
(DAS OPERNMAGAZIN-OM): Wir treffen uns heute im Theater Basel wo in Kürze die Oper «La Bohème» Premiere feiern wird und Sie die Rolle des Marcello singen werden. Wie laufen die Proben und wie bereiten Sie sich auf diese Rolle vor?
(Domen Križaj-DK): Wir haben eine Probenzeit von 5-6 Wochen. Während dieser Zeit ist die Arbeit sehr intensiv und spannend. Dies besonders mit Regisseur DANIEL KRAMER, mit welchem wir zusammen die Inszenierung erarbeiten. Er lässt uns sehr viel Spielraum für die eigene Interpretation unserer Rollen und setzt sie am Ende Teil für Teil zu einem Ganzen zusammen. Er schaut sehr genau auf die Details und die Entwicklung der Geschichte. Für mich ist es ein Rollendebut. Deshalb bin ich für die Unterstützung durch alle meine Kollegen sehr dankbar. Vor allem ist es aber wichtig, für sich selbst den richtigen Weg zu finden, um diese Rolle bestmöglich zu singen, zu spielen und zu erleben. Ebenso wichtig ist aber auch der Austausch untereinander während der Konzeptionsgespräche. Alle diese Dinge zusammen, ergeben hoffentlich das überzeugende Resultat. Während einer Aufführungsserie wächst man ja ständig immer mehr und mehr in den Charakter dieser Figur hinein und wird dabei immer authentischer.
OM: Das Theater Basel ist für Sie eine wichtige Station in Ihrer bisherigen Entwicklung. Von 2017-2019 waren Sie Mitglied des Opernstudios OperAvenir hier am Haus. Was waren für Sie die wichtigsten Eindrücke in dieser Zeit im Studio?
DK: Für mich war das Opernstudio am Theater Basel eine ganz tolle Zeit. Auch wenn man schon einige Erfahrung mitbringt, wird erst durch das tägliche Arbeiten mit Gesangsunterricht, Bewegungskursen, Schauspielübungen, Sprachunterricht und der grossen Unterstützung aller Mitwirkenden klar, was es bedeutet diesen Beruf als Sänger auszuüben. Das Opernstudio ist ja klein und normalerweise nur für vier Sänger gedacht. Dieses Jahr sind es jedoch sechs, da zwei Sänger, welche bereits Auftritte auf der grossen Bühne haben, weiter dabei sind.

Es ist ein grosser Unterschied, wenn man von der Akademie kommt, wo man in kleinen Räumen mit den Lehrern arbeitet, oder ob man auf der grossen Bühne steht. Man lernt soviel von den Kollegen, den Meisterklassen und natürlich auch bei jedem Auftritt und bei den Besuchen der Vorstellungen. Ich kam mit einer soliden Ausbildung hierher, aber durch all die zahllosen wunderbaren Erlebnisse konnte ich so viele zusätzliche Erfahrungen sammeln. Ich entwickelte meine Stimme weiter, lernte freier zu singen und zu spielen. Am Anfang ist man ja vor allem auf das Singen konzentriert und erst später lernt man, wie wichtig auch das Spielen und die Bewegung sind, um ein überzeugendes Ganzes zu schaffen. Dazu kommt, dass man auch Gelegenheit hat kleinere Rollen auf der grossen Bühne zu erarbeiten. Für mich war es natürlich eine ganz besondere Freude, als ich im letzten Jahr den Sharpless in «Madama Butterfly» singen durfte. Das mir entgegengebrachte Vertrauen, eine Hauptpartie singen zu dürfen, rundete meine Zeit am Opernstudio grossartig ab.
OM: Gerade das Arbeiten mit anderen jungen Sängern ist sicher sehr spannend und gibt viele Impulse. Auch der Besuch der Meisterklassen ist eine gute Chance von grossen Persönlichkeiten Tipps zu bekommen und zu lernen. Wie haben Sie die Meisterklassen empfunden?
DK: In diesen Meisterklassen kann man viel lernen. Meistens reduziert es sich nur auf ein paar wenige Stücke, welche man erarbeitet, dies jedoch bis ins allerkleinste Detail. Wir hatten während meiner Zeit am Opernstudio Gelegenheit mit Ann Murray, Gundula Janowitz und Brigitte Fassbaender zu arbeiten, welche jede für sich so viel Ihrer Erfahrungen vermitteln konnten. Gerade durch diese Detailarbeit und aus der Sicht von grossen Künstlerinnen auf die jungen Sänger, welche Sie vorher noch nie gehört hatten, eröffnen sich einem viele neue Erkenntnisse. In den öffentlichen Meisterklassen wird es natürlich mehr zu einer kleinen Show. Wenn man dann aber privat mit diesen Sängern arbeitet, ist es noch intensiver. Jeder Künstler bringt noch mehr seine ganz persönliche Sicht des jeweiligen Stückes ein.
Früher gab es solche Opernstudios eigentlich nicht. Die Sänger wurden direkt von der Akademie auf die Bühnen geschickt und mussten auf diesem Wege Ihre Erfahrungen sammeln. Durch diese Einrichtungen wird man viel genauer auf all die Situationen vorbereitet, welche einem auf der Bühne erwarten. Wenn man einen guten Gesangslehrer hat, dann ist das ein besonderes Glück. Besonders was die Oper betrifft, welche im Gegensatz zu einem Liederrezital ganz andere Anforderungen stellt. Gerade deshalb ist die Einrichtung eines Opernstudios eine wertvolle Sache. Für mich war die Wahl dieses Opernstudios einfach ideal.
OM: Wir konnten Sie ja bereits als Sharpless in «Madama Butterfly» hier in Basel erleben und waren beeindruckt. Das war ja die erste grosse Produktion am Haus mit einer Hauptpartie und sicher eine besondere Herausforderung nach der Arbeit am Opernstudio. Wie haben Sie diesen Wechsel erlebt?
DK: Ich hatte die Gelegenheit mich sehr gut auf diese Herausforderung vorzubereiten. Gerade weil ich das Vertrauen der beteiligten Personen geniessen durfte, konnte ich meine Nervosität während den Probezeiten abbauen. Als ich dann erkannte, dass ich diese Rolle wirklich meistern kann und gemeinsam mit meinen bekannten Kollegen ein tolles Ensemble bilden konnte, wuchs mein Vertrauen und ich fühlte mich immer wohler. Das war ja auch eine ganz andere Interpretation der Rolle. Hier wurde der Sharpless nicht als eine Art Vaterfigur gezeigt, sondern als Freund und Begleiter des Pinkerton. Eine für mich sehr gute Sicht der Rolle.

OM: Nachdem Sie ja bereits 2013 als 23-jähriger junger Mann beim Young Singer Project der Salzburger Festspiele mitgewirkt haben und schon vorher mehrere Preise an anderen Wettbewerben gewonnen haben, war dies sicher eine grosse Motivation.
DK: Das ist schon lange her. Ich war gerade 23 Jahre alt. Damals war alles ganz neu für mich. Mein Lehrer Matjaž Robavs hat mich motiviert und auch gefördert. Auch später war es stets für mich da. Ich kannte mich damals in dieser Welt noch nicht aus. Gerade Salzburg, eines der wichtigsten Festivals, war ein grosser Schritt. Ich Interessierte mich für viele andere Dinge und studierte während sechs Jahren Medizin. Die Preise welche ich vorher gewann, waren vor allem ein Massstab für die Möglichkeiten meiner Stimme und ermöglichten mir zu sehen wo ich stehe. In Salzburg hatte ich die Gelegenheit all die grossen Stars zu sehen und zu hören. Ich vergesse nicht, als ich mit anderen Studenten in der Aufführung von «Don Carlos» mit Kaufmann, Hampson und Harteros mitarbeiten konnte und auf der Bühne stehen durfte. Wie ein Schwamm saugte ich jeden Moment und jedes Detail auf. Und da wurde mir klar, sollte sich die Möglichkeit auftun, Sänger zu werden, dann will ich nur dies.
Ich war zwar ebenfalls mit meinem Medizinstudium stark engagiert, doch ich begann auch mit dem Singen. Das war alles gleichzeitig und hat viel Energie gefordert.
OM: Mit grosser Freude haben wir vor einem Monat die Schlussrunden eines der grössten Gesangswettbewerbe «Neue Stimmen» der Bertelsmann-Stiftung mit 1500 Bewerbern mitverfolgt und miterleben können, wie Sie in das Finale gekommen sind und mit dem 2. Preis ausgezeichnet wurden. Dies ist ein sehr grosser Erfolg. Gratulation.
DK: Das war für mich tatsächlich eine ganz grosse Freude, als ich ausgewählt wurde, diesen Wettbewerb zu bestreiten. Dann beginnt man zu überlegen, welche Arien man präsentieren könnte und was zum jetzigen Zeitpunkt am besten zur Stimme passt. Wir übten enorm viel und änderten immer wieder die Auswahl. Für mich war die erste Runde am härtesten. Bis kurz vorher wussten wir nicht, was ausgewählt wird und da gab es natürlich Spekulationen. Ich hatte dann fünf Arien bereit, welche jederzeit abrufbereit waren. Diese sollten verschiedene Sprachen beinhalten und natürlich genau auf die Stimme passen. Man will ja an diesen Wettbewerben alle Facetten einer Stimme hören und wird erst später erkennen, welches die idealen Partien oder Komponisten für einen sind. So kann die Jury am besten abschätzen, wo das wirkliche Potenzial liegt. Gerade bei einer so hochklassigen Jury bestehend aus lauter Entscheidungsträgern aus der Opernwelt, ist es besonders spannend. Man bekam auch viele Tipps. Für manche Rollen ist man einfach zu jung. Das mag zwar mit einem Orchester im Konzert gut gehen, kann jedoch auf einer grossen Bühne schnell zu einem Problem werden. Ich hatte eine hervorragende Pianistin, Susanna Stranders, zu welcher ich sofort einen guten Kontakt hatte. Die Nervosität ist natürlich gross, doch als ich dann auf der Bühne stand, dachte ich mir: «Du machst nun Musik, singst deine Arien und denkst nicht an den Wettbewerb». Nach der ersten Runde war ich mir nicht sicher, wie es weitergehen wird. Ich bin sehr streng und kritisch mir selbst gegenüber. Es muss schon 100% so laufen, wie ich es mir vorgenommen habe, sonst bin ich nicht zufrieden. Als ich dann weiterkam und obendrein meine Arie des Posa singen durfte, war ich sehr glücklich. Diese Rolle ist eine meiner Lieblingspartien, welche ich hoffe, in Zukunft auf der Bühne singen zu dürfen, jedoch nicht zu früh.

Copyright: Theater Basel/ Priska Ketterer
Jeder, der bei diesem Wettbewerb in die nächste Runde kommt, hat schon viel erreicht. Alle, welche ich hören durfte, standen bereits auf einem hohen Level und dürfen stolz darüber sein. Wenn man dann Schritt für Schritt weiterkommt und die Resultate hört, werden die Emotionen immer grösser und man ist einfach nur glücklich, dabei sein zu dürfen. Als ich schliesslich im Finale stand, lässt sich das fast nicht beschreiben. Es war harte Arbeit, aber auch eine unglaubliche Erfahrung. Dann noch den 2. Preis zu bekommen, nach dieser sehr intensiven Zeit, war einfach nur grossartig. Vor der Kamera ist man dann noch zurückhaltend, aber nachher überkommt einen eine unbeschreibliche Freude und Zufriedenheit. Doch das wirklich spannende ist anschliessend die Begegnung mit all den Jurymitgliedern. Man knüpft neue Kontakte und lernt auf diese Weise viele interessante Menschen kennen.
Ich hatte dann auch einige Möglichkeiten vorzusingen und als ein Resultat kann ich heute sagen, dass ich ab dem kommenden Jahr an der Frankfurter Oper singen werde. Das ist eine gute Chance, an einem Haus zu arbeiten, welches ein Repertoire hat.
OM: Ursprünglich haben Sie ja Medizin studiert und dann parallel Gesang. Wie kam es, dass Sie sich ganz für den Gesang entschieden hatten?
DK: Ich habe immer gesungen. Aber das Medizinstudium war mir auch sehr wichtig. Ich arbeite gerne mit Menschen und habe deshalb dieses Studium gewählt. Ich habe heute einige sehr gute Freunde aus jener Zeit. Doch das singen hat mich immer begeistert und ich habe bereits mit ca. 14 Jahren Gesangsstunden erhalten. Meine Mutter war in einem Chor, doch sonst ist in meiner Familie niemand Musiker. Als ich etwa 15 Jahre alt war, besuchten wir eine Vorstellung mit der Schule von «Le nozze di Figaro». Dann war der Damm gebrochen und ich wollte alles über die Oper und die Musik wissen. Als ich dann an der Musikakademie war und der Professor sagte, er wolle mich unterrichten, obwohl die anderen bei der Audition mich nicht annehmen wollten, war das natürlich eine grossartige Chance.
Er hatte ja schon viele gute Schüler, aber etwas hat ihn wohl bewogen, mich trotzdem zu nehmen. Das war der Start. Dann machte ich an diversen nationalen Wettbewerben mit und gewann auch Preise. Da war ich gespannt, was nun auf mich zukam. Es wurde mir aber auch klar, was für eine grosse Arbeit dahintersteckt bis man sein Ziel erreichen kann. Doch ich habe diesen Weg gewählt und bin glücklich darüber. Zudem hatte ich auch den Support meiner Familie.
OM: Haben Sie ein Vorbild, an welchem Sie sich orientieren?
DK: Da gibt es viele tolle Sänger, welche man bewundert. Dies ändert sich natürlich mit der eigenen Entwicklung. Als ich das erste Mal Fritz Wunderlich hörte, war ich einfach fasziniert, wie man so schön und ausdrucksvoll singen kann. Auch Dmitiri Hvorostovsky war einzigartig. Ich erinnere mich, als ich vor etwa 10 Jahren, an einem nationalen Wettbewerb teilgenommen und als Preis eine Doppel-CD von Hvorostovsky erhalten hatte. Diese hatte ich so oft gehört und mich gewundert, dass diese nicht zerbrochen ist.

OM: Wie sehen Sie als junger Sänger die Entwicklung, dass man heute immer mehr auch Schauspieler sein muss um die Ideen der Regisseure umzusetzen?
DK: Ich begrüsse dies sehr. Als ich bei der Akademie angefangen hatte, war eine der Optionen auch die Schauspielerei. Ich besuchte mehr Theateraufführungen, als Opern. Meine erste Bühnenerfahrung machte ich mit einer kleinen Rolle in einem Theater. Heute werden viele Opern von einer ganz neuen Seite angesehen, wobei mehr die psychologische Seite der einzelnen Charaktere ausgeleuchtet wird. Ich mag es sehr, wenn das Konzept überzeugen kann und man spürt, dass sich der Regisseur vertieft mit der Handlung auseinandergesetzt hat. Gerade für junge Sänger, welche natürlich noch nicht auswählen können, ist wichtig, dass der Regisseur auch diese Sänger ernst nimmt und sich deren Ideen anhört.
OM: Es ist heute auch wichtig, die neuen Medien zu nutzen, um mit seinen Fans in Kontakt zu bleiben. Welche Möglichkeiten sehen Sie, um wieder ein jüngeres Publikum für die Oper zu begeistern.

DK: Gerade wenn man selbst singt, ist es immer wieder interessant zu erleben, wie Freunde und Angehörige nach einem Opernbesuch über das Erlebte staunen und überrascht sind, dass es sich hier nicht um eine ganz steife Angelegenheit handelt, sondern auf der Bühne auch junge Menschen zu sehen und hören sind. Es ist ganz wichtig, bereits im Kindesalter eine Türe für das Theater zu öffnen. Früher, als man noch nicht so viele Multimedia-Angebote hatte, hatten die Eltern die Kinder noch eher ins Theater mitgenommen. Dies ist heute nur noch mit sehr guten Kinderaufführungen etc. zu erreichen. Ebenfalls wichtig ist, den Unterschied zwischen einer Live-Aufführung in einem Theater und einer Performance in einem Hallenstadion aufzuzeigen. Dort wird ein Sound mit riesigem technischem Aufwand erzeugt. Bei einer Live-Aufführung im Theater kann so viel Unerwartetes passieren und die Emotionen sind ganz unterschiedlich. Das kann keine Technik ersetzen.
OM: Was macht Domen in der Freizeit, wenn mal keine Musik angesagt ist?
DK: Auch wenn ich nicht übe, so singe ich doch eigentlich bei jeder Gelegenheit. Aber ich mag es auch sehr, in die Berge zu fahren und die Natur zu geniessen, sei es in der Heimat oder hier in der Schweiz. Dann besuche ich so oft wie möglich meine Familie und natürlich meine Frau Mojca, welche ebenfalls Sängerin ist und in Slowenien engagiert ist. Ich schaue gerne Filme und pflege meine Freundschaften. Leider habe ich nicht soviel Zeit für Sport, aber ich mag Fussball und habe oft auch selbst gespielt. Ich habe viele Interessen und würde auch gerne mehr lesen. Man reist ja viel und geniesst es dann, wieder mal zuhause zu sein und sich dort auszuruhen.
Vielen Dank für dieses Gespräch. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und Toi,Toi,Toi für die Premiere von «La Bohème»
- Das Interview mit Domen Križaj v.27.11.19 führte Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
- Theater Basel: «La Bohème» Premiere am 14. Dezember 2019, Aufführungen bis Mai 2020.
- Theater Basel / Stückeseite La Bohème
- Titelfoto: Domen Križaj / Foto @ Neue Stimmen 2019 -Besim Mazhiqi
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