„Und am Ende kriegen sie sich doch“ – Erfolgreiche Premiere der „Gräfin Mariza“ in Dortmund

Theater Dortmund/GRÄFIN MARIZA/Fritz Steinbacher , Tanja Christine Kuhn , Morgan Moody, Opernchor Theater Dortmund/Foto
@ Anke Sundermeier

Wie so oft in den bekannten und beliebten Operetten brauchen die beiden Verliebten immer eine Zeit der Irrungen und Wirrungen, bis sie sich am Ende zumeist voller Walzerseligkeit in die Arme fallen. So denn auch in Emmerich Kálmáns GRÄFIN MARIZA, nach seiner Csárdásfürstin der zweite große Erfolg für den aus Siófok stammenden ungarischen Komponisten. Die 1924 am Theater an der Wien uraufgeführte Operette, die bis zum heutigen Tage nichts von ihrem Reiz und ihrer Beliebtheit verloren hat und ihren festen Platz im Operettenrepertoire stets behaupten konnte. Im Theater Dortmund gab es am gestrigen Tag die Premiere einer Neuinszenierung der MARIZA des in Dortmund seit Jahren wohlbekannten österreichischen Regisseurs Thomas Enzinger. Auch diesmal durfte sich Enzinger auf ein spielfreudiges Ensemble am Theater Dortmund verlassen, welches die nicht ganz unkomplizierte Liebesgeschichte der kapriziösen Gräfin Mariza und ihrem verarmten Grafen Tassilo einem begeisterten Premierenpublikum in allerbester Operettenmanier erzählte. (Rezension der Premiere vom 03.12.2022)

 

Die Geschichte ist schnell erzählt: Die ungarische Gräfin Mariza misstraut den Männern um sie herum und täuscht der adeligen Gesellschaft eine Verlobung mit einem Baron Kolomán Zsupán vor. Diese soll auf ihrem Landgut stattfinden. Auf dem ist seit kurzem ein neuer Verwalter angestellt. Er nennt sich Bela Török, ist aber in Wahrheit der unschuldig verarmte Graf Tassilo von Endrödy-Wittemburg, der dort seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf. Tassilo soll als Gutsverwalter die angebliche Verlobung mit dem fiktiven Baron ausrichten und verliebt sich dabei in seine Chefin, die Gräfin. Diese wiederum hegt auch schnell Gefühle für ihren Verwalter, von dem sie aber annimmt, er sei nicht von Adel. Denn mit den adeligen Heiratsbewerbern hat sie so ihre Erfahrung machen müssen. Alle wollen letztlich nur ihr Geld. Zwar muss sie im Laufe der nächsten Wochen erkennen, dass auch Graf Tassilo nicht ganz offen zu ihr wahr, aber was wäre eine Operette ohne ihre vielen Verwicklungen, Verwechslungen und ohne ihr Happy-End. Und das gibts natürlich auch für Mariza und ihren Tassilo.  Und das auf schönste musikalische Weise: „Sag ja, die Stunde des Glücks ist da, o mein Lieb, sag ja, sag ja!

 

Mit kindlichem Blick auf das allzu Menschliche

Theater Dortmund/GRÄFIN MARIZA/Tanja Christine Kuhn. Foto @ Anke Sundermeier

Thomas Enzinger, der bereits in Dortmund einige erfolgreiche Operetteninszenierungen auf die Bühne brachte, u.a. Roxy und ihr WunderteamDie Blume von Hawaii , Das Land des Lächelns oder auch  Das weisse Rössl , blieb sich auch mit der GRÄFIN MARIZA seinem erfolgreichen Konzept treu. Wie in seinen bisherigen Dortmunder Produktionen findet er auch hier die passende Operetten-Mixtur aus leidenschaftlichen Gefühlen, Witz, Slapstick mit durchaus einigem Tiefsinn und Fingerzeige auf die ach so edle Gesellschaft und verpackt alles (zusammen mit seinem Bühnen- und Kostümbildner Toto) in eine munter-lebhafte und optisch ansprechende Inszenierung. Dabei spart er das für diese bekannte Operette so typisch ungarische Lokalkolorit und Lebensgefühl nicht aus. Ganz im Gegenteil, denn davon ist vom ersten Moment an viel zu spüren. Für sein Regiekonzept zur Dortmunder MARIZA wählt Enzinger eine Rahmenhandlung, in welcher die Geschichte der Gräfin Mariza von einem Mädchen (souverän gespielt von Liselotte Thiele) aus Kindersicht erzählt wird. Thomas Enzinger findet die Handlung dieser Operette in vielen Bereichen im positiven Sinne naiv, wie er im Programmheft zur Inszenierung zitiert wird. Und wer könne dann besser die entsprechenden Fragen zu den vermeintlichen Problemen der Erwachsenen stellen als ein Kind? Das dann die Szene von Graf Tassilo und seiner Schwester Lisa, in denen sie sich an ihre Kindheit erinnern, so märchenhaft vom Bühnen- und Kostümbildner Toto gestaltet wird, ist letztlich auch mit dieser besonderen Erzählweise dieser Dortmunder MARIZA begründet. Und weniger märchenhaft, vielmehr opulent und spektakulär dann die großen Szenen der Operette.

Insbesondere das Tanzfest im 2. Akt gelingt Enzinger auf begeisternde Weise. Und um ihn wieder zu zitieren: „Wie jede Operette ist GRÄFIN MARIZA natürlich auch Revue und Show.“ Und da bietet der Regisseur stets das volle Programm. Denn dann schöpft er aus dem künstlerisch Vollen, dass ihm ein Ensemble wie das des Dortmunder Opernhauses, bietet. Und die Publikumsreaktion gibt ihm recht. Immer wieder gab es Szenenapplaus und am Ende den verdienten Jubel eines begeisterten Publikums, dessen Erwartungen Enzinger – man muss es so sagen, wieder einmal – voll erfüllt hat.

 

Und am Ende kriegen sie sich doch…

Theater Dortmund/GRÄFIN MARIZA/Tanja Christine Kuhn, Alexander Geller, Ensemble/Foto
@ Anke Sundermeier

Eine erfolgreiche Operettenaufführung lebt von ihren Sängerinnen und Sängern, ihren Darstellerinnen und Darstellern, Dirigentin oder Dirigent, den Musikerinnen und Musikern des Orchesters, den Tänzerinnen und Tänzern und vom Chor und der Statisterie. In Dortmund ist es wieder einmal gelungen mit einer insgesamt beeindruckenden Ensembleleistung – von der Hauptpartie bis zu den Statisten – das Premierenpublikum zu begeistern.

Die Launenhaftigkeit, das mitunter oberflächliche, aber vor allem auch sentimental-nachdenkliche Naturell einer Gräfin Mariza wurde von Tanja Christine Kuhn sehr glaubhaft und überzeugend dargestellt. Sie stellte eine junge, modern und emanzipiert wirkende, millionenschwere Adelige dar, die sich ihren Reizen auf das männliche Geschlecht durchaus stets bewusst war, die aber dann, wenn es die Situation erforderlich machte, auch mal die mondäne und zickige Gräfin raushängen lassen konnte. Das ihr diese Rolle sehr gefiel, war deutlich zu spüren. Frau Kuhn, seit dieser Saison festes Mitglied des Dortmunder Opernensembles, setzte aber auch gesanglich Glanzpunkte dieser Aufführung. Mit höhensicherem und in den Ensembles durchsetzungskräftigen Sopran bot sie eine Mariza, die das Premierenpublikum begeisterte. Nach ihrer Pamina in der diesjährigen ZAUBERFLÖTE der zweite große Erfolg der vielseitigen Sopranistin am Opernhaus Dortmund.

Als zunächst unglücklichen Graf Tassilo, der aber am Ende über alle gesellschaftlichen Zwänge triumphiert, war Alexander Geller zu erleben. Der gebürtige Hagener Tenor überzeugte auf gesamter Linie. Gesanglich wie darstellerisch. Gerade in den sentimentalen und sehr populären Stücken, die Kálmán seinem Tassilo komponiert hatte, spielte Geller seine große Operettenerfahrung zur Freude des Publikums aus. Allzu verständlich, dass sich Mariza in diesen Tassilo verlieben musste! Kurzum: ein Tassilo, wie aus dem Operetten-Bilderbuch. Das sahen die Zuschauer der Premiere auch so. Auch für Alexander Geller hochverdienten Applaus.

Fritz Steinbacher und Morgan Moody waren Baron Kolomán Zsupán und Fürst Moritz Dragomir Populescu. Die komödiantisch angelegten Partien waren beim Tenor Steinbacher und beim Bass-Bariton Moody in allerbesten Händen. Steinbachers gekonnter ungarischer Dialekt – natürlich in sympathischer Operettenmanier ein wenig übertrieben – kam besonders beim Publikum an. Als Tassilos Schwester Luisa wusste Soyoon Lee mit hellem Sopran nicht nur den Baron Koloman zu becircen, auch beim Publikum kam ihre Rolleninterpretation sehr an.

Für den erforderlichen Slapstick waren dann zwei erfahrene Künstler des Hauses zuständig. Die stets wunderbare Sängerdarstellerin Johanna Schoppa als for-ever-young-Lady Fürstin Božena Guddenstein zu Clumetz und ihr Kammerdiener Penižek, souverän und herrlich komisch gespielt von Ks. Hannes Brock. Diesen beiden Vollblutkomödianten sollte mal ein eigener Abend gewidmet werden.

Als Tschekko spielte Christian Pienaar einen hingebungsvollen Diener der Gräfin, immer besorgt um seine Zimmerpflanze, die leider das Stück dank des Barons nicht überlebte. Manja, die Seherin, ausdrucksvoll gesungen von der französischen Sopranistin Margot Genet, rundete das Ensemble ab.

Die wichtige solistische Partie des Geigers wurde von Wojciech Wieczorek mit viel Gefühl für die ungarische Musikseele übernommen.

Der Opernchor des Theater Dortmund unter Leitung seines Chordirektors Fabio Mancini wie stets souverän im Spiel und Gesang und wichtiger Bestandteil dieser Inszenierung ebenso wie die Statisterie des Theater Dortmund.

Besonderes Lob an die Tänzerinnen und Tänzer des Ballett Dortmund, (Choreografie: Evamaria Mayer) die vom Regisseur besonders bedacht wurden. Dies sogar mit einer extra Einlage während des Festes des Gräfin, einem Charleston-Stück aus Kalmans Operette „Die Herzogin von Chicago„, in dem sie ihr Können dem Publikum besonders unter Beweis stellen konnten. Für die gesamte tänzerische Leistung gab es großen herzlichen Applaus für Janina ClarkMarlou DüsterNathalie GehrmannHelena Sturm, Stephen DoleIván KeimMax Luca Maus, und Christian Meusel, sowie Elisa Fuganti Pedoni und James Atkins als „Swings“.

Die musikalische Leitung hatte Olivia Lee-Gundermann. Die zweite Kapellmeisterin der Dortmunder Philharmoniker dirigierte eine schmissige und temperamentvolle GRÄFIN MARIZA, aber auch mit Gefühl an den von Kálmán dafür vorgesehenen musikalischen Momenten. Viel Applaus für die Dirigentin und die Dortmunder Philharmoniker.

 

Am Ende dieser Rezension noch ein Hinweis ohne weitere Kommentierung: Das wohl bekannteste Stück dieser Operette ist Tassilos „Komm Zigány, spiel mir was vor…„. So der Text des Originals. In Dortmund hat man sich dazu entschieden, die Bezeichnung „Zigány“ durch ein anderes Wort zu ersetzen, um, wie im Programmheft steht „…für eine Welt ohne Ausgrenzung zu plädieren – Sprache ist die essenzielle Grundlage für einen respektvollen Umgang miteinander…. – Textauszug des Programmhefttextes von Daniel Andrés Eberhard, Dramaturg, Theater Dortmund). Das ersatzweise eingesetzte Wort ist mir leider nicht mehr erinnerlich.

 

  • Rezension von Detlef Obens / DAS OPERNMAGAZIN
  • Theater Dortmund / Stückeseite
  • Titelfoto: Theater Dortmund/GRÄFIN MARIZA/Tanja Christine Kuhn, Foto @ Anke Sundermeier
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