Schönheit und Scherz: Das Aarhus Symfoniorkester auf Weltreise durch die Romantik

Aarhus Symfoniorkester/Foto @ Daniel Heinz

Antonín Dvořák: „Serenade für Streichorchester in E-Dur op. 22

Richard Strauss: Vier letzte Lieder

Carl Nielsen: 2. Sinfonie „Die vier Temperamente“

Aarhus Symfoniorkester/ Musikalische Leitung: Marc Soustrot/ Sopran: Camilla Tilling

Konzert am 29.11.2019


Mit weniger als 300.000 Einwohnern wurde Aarhus als zweitgrößte Stadt Dänemarks im Jahre 2017 zur Kulturhauptstadt Europas ausgewählt. Im Rahmen der Erweiterung des „Musikhuset Aarhus“ – einem 1982 eröffneten Theaterkomplex – wurde eigens für das Residenzorchester, dem „Aarhus Symfoniorkester“ der Konzertsaal „Symfonisk Sal“ erbaut. Darüber hinaus fungiert das Ensemble gemeinsam mit der dänischen Nationaloper „Den Jyske Opera“ für jährlich etwa 4-5 Produktionen als Opernorchester.

 

Im Sinfoniekonzert mit dem Titel „Schönheit und Scherz“ bot das Orchester – unter Leitung ihres Chefdirigenten Marc Soustrot – ein gemischtes Programm tschechischer, deutscher als auch dänischer romantischer Komponisten. Für unseren Redakteur Phillip Richter bot sich damit eine willkommene Gelegenheit, alle Facetten des Klangkörpers zu erleben und den modernen Konzertsaal einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Die drei Werke des Konzertprogramms sind in einem Zeitraum von über 70 Jahren entstanden. Obgleich die 2. Sinfonie von Carl Nielsen als auch die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss zeitlich eher der Moderne zuzuordnen wären, sind sie von ihrer Kompositionstechnik her dennoch ein klarer Bestandteil der musikalischen Spätromantik.

Innerhalb von weniger als zwei Wochen soll Dvořák sein – neben der Sinfonie „Aus der neuen Welt“ – womöglich beliebtestes symphonisches Werk geschrieben haben, seine „Serenade für Streichorchester in E-Dur“. Bei dieser Komposition zeigten die Musiker des Aarhus Symfoniorkester trotz starker Stimmenbesetzung ihre Fähigkeit in kammermusikalischer Struktur zu musizieren. Der Dirigent Marc Soustrot gab lediglich einzelne Anweisungen und nahm sich selbst weitestgehend zurück, um der Musikalität der Instrumentengruppen untereinander jegliche Freiheiten einzuräumen. Als Ergebnis erklang ein exzellentes musikalisches Zusammenspiel hochkonzentrierter Musiker, wahrlich der Höhepunkt des Konzertes.

Aarhus Symfoniorkester und Camilla Tilling / Foto @ Daniel Heinz

In den darauffolgenden „Vier letzte Lieder“, welche Richard Strauss im hohen Alter nach dem zweiten Weltkrieg in Vorhersehung seines eigenen Todes schrieb, wurde das Streichorchester von der üblichen Bläsergruppe ergänzt. Die schwedische Sopranistin Camilla Tilling hat sich in den letzten Jahren auf der Opernbühne rar gemacht, konnte jedoch für die Solo-Partie dieses Konzerts gewonnen werden. Obgleich die vier Lieder jeweils nur wenige Minuten Aufführungsdauer umfassen, hat der Komponist sie seiner Solistin herausfordernd geschrieben. Die Sängerin muss mit plötzlich einsetzenden Koloraturen den gegenläufigen Melodien des Orchesters standhalten. Aufgrund einwandfreier Gesangstechnik mit sehr deutlich betonen Konsonanten und einer klaren, vibratoarmen und festen Stimme meisterte Tilling diese Partie bravourös.

Carl Nielsen gilt als mitunter bedeutendster dänischer Komponist, so dass allein schon dadurch eine Faszination ausgeht, seine in Dänemark komponierte und uraufgeführte Musik ebenso durch ein dänisches Orchester interpretiert zu hören. In seiner 2. Sinfonie drückt der Komponist die vier in der Temperamentenlehre der Antike und des Mittelalters erforschten Gemütszustände aus. Im Gegensatz zur einleitenden Streicherserenade Dvořáks leitete Marc Soustrot das Aarhus Symfoniorkester in diesem Programmteil mit klarer Struktur, konkreter Taktgebung und wuchtvoller Tonvorstellung. Obwohl die Blechbläser mitunter etwas undifferenziert klangen, beispielsweise an Stellen im Tutti des Orchesters, wurde der positive Gesamteindruck einer ansonsten tadellosen Aufführung nicht getrübt.

Ein für die Musiker anspruchsvolles, gleichsam aber für den Zuhörer leicht zugängliches Konzertprogramm einer musikalisch ausgezeichneten Aufführung – und dennoch klafften große Lücken trotz moderaten Eintrittspreisen im Zuschauerraum, der zweite Rang blieb zugleich komplett verschlossen. Dabei erschien der Altersdurchschnitt im Publikum erschreckend hoch, denn junge Menschen waren lediglich vereinzelt anwesend. Findet die klassische Musik im neuen Konzertsaal nicht so recht den Zugang zu der Bevölkerung der Stadt Aarhus? Es wäre ein Jammer, denn dieses Sinfonieorchester ist ein wahres Kleinod Skandinaviens!

 

  • Rezension von Phillip Richter / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Titelfoto: Konzertsaal/Außenansicht/Foto @ Daniel Heinz 
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