Der 1. Oldenburger Ring feierte am 08.07.2022 mit dem Vorabend „Das Rheingold“ Premiere im Oldenburgischen Staatstheater. Nachdem es bereits seit dem Jahr 2017 einige Einzelaufführungen gab, wurde der Wunsch nach einem ganzheitlichen Ring-Zyklus immer größer. Die für 2020 geplanten Aufführen des gesamten Ring-Zyklus mussten aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen. Nun stehen die vom österreichischen Regisseur Paul Esterhazy inszenierten Stücke ganz im Mittelpunkt der diesjährigen Opernsaison. (Rezension der Vorstellung v. 8. Juli 2022)
Als eine Einführung steht „Das Rheingold“ am Anfang der Tetralogie. Das zentrale Thema des Ring-Zyklus, nämlich der Konflikt zwischen Macht und Liebe, findet hier seinen Anfang. Die Rheintöchter bewachen seit jeher das Gold in den Tiefen des Flusses. Der Nibelung Alberich (Kihun Yoon) ist auf der Suche nach Liebe, bis er erfährt dass ein aus dem Rheingold geschmiedeter Ring dem Träger grenzenlose Macht verleiht. Der Liebe abschwörend, stiehlt er das Gold und lässt sich daraus den Ring sowie einen Tarnhelm fertigen. Währenddessen verlangen die Riesen Fasolt (Sami Luttinen) und Fafner (Andreas Hörl) ihren Lohn für den Bau der Götterburg Walhall. Hierfür wurde ihnen von Wotan (Leonardo Lee) die Ehe mit Freia (Susanne Serfling) versprochen. Als sie nicht bekommen was ihnen versprochen wird, verlangen sie stattdessen als Lohn das Rheingold und entführen Freia. Mit Hilfe des listigen Loge (Matthias Wohlbrecht) kann Wotan schließlich Alberich bezwingen und ihm das Gold sowie den Ring abnehmen. Doch kampflos ergibt dieser sich nicht; er verflucht den Ring, dass er dem Träger Unglück bringe. Gegen seinen Willen, nur von der Göttin Erda (Edna Prochnik) zur Vernunft gebracht, überlässt Wotan den Riesen den Schatz und zieht mit den anderen Göttern, unter anderem Donner (Shin Yeo) und Froh (Johannes Leander Maas) in den Walhall ein.
Das von Regisseur Paul Esterhazy inszenierte „Rheingold“ in Oldenburg beginnt mit dem Symbol der Liebe. Ein leuchtendes rotes Herz ist durch wogende Nebelschwaden in der Dunkelheit zu erkennen. Doch wer hier gar verklärende Romantik vermutet liegt falsch: zu den Klängen der Vorspiels öffnet sich eine WC-Tür, dahinter verborgen der Nibelung Alberich, welcher sich vermutlich zu den Bildern der Rheintöchter selbst Freude bereitet. Dass auch Sagengestalten und Helden mit durchaus menschlichen Bedürfnissen und Problemen konfrontiert werden, wird im Oldenburger „Rheingold“ mit Liebe zum Detail und Feingefühl in Szene gesetzt.
Getragen von der großartigen Drehbühne entfaltet sich ein Spiel mit vielen fließenden Übergängen, Sinn für Komik, Realismus und durchaus neue Sichtweisen auf das Werk Richard Wagners. So segnet der in Pastorenkleidung gewandete Gott Froh (Johannes Leander Maas) die von seiner Schwester Fricka (Melanie Lang) als Schal gestrickte Regenbogenbrücke mit Weihwasser, während er „beschreitet kühn ihren schrecklosen Pfad!“ singt.
In einer eher dunkel und düster gehaltenen Umgebung, erhellt von einigen geschickt platzierten Lichtquellen bewegen sich die zahlreichen Gestalten dieser Geschichte. Besonders bleibt dabei die Szene in Mimes (Gesang: Timo Schabel; Double: Peter Brownbill) Schmiede im Gedächtnis, in der die Helmlampen der Zwerge im Zusammenspiel mit dem Oldenburgischen Staatsorchester und den Ambossen als Bühnenmusik (Schlagwerk Ossietzky) eine wunderbar mystische Atmosphäre kreieren. Kostüm und Bühne stammen von Mathis Neidhardt, der er es vor allem mit den Kostümen geschafft hat die Eigenarten der einzelnen Charaktere wunderbar herauszuarbeiten. Dies wird vor allem in kleinen Details, wie zum Beispiel Loges Spiel mit dem Feuer oder Donners aufbrausendes Spiel mit Hammer und Amboss, immer wieder sichtbar.
Mit Stolz und Freude nahmen die Musiker des Oldenburgischen Staatsorchesters sowie das Sänger- und Statistenensemble unter der musikalischen Leitung von Hendrik Vestmann den Schlussapplaus und die vielen „Bravo“-Rufe auf der Bühne entgegen. Das Spiel des Staatsorchesters wurde getragen von eben jener Spielfreude und ergänzte zu jedem Zeitpunkt perfekt die Inszenierung auf der Bühne. Dies trifft auch auf die Leistung der Sänger*innen zu, von denen sogar einige in Debüts zu sehen waren.
Als miteinander harmonierende Rheintöchter überzeugten Martyna Cymerman (Woglinde), Hanna Larissa Naujoks (Wellgunde) und Maiju Vaahtoluoto (Floßhilde). In ihrer Heimat, einer Waschküche, verführten und verletzten sie den Zwerg Alberich. Kihun Yoon gelingt es hier perfekt, sowohl gesanglich als auch schauspielerisch den von Machthunger geradezu zerfressenen Alberich zu verkörpern. Besonders die Szene, in der Alberich den Ring verflucht wird lange in Erinnerung bleiben.
Die Mitglieder der Götterfamilie, Froh und Donner, bekamen trotz des eher kleinen Gesangsanteils in der Inszenierung genug Raum, der von Johannes Leander Maas und Shin Yeo mühelos gefüllt werden konnte. Gleiches gilt für die Rolle des Mime, welche sich Timo Schabel (Gesang) und Peter Brownbill (Mime-Double) teilten. Sein großartig gelungenes Debüt als Wotan gab Leonardo Lee, besonders berührend sein „Abendlich strahlt der Sonne Auge“ im Anblick des vollendeten Walhall.
Ergänzt von seiner Frau Fricka, gesungen von Melanie Lang, die mit ihrer ausdrucksstarken Stimme der Partie eine ungeahnte Tiefe verlieh. Ihre Schwester Freia wurde gesungen von Susanne Serfling, Zurecht bejubelt wurde auch die Leistung von Sami Luttinen und Andreas Hörl, die als die Riesen Fasolt und Fafner auf extra angefertigten Prothesen stehend das Publikum mit ihrem Gesang begeisterten. Mit klarem Gesang und bemerkenswert ausdrucksstarkem Spiel wusste Matthias Wohlbrecht als Loge das Publikum zu begeistern, so dass es sich auf seinen nächsten Auftritt als Mime in „Siegfried“ freuen darf.
- Rezension von Katrin Düsterhus / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Oldenburgisches Staatstheater / Stückeseite
- Titelfoto: Oldenburgisches Staatstheater/RHEINGOLD/ Foto @ Stephan Walzl