»Il mondo alla rovescia« – Ein Blick auf den wahren Komponisten Salieri im Salzburger Landestheater

Salzburger Landestheater/Die verdrehte Welt – Il mondo alla rovescia – Daniele Macciantelli, George Humphreys, Katie Coventry und Anita Giovanna Rosati/Foto © SLT / Tobias Witzgall

Der Name Antonio Salieri ist vielen Musikliebenden ein Begriff, seine Kompositionen jedoch nicht. Leider hat Salieri durch das Theaterstück von Peter Shaffer, das von Miloš Forman als Film »Amadeus« (1984) produziert wurde, einen unrühmlichen Ruf. In dem Film wird Salieri als verbitterter, mittelmäßiger Komponist dargestellt, der es bis zum Hofkomponisten Josephs II. geschafft hat. Trotz seiner prestigeträchtigen Stellung in Wien war Salieri dem Film zufolge angeblich eifersüchtig auf Wolfgang Amadeus Mozarts Talent. In Wirklichkeit hatten die beiden Komponisten jedoch einen gewissen gegenseitigen Respekt voreinander, auch wenn sie wahrscheinlich nicht sehr eng befreundet waren. Das Salzburger Landestheater bietet die seltene Gelegenheit, eine von Salieris komischen Opern zu erleben, die beweist, dass der echte Salieri ganz anders war als die fiktive Figur im Film, die nur seinen Namen trägt. (Rezension der Vorstellung v. 11. Mai 2025)

 

 

»Il mondo alla rovescia« ist ein Dramma giocoso in zwei Akten von Salieri nach einem Text von Caterino Tommaso Mazzolà, der heute oft als der Librettist bekannt ist, der Pietro Metastasios »La clemenza di Tito« für Mozart überarbeitete. Die am 13. Januar 1795 im Wiener Burgtheater uraufgeführte Oper stellt eine Fantasie-Insel dar, auf der die damals üblichen Rollen für Frauen und Männer vertauscht sind: Die Frauen verhalten sich wie europäische Männer und die Männer wie Frauen. Obwohl das Werk lustig ist und das Publikum zuweilen zum Lachen gebracht hat, regen die Figuren und die Handlung zum Nachdenken darüber an, wie sich die Gesellschaft so entwickelt hat.

Salzburger Landestheater/Die verdrehte Welt – Il mondo alla rovescia – George Humpreys, Anita Giovanna Rosati, Nicole Lubinger, Luke Sinclair und Chor © SLT / Tobias WitzgallDownload

Diese Art von Fantasie, bei der die Handlung an einem Ort stattfindet (oder die Figuren an einen Ort transportiert werden), an dem sie auf eine Art und Weise miteinander in Kontakt treten können, die in der realen Welt unmöglich ist, war im achtzehnten Jahrhundert ein gängiges Thema. Eine interessante Parallele ist Franz Joseph Haydns »Il mondo della luna« (1777) zu einem anonymen Libretto nach Carlo Goldonis Werk mit demselben Titel. Zufälligerweise war Goldoni auch Mazzolàs Inspiration für »Il mondo alla rovescia«. In »Il mondo della luna«, der vorgetäuschten Reise zum Mond, spielt der falsche Astrologe Ecclitico dem leichtgläubigen, aber reichen Buonafede einen Streich, der in dieser Fantasiewelt nachgibt und seinen Töchtern, Clarice und Flaminia, erlaubt, die Männer ihrer Wahl zu heiraten. Auf dem „Mond“ spielten die europäischen Vorstellungen von sozialer Klasse und elterlicher Zustimmung zur Heirat weniger eine Rolle.

Die Aufführung am 11. Mai 2025 im Salzburger Landestheater bewies, dass Salieri ein hervorragender Komponist war, dem die Nachwelt die Anerkennung seiner Talente verweigert hat, weil er im Schatten von Mozart und seinem Schüler Ludwig van Beethoven steht. Die Besetzung, das Mozarteumorchester Salzburg sowie der Chor des Salzburger Landestheaters unter der Leitung von Carlo Benedetto Cimento haben sich diesem Werk unermüdlich gewidmet und es als die wertvolle Komödie behandelt, die es ist.

Die Handlung spielt auf einer Fantasie-Insel, wo die Frauen die Macht haben und sich als Soldatinnen befehlen, während die Männer, hauptsächlich in Rosa gekleidet, sich der Haushaltsarbeit widmen. Die Liebenden konnten sich nämlich entscheiden, ob sie lieber in der europäischen oder in der Lebensweise auf der fernen Insel leben wollten. Regisseurin Alexandra Liedtke inszenierte dies mit viel Ironie und Witz, die die soziologischen Implikationen einer Gesellschaft betonten, in der die Rollen, die üblicherweise mit Frauen und Männern assoziiert werden, vertauscht sind. Bühnenbildner Philip Rubner ließ sich vom Barocktheater inspirieren, das er mit einigen modernen Kleidungsstücken kombinierte, vielleicht um die anhaltende Aktualität des Themas zu unterstreichen. Gemälde, darunter Sandro Botticellis „Geburt der Venus“, wurden in die Szenen integriert, wenn auch mit einem halbnackten Mann auf der Muschel. Die Gesamtwirkung der Bilder und des Schauspiels mit den launischen und nach Schmeicheleien verlangenden Männern entsprach der im Libretto dargestellten, auf den Kopf gestellten Gesellschaft. Kostümbildnerin Johanna Lakner kleidete die Sängerbesetzung wie das Gegenteil von Geschlechtsstereotypen.

Salzburger Landestheater/Die verdrehte Welt – Il mondo alla rovescia – George Humpreys/Foto © SLT / Tobias Witzgall

Cimentos Dirigat war knackig und klar artikuliert, mit viel Schwung und Begeisterung. Er betonte, dass Salieri stilistisch näher an Domenico Cimarosa als an Mozart sei. Der klangvolle Bass Daniele Macciantelli war ein wortgewandter, lieblicher Generala, deren unterschwellige Verletzlichkeit in der Rolle des Kommandanten zum Ausdruck kam. Macciantelli war auch ein großartiger Schauspieler, der den seelischen Schmerz und die Traurigkeit, die Generala infolge der vereitelten Liebe erleidet, sowie die Souveränität und Zuversicht der Figur, wenn sie geliebt wird, abgebildete. Die souveräne Koloratursopranistin Anita Giovanna Rosati überzeugte als temperamentvolle, zuweilen komische, aber letztlich liebenswerte Colonnella. Die Mezzosopranistin Katie Coventry war eine dominante, herrische Ajutanta Maggiora, die emotional zurückhaltend war. Die Sopranistin Nicole Lubinger gab eine temperamentvolle, zuweilen verwirrte, verführerische und liebevolle Marchesa wieder. Als launischer Amaranto brachte der Tenor Luke Sinclair die humorvollen Aspekte des Verhaltens der Figur zur Geltung, wobei er nicht vergaß, dass eine so passiv-aggressive Persönlichkeit in Wut ausbrechen kann, wenn das Szenario ihn dazu provoziert. In der Rolle als Il Conte verkörperte der Bariton George Humphreys die Bereitschaft der Figur, die gesellschaftliche Ordnung auf der Fantasie-Insel zu übernehmen, indem er sich selbst als Modell für die Adaption von Botticellis Venus darstellte.

Die Kenntnis von Salieris Musik und anderer zeitgenössischen Komponisten, die in Wien tätig waren, bereichert unser Verständnis der Wiener Klassik. »Il mondo alla rovescia« ist stilistisch nicht weit von Cimarosas Dramma giocoso »Il matrimonio segreto« (1792) entfernt. Freunde der komischen Oper des späten achtzehnten Jahrhunderts werden an Salieris Werk Gefallen finden.

 

  • Rezension von Dr. Daniel Floyd / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Salzburger Landestheater / Stückeseite
  • Titelfoto: Salzburger Landestheater/Die verdrehte Welt – Il mondo alla rovescia – Chor und Extrachor/Foto © SLT / Tobias Witzgall
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