Als Musikstudentin an der Universität von North-Texas bastelte die junge Emily Newton aus der texanischen Kleinstadt Lake Jackson einmal Portraits von schönen Männern und Frauen und schönen Landschaften zu einer Collage zusammen. Darunter war auch eines von Anna Nicole Smith, deren äußere Schönheit sie damals bewunderte. Einige Jahre später, sie war bereits ausgebildete Sopranistin und Musikerin, erfuhr sie von der Welturaufführung der Mark Anthony Turnage-Oper Anna Nicole in London und sie dachte sich im Spaß: „Diese Rolle will ich auch mal singen“. Das tat sie dann auch. Und wie! 2 Jahre später in Dortmund.
Die europäische Kontinentalpremiere der Oper Anna Nicole am 27.4.2013 am Dortmunder Opernhaus geriet zu einem Triumph für alle und besonders für die phänomenale Emily Newton in der Titelrolle. Die Dortmunder Oper hatte sie für diese Partie unter Mitbewerberinnen ausgesucht und einen echten Treffer erzielt. Wie sie das Leben und Sterben des US-Playmates Anna Nicole Smith sang UND darstellte, haute Publikum und Presse gleichermaßen um. A star was born.
Nur noch zwei Mal gibt es die Gelegenheit diese Oper in Dortmund zu erleben: am 17.5. und am 29.5.2013.
Mit Emily Newton führte ich heute ein Interview im Rahmen meiner Serie über Opernsängerinnen und Sänger.
Zu Anna Nicole
Eigentlich verbinde sie kaum etwas mit Anna Nicole Smith, sagt sie im Gespräch. „Anna Nicole war eine blonde Frau. Das bin ich auch. Anna Nicole war ein Star ohne Talent, mit abgebrochener Schulbildung und ohne Ausbildung. Sie kommt zwar wie ich aus einer texanischen Kleinstadt und wollte, wie ich auch, in die großen Metropolen. Aber das ist auch das einzige, was mich mit dieser Rolle und Anna Nicole verbindet“,erklärt sie mir im Gespräch. Anders als Anna Nicole habe sie eine tolle Familie und ein schönes Umfeld gehabt. Und im Gegensatz zu Anna Nicole verfügt Emily Newton über eine fundierte Ausbildung und über ein Musikstudium welches sie an der Universität von North-Carolina mit dem akademischen Grad „Master of Music“ abschloss. Das öffentliche Leben des Playmates nahm Emily Newton nur am Rande wahr. Die Skandale und Affären, die Hochzeit mit dem greisen Milliardär, den frühen Tod Anna Nicoles, all das las sie, wie Millionen anderer Menschen auch in der yellow press. Und doch spielt sie diese Opernrolle grandios und überzeugend, flucht auf der Bühne sogar wie sie, und ist der echten Anna Nicole in manchen Szenen täuschend ähnlich. „Im privaten Leben fluche ich allerdings nicht so!“, fügt Emily Newton an. Als sie die Partitur kurz vor Weihnachten 2012 erhielt, war sie gerade zu Besuch im Haus der Eltern ihres Freundes in den USA. „Als ich an den Stellen angekommen war, wo Anna Nicole diese schlimmen Worte singt, hab ich mit Rücksicht auf die Eltern dann immer nur „La-La-La“ gesungen, damit die sich nicht erschrecken. Später dann hab ich die Fluchworte einstudiert“, sagt Emily Newton lachend. Das es die Fluchworte in sich haben, konnte das Dortmunder Publikum selbst durchaus auf der Übertitelungsanlage, größtenteils amüsiert mitlesen. Emily Newton: „Aber so war Anna Nicole. Diese Sprache war auch ein Teil von ihr“.
„Die Oper Anna Nicole ist für mich ein besonderes, neues und sehr interessantes Musikgenre. Ich habe vorher meistens die klassischen Opernpartien gesungen. Aber die Rolle ist für meine Stimme sehr geeignet, gleichzeitig aber auch sehr anspruchsvoll. 2 ½ Stunden ununterbrochen auf der Bühne präsent zu sein ist schon eine große körperliche und auch stimmliche Herausforderung“, so Emily Newton. In der Tat bleiben der Hauptdarstellerin der Oper keine Pausen. Sie ist immer zu sehen, auch in Momenten, wo sie nicht singen muss. Und – vor allem, sie ist immer in Bewegung. Ein echter Kraftakt für die Sängerin. Und da es keine kleinen Pausen hinter der Bühne für die Sängerin der Anna Nicole gibt, hat man sich in Dortmund kleiner, vom Zuschauer nicht bemerkter Tricks bedient. So wurde dem Bühnensohn von Frau Newton immer ein Glas Wasser mitgegeben, wenn er seiner „Mutter“ auf der Bühne ihre Medikamente bringt. Und in einer Szene wird Anna Nicole Pizza auf die Bühne gebracht. „So bekomme ich zwischendurch immer einen Schluck zu trinken und sogar zu essen“, verriet Emily Newton.
Für so eine in vielen Bereichen anstrengende Partie ist Emily Newton gut gewappnet. Die sportbegeisterte Amerikanerin ist körperlich fit. In ihrer Freizeit betreibt sie viel Sport, sehr gern Wassersport und liebt Tauchen. Und da besonders die Begegnung mit Haien. „Ich hab ein „Shark-Ding“, fast wie eine Besessenheit“, beschreibt sie ihre Vorliebe zu diesen großen und schönen Meerestieren, die vom Menschen viel zu oft grundlos gejagt werden. OK, wer mit Haien taucht, hat auch keine Angst vor beruflichen Herausforderungen – und sei es, die Anna Nicole zu singen.
New York – Dortmund – Europa
Emily Newton macht als Sopranistin in den USA Karriere. Sie belegte eine Meisterklasse bei der großartigen amerikanischen Mezzosopranistin Marilyn Horne. Sie sang die großen Rollen ihres Fachs. Violetta, Lady Macbeth, Donna Anna, Anna Bolena, die Elisabeth in Don Carlo, die Rosenkavalier-Marschallin, aber auch die Ortlinde in Wagners Walküre, welche sie auch an der New Yorker MET gesungen hat. Durch ihre berufsbedingte Reisetätigkeit habe sie ihr New Yorker Appartement nur knapp 6 Monate in zwei Jahren bewohnen können. Als das Dortmunder Angebot kam, dort die Anna Nicole zu singen, nahm sie sich in der Ruhrgebietsstadt eine Wohnung auf Zeit. Mittlerweile hat Emily Newton ihre Wohnung in New York gekündigt und die Möbel in einem kleinen Mietraum abgestellt. Denn für sie ist klar: Sie bleibt in Deutschland. Sie will hier und in Europa als Opernsängerin eine Karriere machen.
Das es Pläne gibt, über die sie noch nicht sprechen will, ist klar. Nach ihrem furiosen Europadebüt sind sehr viele auf sie aufmerksam geworden. „Ich möchte mit vorsichtiger Planung und der richtigen stimmlichen Balance später Wagner, Verdi und Strauß singen und meine Stimme immer mehr dramatisch ausbauen“, sagt sie. Was auch nahe liegt, wenn man Frau Newton als Anna Nicole auf der Bühne hört. Ihre Stimme ist voluminös und bis in die Höhe strahlend. Beste Voraussetzungen gerade auch für Verdi, Strauß und besonders Wagner.
„Dortmund und seine Menschen gefallen mir sehr. Und meine Arbeit an der Oper Dortmund ganz besonders. Ich habe dort Freunde unter den Kolleginnen und Kollegen, aber auch im Presseteam gefunden. Irgendwie ist dort eine familiäre Atmosphäre, die mir sehr gefällt. Für mich steht fest: ich bleibe in Deutschland. Und ich werde die Oper Dortmund als Zuschauerin weiter so oft besuchen, wie ich nur kann“. Und das alles sagt Emily Newton in bestem Deutsch, nach nur einem 14-wöchigen Sprachkurs. „Als mich letztens meine Mutter und ihr Freund aus Texas besuchten und wir eine Sight-seeing-Tour durch Dortmund machten, war meine Mum sprachlos und begeistert, dass ich ihr dolmetschte. Ich glaub fast, das fand sie noch beeindruckender als meine Gesangsleistung“.
Im August wird Emily Newton noch einmal für einige Tage nach Vermont/USA fliegen um dort an einem geplanten Verdi-Opernprojekt teilzunehmen. Anschließend besucht sie ihre Familie in Texas, die sie dann für längere Zeit nicht mehr sehen wird und fliegt zurück in ihre neue Heimat Deutschland. „Meine Mutter versteht mich voll und steht hinter mir“,sagt Emily, eine junge Frau aus Texas, der ihre Familie so wichtig ist.
Die Sopranistin Emily Newton steht für eine neue SängerInnen-Generation, bestens ausgebildet, bodenständig und zielstrebig. Ausgestattet mit einer großen Gesangsstimme und einem enormen Bühnentalent.
Die Dortmunder Opernbesucher sollten die letzten Anna Nicole-Aufführungen unbedingt besuchen. Sonst verpassen sie eine grandiose Aufführung und einen kommenden Star der internationalen Opernszene.
Emily Newton – große Karriere vorprogrammiert.
Info: Homepage von Emily Newton
Info: Theater Dortmund ANNA NICOLE
*auch erschienen bei RUHRBARONE
* ebenso erschienen im größten deutschsprachigen Opern-Blog DER OPERNFREUND
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