Turnage-Oper „Anna Nicole“ in Dortmund stürmisch gefeiert – Emily Newton in der Titelpartie Weltklasse

Emily Newton (Anna Nicole), Opernchor ©Thomas M. Jauk / stage picture
Emily Newton (Anna Nicole), Opernchor
©Thomas M. Jauk / stage picture

Mit großem Werbeaufwand hat die Dortmunder Oper die kontinentale Uraufführung der Oper „Anna Nicole“ des britischen Komponisten Mark-Anthony Turnage angekündigt. Am gestrigen Samstag wurde diese Oper zum zweiten Mal, nach ihrer Welturaufführung im Februar 2011 in London, nun in Dortmund gezeigt. Der Dortmunder Intendant Jens-Daniel Herzog hatte sich die Rechte für die deutsche und kontinentale Uraufführung gesichert und seinem Haus damit einen großen Erfolg beschert. Die texanische Sopranistin Emily Newton ist Anna Nicole. Sie sang und spielte die sehr anspruchsvolle Partie grandios und wurde vom Publikum frenetisch gefeiert.

 

Die Oper Anna Nicole, ursprünglich ein Auftragswerk des Londoner Opernhauses Covent Garden an den Komponisten Mark Anthony Turnage, wurde erstmalig 2011 aufgeführt. Die Uraufführung in London  geriet zu einem triumphalen Erfolg. Das Leben und Sterben des US-amerikanischen Busenwunders Anna Nicole Smith hat Turnage sehr facettenreich, pointiert, aber auch ironisch und kritisch zu einer abendfüllenden Oper verarbeitet. Seine Musik, die Stilmittel von Jazz, U-und E-Musik kunstvoll verarbeitet, aber durchaus auch „opernmäßige“ Höhepunkte aufweist, die an großer Emotionalität nichts vermissen lassen, ist mitreißend und im steten Fluß. Die Orchestrierung ist demzufolge auch erweitert um z.B. E-Gitarren, E-Bass, Banjo und Saxophone. Das Libretto mit deutlicher, teils drastisch-frivoler, Sprache zur Oper stammt von Richard Thomas. Komponist und Librettist waren am gestrigen Abend gefeierte Ehrengäste der Deutschlandpremiere.

 

The american dream

Emily Newton (Anna Nicole) und Opernchor ©Thomas M. Jauk / stage picture
Emily Newton (Anna Nicole) und Opernchor
©Thomas M. Jauk / stage picture

Der Regisseur des Abends, der Dortmunder Opernintendant Jens-Daniel Herzog, sagte im Vorfeld der Uraufführung: „Der Körper von Anna Nicole Smith wird zum Schlachtfeld einer neoliberalen Ökonomie”, und fasst damit einerseits das öffentliche Leben des US-Playmates, und andererseits die Intention und Umsetzung seiner Inszenierung zusammen.

Revuehaft werden die Stationen eines Lebens, dass der Anna Nicole Smith, auf die Bühne gebracht, in der sie zwar Mittelpunkt, aber auch immer Spielball der sie umgebenden Personen ist. Ein familiäres Vermarktungsobjekt, welches viel zu leicht aufgrund mangelnder Bildung, sozialer Prägung und schwachem Selbstbewusstsein, verführbar ist und welches sich seit Anbeginn ihrer scheinbaren Karriere auf einer menschlichen Abwärtsspirale befindet. Dazu umgeben von Männern, denen sie auch nur wieder als Objekt, sei es sexueller oder finanzieller Begierde, zeitlebens dient.

Die Story ihres Lebens, welches mit nur 39 Jahren tragisch aufgrund jahrelangen Medikamenten-und Drogenmißbrauchs endete, ist hinlänglich bekannt. Die Brustoperationen, die Heirat mit dem greisen Milliardär Marshall, die nach seinem Tod folgende Erbschlacht mit den Angehörigen  des Milliardärs, der Tod ihres damals 20-jährigen Sohnes, ebenfalls unter starkem Drogeneinfluss, die drei Tage zuvor erfolgte Geburt ihrer Tochter, als auch ihr trauriges Ende waren stets Aufmacher der Yellowpress. Sie diente dem Kommerz, oft ungewollt und von anderen gesteuert, zeitlebens und das in jeder Lebenslage. „The american dream“, den sie eigentlich leben und erleben wollte, lief sie stets hinterher. Er war ihr immer unerreichbar. Hatte sie mal nahe an ihm dran geschnuppert, zerplatzte der Traum wie eine in stars and stripes getünchte Seifenblase.

 

Emily Newton (Anna Nicole) ©Thomas M. Jauk / stage picture
Emily Newton (Anna Nicole)
©Thomas M. Jauk / stage picture

Ihr Leben – Stoff für eine moderne Traviata, für eine moderne Oper

Herzog setzte dies alles szenisch um. In zwei Akten, unterteilt in 16 Szenen und einem Zwischenspiel, lies er das Publikum teilhaben an dem Traum eines amerikanischen Mädchens aus der Provinz, die für sich auch ein Stück des großen Kuchens haben will. Welches sich dafür die Brüste mehrfach vergrößern lies, den daraus resultierenden Rückenschmerzen mit Unmengen an Medikamenten scheinbar trotzte und doch nicht mehr als die Krümmel eines Kuchenstücks gewann. Das war großes Bühnentheater, was der Dortmunder Intendant ablieferte. Das Bühnenbild (Frank Hänig), zum Publikum hin offen und weit, bildete einen absolut adäquaten Rahmen um die stets im Fluss gehaltene Personenregie derart spannend, aufwühlend und mitreissend zu gestalten. Die Kostüme von Sibylle Gädeke rundeten das visuelle Ereignis ab.

Jac van Steen, der scheidende Generalmusikdirektor der Oper Dortmund hat die Dortmunder Philharmoniker zu einem Klangkörper allererster Güte geformt. Die anspruchsvolle Partitur der Turnage-Oper, herausfordernd für die Musiker wie auch für den Dirigenten, war von Anbeginn ein Erlebnis der besonderen Art. Tempi, Rythmen, große orchestrale Ausbrüche, zarte und leise Töne in den emotionalen Momenten der Oper – all das war hohe Musikkunst.

Emily Newton (Anna Nicole), Morgan Moody (Howard Stern) ©Thomas M. Jauk / stage picture
Emily Newton (Anna Nicole), Morgan Moody (Howard Stern) ©Thomas M. Jauk / stage picture

Auf der Bühne ein Ensemble was auf ganzer Linie überzeugte. Wieder einmal war es der Dortmunder Opernchor (Einstudierung Granville Walker), der voll zu überzeugen wusste. Turnage hat dem Chor eine zentrale Rolle zugedacht und entsprechend vertont. Vollstes Lob für diesen Dortmunder Opernchor.

Die vielen Solistenrollen der Oper waren durchweg glänzend besetzt. Ein herrlich agierender und singender Ks. Hannes Brock in der Rolle des greisen Milliardärs Marshall, eine wunderbare Katarina Peetz als Virgie, Anna Nicole’s Mutter, Morgan Moody der den skrupellosen Dauerbegleiter Howard Stern mit diabolischen Zügen spielte und Christoph Strehl in der Rolle des sensationslüsternen US-Talkshowmasters Larry King, seien hier nur stellvertretend für die insgesamt hervorragende Ensembleleistung genannt. Das Publikum feierte alle Mitwirkenden mit standing ovation und frenetischem Beifall.

 

Emily Newton ist Anna Nicole

Ks. Hannes Brock (Marshall), Emily Newton (Anna Nicole), Katharina Peetz (Virgie) ©Thomas M. Jauk / stage picture
Ks. Hannes Brock (Marshall), Emily Newton (Anna Nicole), Katharina Peetz (Virgie)
©Thomas M. Jauk / stage picture

Was für eine Besetzung der Titelrolle! Die Sopranistin aus Texas, die mit Anna Nicole ihr Europadebüt gab, war einfach sensationell. Wie sie die Szenen des Lebens des Playmates Anna Nicole Smith verkörpend spielte war grandios. Wie sie die teils überaus schweren Klippen ihrer Gesangsrolle meisterte, war absolute Weltklasse. Bravo!

Bravostürme aus dem Zuschauersaal für eine aussergewöhnliche sängerische Leistung waren der hochverdiente Lohn für Emily Newton, die diese Rolle verinnerlicht zu haben scheint. Dabei spielte sie die Rolle mit all ihren Facetten überzeugend. Sie war die sexy-Anna Nicole, die schlampige und drogenabhängige Anna-Nicole, die oberflächliche, die zerbrechliche und überforderte Anna Nicole und sie war auch die Mutter, die Anna Nicole in ihrem Leben auch war. Eine internationale, nun folgende, große Aufmerksamkeit ist der amerikanischen Sopranistin gewiss.

 

Werbemotiv "Anna Nicole" ©Foto: Pando Hall / Bearbeitung: KVELN
Werbemotiv „Anna Nicole“
©Foto: Pando Hall / Bearbeitung: KVELN

Fazit:

Große Oper, großes Theater, mitreissende Musik und mit einer Emily Newton in der Rolle der Anna Nicole, die schlichtweg umwerfend ist. Absolute Empfehlung, sich diese Oper in Dortmund anzusehen. Nur noch bis Ende Mai!

 

Termine und Karten HIER

siehe auch: Interview mit Emily Newton

Website Emily Newton: http://emilynewton.net/

Artikel auch veröffentlicht auf www.deropernfreund.de als Kritik #1, sowie auf Ruhrbarone

 

Offiz. Trailer der Dortmunder Anna Nicole

 

 

 

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