Kammersänger Hannes Brock Foto@privat

Da kommt noch mehr! – Kammersänger Hannes Brock im Gespräch mit dem OPERNMAGAZIN

Ks. Hannes Brock /Foto privat
Ks. Hannes Brock /Foto privat

Manchmal können 90 Minuten ganz schön lang werden. Dann zieht sich die Zeit dahin wie Kaugummi. Und dann gibt es Erlebnisse, die 90 Minuten fast zeitlos wirken lassen und man am Ende bedauert, dass die Minuten verstrichen sind. Ein solches Erlebnis war das Interview mit dem Dortmunder Opernsänger Hannes Brock. Bei ihm ist es unnötig ein vorgefertigtes Gesprächsmanuskript in der Tasche zu haben. Denn diesem Mann sollte man zuhören bei dem, was er zu sagen hat. Das lohnt mehr als irgendwelche statistischen Fragen zu Stationen seiner Karriere beantwortet haben zu wollen. Kammersänger Hannes Brock im Gespräch mit dem OPERNMAGAZIN.

 

2012 bekam Hannes Brock anlässlich seiner 20jährigen Zugehörigkeit am Theater Dortmund und seinem zeitgleich anfallenden 40jährigen Bühnenjubiläum den Ehrentitel KAMMERSÄNGER verliehen. Eine ganz besondere Ehrung deutschsprachiger Theater für verdiente Künstler. Und als solcher war und ist Hannes Brock dem Dortmunder Publikum seit nunmehr fast 25 Jahren bekannt und beliebt. Während dieser Zeit hat Brock ein breites Spektrum an Rollen verkörpert, u.a. den Loge in Wagners „Rheingold“ ,den Graf Danilo in Lehars „Die lustige Witwe“ oder – seine Paraderolle – Zaza/Albin im Musical“ La cages aux folles“. Aber er nahm auch an der außergewöhnlich erfolgreichen Neuproduktion der Oper „Anna Nicole“ als Öl-Milliardär Marshall teil, oder in jüngere Zeit als wunderbarer Herodes in Webbers „Jesus Christ Superstar“ und als großartiger Diener Max in der umjubelten Dortmunder Inszenierung des ebenfalls von Webber stammenden Musicals „Sunset Boulevard“. Oder sein Monostatos in der Dortmunder Neuproduktion von Mozarts „Zauberflöte“.Und sein Gabriel von Eisenstein in der semi – konzertanten Aufführung der Strauss-Operette „Die Fledermaus“ darf natürlich auch zu den Highlights der Oper Dortmund insgesamt gezählt werden.

Am 23.4. wird Brock zudem den Tenorpart in der Dortmunder Neuinszenierung der Oper „Einstein on the Beach“ von Wilson und Glass übernehmen. „Eine zwar nicht sehr große, dafür aber ungemein konzentrationsfordernde Aufgabe, die für mich ansteht“, so Brock über die aktuellen Probenarbeiten zu dieser Aufführung.

Als Zaza in La Cage aux folles
Als Zaza in La Cage aux folles

So viele Rollen, so viele Bühnencharaktere, so viele und immer wiederkehrende Publikumserfolge kann in Dortmund derzeit wohl nur Kammersänger Hannes Brock aufweisen. Umso bedauerlicher wird es sein, wenn er mit Ablauf der Spielzeit 2017/18 und Erreichen des Pensionsalters seinen Abschied von der Opernbühne nimmt und sich dann nur noch als Privatmensch der Kunst und der Musik widmet. Geplant sind natürlich weiterhin Auftritte mit seiner Band oder die eine oder andere von ihm moderierte Gala. Den Bühnenalltag mit seinen vielen Verpflichtungen, wie Proben, Premieren, den vielen Auftritten und der damit verbundenen Öffentlichkeitsarbeit, lässt Hannes Brock dann vermutlich hinter sich.  „Aber man weiß ja nie, was noch kommt, ich bin da offen„. fügt der Künstler dann doch lachend hinzu.

 In Stuttgart geboren trat Brock nach seinem Gesangsstudium in Berlin (1972 – 1980) sein erstes Engagement in Hagen an, wo er sich ein breites Repertoire erarbeitete. Aus dieser Zeit berichtet Hannes Brock anschaulich und höchst unterhaltsam. Er berichtet wie wichtig diese Zeit für ihn und seine Karriere war und wie viel er in diesen Jahren lernen und erfahren durfte. Ganz besonders denkt er dabei an seine damalige Gesangslehrerin Frau Professor Becker-Brill aus Wuppertal, die ihm als kluge und äußerst kenntnisreiche Lehrerin in Erinnerung ist.

Als Sohn von Künstlern, Mutter und Vater waren beide Schauspieler, war er schon früh mit der Theaterwelt und Theaterluft vertraut. Sein Vater war zudem 13 Jahre lang Generalintendant des Theaters Osnabrück. Hannes Brock bezeichnet seine Jugendzeit als eine ihn sehr prägende. Kunst allen Orten. So ist es kein Wunder dass der Abiturient Hannes seine Reifeprüfung mit einer Abhandlung über Berthold Brechts „Mutter Courage“ ablegte. Durch den zweiten Ehemann seiner Mutter, der als Kritiker tätig war, kam Hannes Brock schon frühzeitig mit den großen Opernereignissen der damaligen Zeit in Berührung. So berichtet er über seinen ersten „Il Trovatore“ („Der Troubadour“) von Verdi  in Salzburg von 1962: „Dieser Troubadour hat mich für alle folgenden Troubadoure verdorben. Wie konnte ich nach der Besetzung Franco Corelli, Leontyne Price und Dirigent Herbert von Karajan jemals hoffen, dass dieses Verdische Opernerlebnis noch zu toppen sei?“ Da hat er vermutlich gar nicht mal so unrecht. Noch heute gilt diese Besetzung und Konstellation des 1962-iger Salzburger Troubadour als maßgebend und vielen Opernfans gar als unerreicht.

Loge in Rheingold , Wolfgang Koch als Wotan, Dortmund 2005, Foto ,© Thomas M.Jauk/Stage Picture
Loge in Rheingold, Wolfgang Koch als Wotan, Dortmund 2005, Foto ,© Thomas M.Jauk/Stage Picture

Und so sind es gerade die Anekdoten über große Namen der Opernszene, die der erfahrene Sänger zum Besten gibt und die er in den vielen Jahren seiner beruflichen Tätigkeit als Kollege und Opernbesucher erleben durfte. Gefragt, wer für den Tenor Brock als Vorbild gelten darf, nennt er im besonderen zwei Sängerkollegen. Zum einen Nicolai Gedda, den er für seine hervorragende Technik verehrt und Jussi Björling für die Klangschönheit seiner Stimme, auch und gerade im italienischen Fach. Die Ästhetik des Gesangs, die diesen beiden Größen der Opernkunst gemein ist, darf auch durchaus auf Kammersänger Hannes Brock bezogen werden. Auch er ist ein immer präziser, bestens vorbereiteter Sänger und dazu mit einer ihm eigenen ungeheuer präsenten Bühnenausstrahlung versehen. Und er weiss seine Stimme in jeder seiner Rollen so einzusetzen, dass er maximale Wirkung erzielt. Besonders denke ich dabei an seinen Milliardär Mashall oder an seinen famosen Diener Max in „Sunset Boulevard“. Zwei stimmlich nicht zu unterschätzende Partien, die Brock nicht nur gesanglich, sondern auch wie stets bei ihm, so ungemein textverständlich und auf so eigene, ja unverwechselbare Art, interpretierte. Natürlich ist dies auch der großen künstlerischen Erfahrung und Routine geschuldet, über die ein Hannes Brock nun mal verfügt. Lampenfieber kennt er nicht mehr. Außer, wie er erzählt, wenn er Galas moderiert und als Conferencier hofft, dass der Eingangsgag sitzt und er das Publikum schnell für sich gewinnen kann. Diese Sorge ist und war bisher allerdings unbegründet.

Auf die Frage ob es für ihn Unterschiede hinsichtlich sogenannter U- und E-Musik gäbe, antwortet Kammersänger Brock: „Nein. Ich singe das, was ich mit meiner Technik sängerisch umsetzen kann.Es ist eine Frage des musikalischen Stils.Und das ist oftmals auch im scheinbar leichten Fach wie Operette und Musical der Fall. In unzähligen Rollen gerade dieses Genre feierte Kammersänger Brock große persönliche Erfolge. So kommt es auch nicht von ungefähr, dass Hannes Brock 1994 eine CD mit amerikanischen Songs unter dem Titel „Meine Lieblings-Songs“ aufgenommen hat. Übrigens war dies auch sein erstes Konzert live mit Band. Das ganze fand anlässlich einer USA-Ausstellung im Hardenberg-Gebäude in Dortmund statt. „Ich wusste gar nicht mehr, dass es diese CD noch im Handel gibt?“, sagt er amüsiert, und weiter: „Zwei Mal in meiner Karriere litt ich an entzündeten Stimmbändern. Das eine Mal ausgerechnet zur Aufzeichnung dieser CD. Und es wurde damals alles Live aufgenommen. Wir haben es aber hinbekommen und konnten alle Titel einspielen“.

Oper Dortmund_ANNA NICOLE_Ks Hannes Brock_Emily Newton_Foto Thomas Jauk
Oper Dortmund ANNA NICOLE /Ks Hannes Brock u. Emily Newton /Foto Thomas Jauk

Jemandem, der so lange auf der Bühne tätig war unterstellt man schon, dass ihm der Abschied von ihr schwer fällt.“Nein, im Gegenteil! Ich werde einen unruhigen Ruhestand haben. Alles in Maaßen.“ Wir unterhalten uns in diesem Zusammenhang auch über ältere Opernstars, die offensichtlich damit ganz anders umgehen und gar nicht aufhören können mit dem öffentlichen Singen. Woran das wohl liegt, frage ich Hannes Brock. „Meiner Meinung nach haben diese Sängerinnen und Sänger einfach Angst vorm Sterben, Angst vorm Tod. Immer in der unbegründeten Sorge, dass mit dem Ende der Opernkarriere auch das Ende des eigenen Lebens verbunden wäre“. Ich finde, dass der Berufs- und Lebenserfahrene Künstler da richtig liegt. Denn gerade die erfolgsverwöhnten internationalen Opernstars, welche Jahrzehntelang im Erfolg und Ruhm förmlich baden konnten, finanziell ausgesorgt haben, fallen in ein tiefes Loch, sollte diese große Aufmerksamkeit an Ihrer Person plötzlich wegfallen. Sie wollen daher diesen Erfolgszustand irgendwie konservieren. Und daher singen sie immer weiter. Und manchmal werden sie zur eigenen Karikatur. Und auch, weil sich wohl niemand in ihrer direkten Umgebung sich traut, es ihnen zu sagen.

Kammersänger Hannes Brock
Kammersänger Hannes Brock

Früher war alles besser“. Diesen Satz hört man gerade heutzutage wieder öfter. Es liegt natürlich nahe, einen Künstler wie Ks. Hannes Brock, mit seinen vielen Jahren Erfahrung, nach seiner persönlichen Meinung dazu zu befragen. „Am Theater war früher in der Tat einiges besser. Wir hatten damals nicht diesen großen wirtschaftlichen Druck. Oftmals waren die einzelnen Partien mehrfach besetzt und die Probenzeiten waren großzügiger gestaltet. Leider sind die finanziellen Zwänge in den vergangenen Jahren immer größer geworden, die auch dazu geführt haben, dass die Ensembles immer kleiner werden.“ Brock, von dessen großer Erfahrung ganz sicher viele seiner Kolleginnen und Kollegen gern und dankend partizipieren, weiss natürlich, von was er spricht. Mehrere GMD und Intendanten hat er in seiner Dortmunder Zeit kennen- und schätzen gelernt. Und natürlich sehr viele Sängerkolleginnen und Kollegen, die in den nunmehr bald 25 Jahren seiner Zugehörigkeit zum Theater Dortmund dieses Haus durchlaufen haben. Für manche von ihnen war die Oper Dortmund auch das Sprungbrett zu einer Weltkarriere. In all diesen Jahren hielt und hält Hannes Brock dem Dortmunder Theater die Treue. Sehr zur Freude seiner vielen Fans in Dortmund und weit darüber hinaus.

Oper ist das künstlichste was es überhaupt gibt“, sagt mir Brock in unserem Gespräch. Und erklärt damit in einem Satz wie bereichernd doch gerade diese Kunst ist. Oper, diese wunderbare Verbindung aus Musik und Schauspiel. Die so künstlich daherkommt weil sie eben voller Kunst ist. Kunst braucht die Künstler. Denn ohne sie könnten wir die Kunst nicht genießen, nicht erleben und nicht von ihr lernen und auch Lehren aus ihr ziehen. Einer der Künstler, der dies auf besondere Weise kann und auch aus sich heraus lebt, war mein Gesprächspartner.

Vielen Dank Kammersänger Hannes Brock für dieses Gespräch und diese Begegnung.

 

© 04/2017 DAS OPERNMAGAZIN / DETLEF OBENS

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*FOTOGALERIE KS. HANNES BROCK

 

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