Oper Frankfurt: „Pénélope“ – früher hat man besser geliebt

Oper Frankfurt/Pénélope/Paula Murrihy (Pénélope)/Foto @ Barbara Aumüller

Pénélope von Gabriel Fauré an der Oper Frankfurt am Main,

Rezension der Premiere und Frankfurter Erstaufführung vom 1. Dezember 2019 

Pénélope ist eine Oper (Originalbezeichnung „Poème lyrique“) in drei Akten von Gabriel Fauré mit einem Libretto von René Fauchois. Die Uraufführung fand am 4. März 1913 an der Oper von Monte Carlo statt. Gabriel Urbain Fauré (geboren am 12. Mai 1945 in Pamiers, gestorben am 4. November 1924 in Paris) war ein französischer Komponist, der vor allem Vokal-, Klavier- und Kammermusik schrieb.

Inhalt:

Die Oper behandelt die letzten Gesänge von Homers Odyssee. Nach dem Ende des zehn Jahre währenden Troyanischen Kriegs musste Odysseus (hier französisch Ulysse genannt) weitere zehn Jahre umherirren, bevor es ihm gelang, in seine Heimat Ithaka zurückzukehren. Seine Frau Penelope (Pénélope) wartete treu auf seine Rückkehr. Sie wurde von diversen aristokratischen Freiern bedrängt, die Hoffnung aufzugeben und einen von ihnen zu heiraten. Ulysse kehrt schließlich doch zurück und erkundet die Lage zunächst als Bettler verkleidet. Die Freier werden nach einer „Bogenprobe“ besiegt, bevor es zur Wiedervereinigung des Paares kommt.“

Oper Frankfurt/ Penenlope/Paula Murrihy (Pénélope; vorne stehend) sowie im Hintergrund Dienerinnen/ Foto @ Barbara Aumüller

Musikalisch besonders positiv dargestellt werden die Amme Euryclée und der Hirte Eumée. Aber auch den beiden Freiern Eurymaque und Antinous widmet Fauré mit dem Arioso „Depuis qu’en ce travail“ (erster Akt) bzw. der Arie „Qu’il est doux de sentir sa jeunesse“ (dritter Akt) gefühlvolle Musik. Im Duett „O mon hôte! à présent, puis-je t’interroger?“ der beiden Hauptfiguren (zweiter Akt) tauchen beide Hauptmotive des Ulysse auf, das Herrscher- und das Bettler-Motiv.

Gabriel Fauré hat für seine Pénélope eine Ouvertüre komponiert, die wie das Meer klingt, das Wasser, die Wellen sind zu hören. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester spielt unter der Leitung von Joana Mallwitz, GMD am Staatstheater Nürnberg von der ersten Note an behutsam, zärtlich, zupackend, forciert, sich zurücknehmend, aufmerksam bei den Sängern und der Regie, in den Soli handwerklich perfekt. Joana Mallwitz ist die „Dirigentin des Jahres 2019“ (Opernwelt) und „Beste Dirigentin“ (Oper Awards). Es sang der Chor der Oper Frankfurt unter der Leitung von Markus Ehmann.

Corinna Tetzel (Regie) hat es mit einem Stoff zu tun, der so komplett aus der Zeit gefallen ist wie nur möglich. Glücklicherweise heißt die Oper Pénélope und nicht Ulysse und so werden 20 Jahre des Wartens, des Erwartens aus weiblicher Sicht vom Zuhause in Ithaka aus erzählt.

Die Bühne von Rifail Ajdarpasic ist streng geometrisch quadratisch, wie es eine Dachterrasse eines gemauerten Hauses nun einmal ist. Sie ist allerdings leicht schräg nach hinten aufsteigend gestellt. Darüber schwebt ein gleichgroßes Neonquadrat. Das ist zwar zur Zeit ein gern verwendetes Requisit, schön anzuschauen und passend ist es trotzdem. Zwei gemauerte Treppenabgänge beziehungsweise Aufgänge gibt es auf diesem Flachdach, die Möblierung besteht aus roten Plastikstühlen. Eine zweite kleinere langgestreckte Spielfläche befindet sich zwischen dem Orchestergraben und der Hausmauer. Für das Licht ist Jan Hartmann verantwortlich, für die Videos Bibi Abel.

Oper Frankfurt/Pénélope/Paula Murrihy (Pénélope) und Eric Laporte (Ulysse) /Foto@ Barbara Aumüller

Warum wartet eine Frau 20 lange Jahre auf ihren Ehemann? Pénélope würde auch noch länger warten, so sehr hat sie sich eingerichtet in ihrem Leben als Herrscherin, als Alleinentscheiderin über sich selbst. Es gibt keinen Grund, das aufzugeben. Wenn sie am Ende der Oper ihren Ehemann zurückbekommen könnte, kann sie sich ihm nicht zuwenden. Die elegante Mezzosopranistin Paula Murrihy gibt ihr Rollendebüt. Ihre Stimme scheint wie gemacht zu sein für die Pénélope und im Zusammenklang mit der Regie, die ihr langsame fließende Bewegungen zugeschrieben hat, ergibt sich ein Bild wie in einer Barockoper.

Für eine Frau in Ithaka und noch dazu eine in Pénélopes Position ist es vollkommen unangebracht, ohne einen Mann an ihrer Seite zu leben. Die sie immer intensiver bedrängenden Freier hält sie sich mit Versprechungen vorerst vom Leib. Erst wenn das Leichentuch für Ulysses Vater Laërte fertig gewebt sei, würde sie einen von ihnen zum Bräutigam wählen. Nachts trennt sie das tagsüber Gewebte wieder auf.

Fauré hat die in der Odysee beschriebenen 108 Männer auf fünf reduziert. Vom rücksichtsvollen Frauenversteher bis zum lächerlich wirkenden Hahnrei ist alles dabei. Es singen Peter Marsh als Antinous, Sebastian Geyer als Eurymaque, Ralf Simon als Léodés, Dietrich Volle als Ctésippe und Danylo Matviienko als Pisandre.

Pénélopes Dienerinnen, jung an Jahren und fünf an der Zahl, sind im Gegensatz zu ihr den Avancen dieser Herren nicht gänzlich abgeneigt. Wobei diese Avancen keineswegs romantisch sind und auch nicht so dargestellt werden. Aber solange man bei der Dame des Hauses in der Warteschleife ist, kann man es sich ja anderweitig schön machen. Es geht schon sehr heftig zur Sache, wobei einer der Herren, Antinous, seiner unter ihm auf dem Boden liegenden Dame fürsorglich sein Jackett unter den Kopf schiebt. Pénélope fragt sich und sicher auch die Freier, warum diese sie so beleidigen müssen und bringt es für sich auf den Punkt: „Früher hat man besser geliebt“.

Als Dienerinnen hören wir Nina Tarandek als Cléone, Angela Vallone als Mélantho, Bianca Andrew als Alkandre, Julia Moormann als Phylo und Monika Buczkowska als Lydie.

Während die Herren feiern und auch dem Alkohol nicht abgeneigt sind, kommt Ulysse zurück, er sieht aus wie ein Bettler, wird aber kein Bettler sein. Eric Laporte singt sein Rollen- und sein Hausdebüt zu Beginn mit einem metallisch klingenden Tenor, was sich aber im Laufe des Abends ändert, die harten Spitzen sind dann nicht mehr da. Wie ist es, wenn man nach 20 Jahren in sein eigenes Haus zurückkehrt? Man erkennt wenig oder nichts mehr und man wird nicht erkannt, weder vom Personal noch von der eigenen Frau. Einzig die Amme Euryclée (Joanna Motulewicz) ahnt, dass es sich um Ulysses handeln könnte und gewinnt Gewissheit, als sie eine charakteristische Narbe entdeckt, während sie ihm die Füße wäscht.

Faurés Glaubwürdigkeitsproblematik wird im zweiten Akt deutlich, wenn Pénélope am Strand mit ihrem Mann spricht und ihn nicht erkennt. Aber ist das wirklich so abwägig? Zwanzig Jahre verändern Menschen, noch dazu wenn zehn davon im Krieg zugebracht wurden und weitere zehn auf einem langen Weg zurück nach Ithaka. Sie, die sich solange seine Rückkehr erhofft hat, die dafür zu Zeus gebetet hat, glaubt jetzt seine Stimme zu erkennen und fragt ihn, wer er sei. Hätte er geantwortet, wäre die Oper vielleicht hier vorbei. Ulysse aber hat sich längst dem Hirten Eumée (Bozidar Smiljanic) zu erkennen gegeben und schmiedet mit ihm Racheplänen an den Freiern, die nicht nur seine Frau wollten sondern auch sehr freizügig mit seinem Hab und Gut umgegangen sind. Die Frau war es also nicht wert, sich ihr zu offenbaren, der Eifersucht musste aber trotzdem Rechnung getragen werden. Dass Pénélope Zweifel an seiner Person befallen, es könnte sich ja um wer weiß wen handeln, ist nachvollziehbar. Noch dazu gibt er ihr den Rat, denjenigen als Ehemann zu akzeptieren, der es schafft, Ulysses Bogen zu spannen und damit durch zwölf Axtlöcher zu schießen.

Oper Frankfurt/Pénélope/Paula Murrihy (Pénélope; im Anzug vorne sitzend) und Freier/Foto @ Barbara Aumüller

Keiner der fünf Freier schafft es, die gestellte Aufgabe zu lösen, aber auch der Fremde darf schießen. Ulysse nimmt den Bogen und schafft es mit Leichtigkeit. Wortlos spannt er den Bogen ein weiteres Mal und erschießt Eurymaque. Erst jetzt erkennt Pénélope den heimgekehrten Gatten, ruft voller Freude seinen Namen und fällt in Ohnmacht. Aber so ist es in der Frankfurter Inszenierung nicht. Auch hier endet alles in einem Gemetzel, keiner der Freier überlebt. Aber dann teilt sich die Spielfläche in zwei Teile, eine Schlucht entsteht, Ulysse geht durch diese Schlucht seiner Wege und Pénélope bleibt zurück in ihrem während der letzten zwanzig Jahre gewählten Leben.

Die Kostüme von Raphaela Rose grenzen die Position und die Befindlichkeit der Pénélope sehr deutlich voneinander ab. Als Herrscherin trägt sie einen schwarzen Hosenanzug mit weißer Bluse, als Wartende macht sie sich die Arbeit am weißen Leichentuch so zu Eigen, dass sie dieses Tuch als Kleid trägt und als sehnsuchtsvoll auf den Gatten Wartende trägt sie einen weiten weißen Tüllrock, ihr Brautkleid.

Die Freier tragen dunkle elegante Anzüge, weiße Hemden, die Dienerinnen leuchtend gelbe Kleider. Das erinnerte mich an Margaret Atwoods Buch „Der Report der Magd“, auch hier tragen die Dienerinnen solche Kleider und auch Atwood hat sich mit Homers Stoff beschäftigt in ihrem „Die Penelopiade“.

In weiteren Rollen sangen Julia Katharina Heße die Gouvernante und Luise Rabe aus dem Kinderchor einen Hirten. Ein Detail des Bühnenbilds im Zusammenhang mit Julia Rabe möchte ich noch erwähnen. Während ihrer Szene am Strand, der schmale Streifen vorne am Bühnenrand, trug sie einen Köcher mit Pfeilen. In zwei langen Reihen waren die Flaschen des vorangegangenen Gelages der Feier aufgestellt. In jeder Flaschen steckte eine weiße Rose. Sie tauschte einige davon gegen ihre Pfeile aus. Während des Dialogs, der sich mit dem dazukommenden Ulysse ergab, tauschte er wiederum diese gegen Rosen aus. Ich habe den tieferen Sinn dahinter nicht gesehen, es ist mir aber als ein wunderbares Bild in Erinnerung geblieben. Und so darf Oper ja auch sein.

Insgesamt hat mir die Inszenierung sehr gut gefallen, es gab einen wohlwollenden aber nicht überschäumenden Schlussapplaus für Alle, da ist für die kommenden Vorstellungen noch Luft nach oben. Die Musik von Fauré ist ganz wunderbar, dafür alleine schon lohnt sich der Besuch.

 

  • Rezension von Angelika Matthäus / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Oper Frankfurt / Stückeseite
  • Titelfoto: Oper Frankfurt/Penelope/Paula Murrihy (Pénélope; vorne) und Eric Laporte (Ulysse; oben in der Bildmitte) sowie Ensemble/Foto @ Barbara Aumüller
Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert