LA TRAVIATA konzertant am 21.10.2018 in der Elbphilharmonie – Giuseppe Verdis Oper „La Traviata“, erlebte ihre Uraufführung 1853 in Venedig am Theater La Fenice. Weder die Geschichte der tragischen Liebe zwischen einen Sohn aus gutem Hause und eine sterbenskranke Edelkurtisane, die vom Vater boykottiert wird, noch Verdis zu Herzen gehende Melodien, haben seit dem an Wirkung und Faszination verloren.
Dass auch eine konzertante Aufführung dieses Werkes verzaubern kann, davon berichtete bereits Detlef Obens, der die Oper in eben dieser Besetzung bereits im Konzerthaus Dortmund erleben durfte und seine Eindrücke hier an gleicher Stelle ausführlich beschrieb (siehe Artikel vom 19.10.2018)
Unbestreitbar bleibt, dass das Augen- und Ohrenmerk heute auf dem Dirigenten Teodor Currentzis lag und der Art wie er mithilfe des MusicAeterna Orchestra of Perm Opera und den Sängern Verdis bildmalerische Musik deuten, und zum Klingen bringen würde.
In seinem schwarzen, von mit pinkfarbenen Schnürsenkeln verzierten Schuhen, abgerundeten Outfit, erinnert er eher an einen Balletttänzer als an einen „Maestro“. Doch nach aufgesetztem oder gar arrogantem Verhalten sucht man bei diesem polarisierenden Künstler vergeblich. Er wirkt wie jemand, der einfach nicht anders kann, als sich zur Musik zu bewegen und dabei genau weiß, was er tut und bei und für die anderen, erreichen will. Den Taktstock ersetzt er dabei durch seinen ganzen Körper. Eine Handbewegung und eine Generalpause erfüllt den vollbesetzten Saal, Legati wie Staccati kommen auf den Punkt. Auch den Sängern wendet er sich direkt zu, steigt dafür vom Pult, scheint sie durch stummes Mitsingen, nicht nur zu unterstützen doch viel mehr in ihrem Tun zu bestätigen.Galt für den legendären Carlos Kleiber, dass er die melancholische Zartheit von Verdis“ Traviata“ wie kein anderer betonte, so gilt für Currentzis und sein fantastisches MusicAeterna Orchestra of Perm Opera , dass es ihnen gelingt, dem Werk, eher eine kaum gekannte dramatische Melancholie zu geben, statt nu romantisch schmelzender Sentimentalität. So ist der Beginn der Ballszene „Avrem lieta di maschere la notte / Noi siamo zingarelle“ eine Herausforderung an das Leben, ein schmissiger, mitreißender Fehdehandschuh an alle Widrigkeiten, statt ein oberflächlich rauschendes Fest.
Aber wie erwähnt, kommen auch die großen Gefühle nicht zu kurz und das ist der Symbiose zwischen den Musikern und den Sängern zu verdanken, die nicht nur mit schönen Stimmen und mitfühlender Seele singen, sondern auch bei dieser konzertanten Aufführung, darstellen und die Figuren sichtbar und vor allem spürbar machen.
Allen voran Nadezhda Pavlova als Violetta Valéry. Ihre Stimme hat ein dunkles, volles Timbre und doch gelingen hier die Koluraturen im „Sempre Libera“, mühelos und glockenklar. Sie benutzt Vibrato um Emotionen zu verdeutlichen, spielt verführerisch mit ihren stimmlichen Möglichkeiten und rundet ihre überragende Leistung dadurch ab, dass sie uns die Liebe, das Leid und auch das Sterben mit fühlen läss,
Airam Hernández als Alfredo steht Pavlova in nichts nach. Sein Tenor geht eher in die Spintorichtung, als rein lyrisch zu sein, verfügt über Strahlkraft und Stärke, den zarten Stellen, den Piani verleiht Hernández dadurch, dass er sie mit Kopfstimme singt, eine zarte, schöne Besonderheit. Sein Spiel ist leidenschaftlich und intensiv und man darf gespannt sein was er und auch Pavlova machen und erreichen, wenn ihnen eine wahre Bühne zur Verfügung steht. Sein „De’ miei bollenti spiriti“ wird da sicher – soweit möglich- noch mehr berühren, ebenso wie das Duett der beiden im dritten Akt: „Parigi, o Cara“
Auch Bariton Dimitris Tiliakos‘ macht bereits bei seinem ersten Auftritt, beim ersten Ton von „Madamigella Valery?“ Germonts Autorität mehr als deutlich. Man möchte sich aufrechter hinsetzen, um ja kein Missfallen zu erregen. Im Laufe seiner Szenen zeigt Tiliakos, jedoch dass er stimmlich wie auch im Spiel sämtliche Facetten von hart und unnachgiebig bis mitfühlend liebend zu bieten hat.
Doch auch der Chor und sämtliche Sänger der Nebenrollen, tragen zur der Besonderheit dieses Abends bei, der viel zu schnell beendet ist.
Doch dieses Ende befreit auch von der, schon mit dem ersten entstandenen Ganzkörpergänsehaut, die nun endlich hemmungslosen, befreienden Jubel weichen darf.
Langanhaltend und für alle Beteiligte mehr als verdient.
- Rezension der besuchten Vorstellung von Birgit Kleinfeld
- Titelfoto: LA TRAVIATA/Elbphilharmonie/ Nadezhda Pavlova © Claudia Höhne
- Homepage der Elbphilharmonie