlässt nach dem Hören der Aufnahme einen sehr überzeugenden Gesamteindruck. Gesanglich in allen Lagen sicher, stimmschön und voller Durchschlagskraft! Eine herausragende Leistung!
Den üblen Kyoto stellt der italienische Starbariton Ernesto Petti dar. Und wie er das tut! Da passte wieder einmal alles. Die gemeinsamen Szenen mit Osaka gehören zu den Höhepunkten dieses Livemitschnitts.
David Oštrek als der blinde Vater, Nina Clausen als Geisha und Andrés Moreno García als Lumpensammler runden den äußerst positiven Gesamteindruck dieser CD ideal ab.
Die musikalische Leitung hatte Felix Krieger. Ihm ist an dieser Stelle zu danken, dass er sich für Mascagnis IRIS entschieden hatte. Denn wie er die Feinheiten, die dramatischen Momente, aber auch dieses typisch japanisch anmutende Klangkolorit mit seinem Orchester und dem gesamten sängerischen Ensemble herausgearbeitet hat, ist auf dieser CD-Neuerscheinung zweifelsohne bewundernswert. Er hat diese Oper aus ihrem eigentlich unverdienten Dornröschenschlaf erweckt und mit viel Leben, Gefühl, Spannung und Dramatik gefüllt. Nach dem Hören dieser CD fällt mir zu Mascagni jetzt neben seiner unsterblichen CAVALLERIA RUSTICANA nun stets auch immer IRIS ein. Dafür danke ich Felix Krieger auch sehr persönlich.
- Detlef Obens / DAS OPERNMAGAZIN©-04-2021
- CD-Einspielung IRIS hier erhältlich
- Berliner Operngruppe
- Felix Krieger im Gespräch mit dem OPERNMAGAZIN
- Ernesto Petti im Gespräch mit dem OPERNMAGAZIN