Exquisite, berührende Aufführung von „Il re pastore“ im Salzburger Mozarteum

Mozarteum/Il re pastore/Foto @ Wolfgang Lienbacher

Die idealisierte oder „aufgeklärte“ Monarchie war ein häufiges Thema im Theater und in der Oper des 18. Jahrhunderts, insbesondere bei Werken, die in Anwesenheit eines Herrschers aufgeführt wurden. Wolfgang Amadeus Mozart wurde vom Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo beauftragt, eine zweiaktige Serenata, Il re pastore KV 208, für einen Besuch von Erzherzog Maximilian Franz, einem Sohn der Kaiserin Maria Theresia, zu schreiben. Am 23. April 1775 fand die Uraufführung im Rittersaal des Salzburger Residenz-Theaters statt. Das Libretto von Pietro Metastasio aus dem Jahr 1751, basierend auf dem Schauspiel Aminta (1573) von Torquato Tasso, bestand ursprünglich aus drei Akten, wurde aber in der von Mozart vertonten Fassung auf zwei reduziert. Metastasio hat das Thema eines Monarchen, dessen Güte, die eines tatsächlichen Führers übertrifft, mehr als einmal aufgegriffen: sein Libretto La clemenza di Tito war die Grundlage für die letzte italienische Oper, die Mozart komponierte. (Rezension der Aufführung v. 20.10.2022)

 

 

Die Handlung spielt in der phönizischen Stadt Sidon im Jahr 332 v. Chr. und erzählt, wie Alexander der Große (Alessandro) den Usurpator-König Strato abgesetzt hat, um Amita, den rechtmäßigen Thronfolger, der als Schäfer gelebt hat, wieder einzusetzen. Aminta liebt Elisa und möchte sie heiraten, aber Alessandro fordert ihn auf, Tamiri, die Tochter des abgesetzten Königs, zu heiraten, um die Stabilität des Königreichs zu gewährleisten. Tamiri ist in Agenore verliebt, einen edlen Phönizier und Freund Alessandros. Als Aminta verkündet, dass er lieber auf den Thron verzichten würde als auf seine Liebe zu Elisa, und Tamiri darum bittet, mit Agenore vereint zu werden, willigt Alessandro ein, dass die Paare aus Liebe heiraten können. Am Ende von Mozarts Serenata taucht eine wichtige Botschaft auf, dass die Liebe wichtiger als der politische Status ist.

Arkadische Hirtenkulissen waren in der Literatur üblich, um eine Art moralische Reinheit im Gegensatz zur Korruption der organisierten Gesellschaft darzustellen. Der gute Hirte symbolisierte einen loyalen Hüter (d.h. den idealisierten Monarchen), der notfalls sein eigenes Leben opfern würde, um seine Schar zu schützen. Die Metapher des guten Hirten hatte auch einen religiösen Subtext: das Opfer von Jesus Christus zur Rettung seiner Anhänger, ein Aspekt, der bereits von früheren Komponisten, darunter Johann Sebastian Bach (Ich bin ein guter Hirt BWV 85) und Georg Philipp Telemann (z.B. Oratorium zum Sonntag Misericordias Domini TVWV 1:123), vertont worden war. In Mozarts Serenata sind die beiden Paare jedoch bereit, ihre Machtpositionen zugunsten der Liebe zu opfern, eine Entscheidung, die Alessandro, der siegreiche Held, absegnet.

Mozarteum/Il re pastore/Foto @ Wolfgang Lienbacher

Die konzertante Aufführung am 20. Oktober 2022 im Großen Saal des Salzburger Mozarteums bewies mehr als genug, warum dieses selten gespielte Frühwerk Mozarts weitaus mehr Aufmerksamkeit verdient, als es gewöhnlich erhält. Ein Grund, warum diese Serenata so selten gespielt wird, ist, dass Mozarts reife Meisterwerke seine frühen Werke in den Schatten gestellt haben. Wenn man die Gelegenheit hat, Il re pastore zu hören, merkt man sofort an, dass es deutlich interessanter und fesselnder als bekanntere Werke vieler anderer Komponisten ist.

In der Titelrolle verlieh Emőke Baráth der Aminta enorme Emotionen und beherrschte die anspruchsvolle Gesangslinie hervorragend. Baráth, die ich von Aufnahmen der Opern von Georg Friedrich Händel kenne, erweist sich als eine ausgezeichnete Mozartianerin, die Aminta zu einer wichtigen, dreidimensionalen Figur erhöht. Sie war besonders geschickt darin, Amintas Charakter zu vertreten, einschließlich seiner Naivität als Hirte, seiner Liebe zu Elisa und seinem Engagement für die Liebesbeziehung über die Erkenntnis hinaus, dass er der Thronfolger von Sidon ist.

Die Koloratursopranistin Elena Sancho Pereg hat eine außerordentlich geschmeidige Stimme, die Elisas aufrichtige Gefühle der Liebe zu Aminta, ihre Frustration und Wut, als sie erfährt, dass ihr Verlobter von Alessandro gezwungen wurde, Tamiri zu heiraten, und ihre Freude, als sie erfährt, dass Aminta auf den Thron verzichten wird, um sie zu heiraten, vermittelt. Pereg brachte die Figur nicht nur stimmlich rüber, auch ihre Gesichtsausdrücke und ihre Körpersprache unterstrichen den Text. Ihre Darbietung machte deutlich, dass weder eine Inszenierung noch ein ausgefeiltes Schauspiel nötig sind, um ein musikalisch-literarisches Drama zu zeigen.

Der Tenor Mark Milhofer, der in letzter Minute für den indisponierten Rolando Villazón eingesprungen war, erwies sich als ein viriler Alessandro, der die Figur über ihre Funktion erhob und dem Drama Schwung verlieh. Milhofer strahlte eine besondere Wärme aus, die deutlich macht, dass dieser siegreiche Held ein anständiger Mann ist, der das Beste für die anderen Figuren und die Zukunft von Sidon will.

Als Tamiri, die Tochter des Königs von Sidon, den Alessandro abgesetzt hat, porträtierte Tamara Ivaniš eine enorme Liebe zu Agenore und unendliche Niedergeschlagenheit, als sie erfährt, dass Alessandro sie stattdessen mit Aminta verheiraten will. Während der Arie (Nr. 11 „Se tu di me fai dono“), in der Tamiri Agenore Vorwürfe macht, nachdem er sie zu Unrecht der Untreue beschuldigt hatte, setzte Ivaniš ihre starke, süße Stimme ein, um Traurigkeit und Wut auszudrucken.

Tamiris geliebter Agenore wurde von Zachary Wilder auf eine Weise gesungen, die die widersprüchlichen Anforderungen der Figur gegenüber Pflicht und Liebe verdeutlichte. Seine Stimme ist kraftvoll, was ideal ist, um Agenores inneren Konflikt zwischen der Liebe zu Tamiri und der Freundschaft zu Alessandro sowie seinen Status als Adliger in Sidon zu äußern.

Mozarteum/Il re pastore/C. Pluhar/Foto @ Wolfgang Lienbacher

Das Orchester L’Arpeggiata unter der Leitung von Christina Pluhar spielte auf historischen Instrumenten mit Überzeugung, Leidenschaft und Respekt vor der Partitur. Die Mikrofone über der Bühne lassen hoffen, dass diese Aufführung auf CD erscheinen wird, vorzugsweise mit einem gedruckten Libretto. Wenn dies der Fall wäre, hätten wir eine Referenzaufnahme, die sich neben den wenigen existierenden Aufzeichnungen, wie denen unter der Leitung von Neville Marriner (1989) und Nikolaus Harnoncourt (1996), behaupten könnte.

Das konzertante Format lässt keine Wünsche offen und ist ideal für diese Serenata. Sie ist sicherlich der Inszenierung der Salzburger Festspiele (2006), unter der Regie und dem Dirigat von Thomas Hengelbrock, vorzuziehen, die zwar musikalisch herausragend ist, aber gleichzeitig visuell störend und für den Inhalt der Geschichte irrelevant ist.

 

 

  • Rezension von Dr. Daniel Floyd / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Mozarteum Salzburg
  • Titelfoto: Mozarteum/Il re pastore/Foto @ Wolfgang Lienbacher
Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert