1:0 für die Oper Dortmund: Premiere der Paul Abraham-Operette „Roxy und ihr Wunderteam“

Emily Newton und Lucian Krasznec / Foto: Björn Hickmann / Stage Picture
Emily Newton und Lucian Krasznec / Foto: Björn Hickmann / Stage Picture

Das Fazit mal ganz am Anfang dieser Kritik: Mit der Deutschen Erstaufführung der wunderbar von Henning Hagedorn und Matthias Grimminger rekonstruierten Fassung der Paul Abraham-Operette „Roxy und ihr Wunderteam“ ist dem Dortmunder Theater ein hochverdienter Sieg auf ganzer Linie gelungen! Unter der Intendanz von Musiktheaterchef Jens Daniel Herzog reiht sich augenscheinlich ein Erfolg  dem nächsten an.  Dies auch jetzt mit der – bisher – weitgehend unbekannten Operette aus dem Jahre 1936. Paul Abrahams „Roxy und ihr Wunderteam“ wurde am gestrigen Premierenabend begeistert vom Publikum aufgenommen. (Rezension der Premiere vom am 29.11.2014)

 

 

Regie und Choreographie

Emily Newton und Lucian Krasznec / Foto: Björn Hickmann / Stage Picture
Emily Newton und Lucian Krasznec / Foto: Björn Hickmann / Stage Picture

Die Geschichte der jungen schottischen Roxy, die vom Onkel und Vormund Sam Chaswick an den Kleinunternehmer Bobby verheiratet werden soll, aber vorm Traualtar in Kleid und Schleier das Weite in Ungarn sucht und die Liebe beim Mannschaftskapitän Gjurka vom dortigen Fußballteam  findet, ist ein äußerst unterhaltsamer Spaß mit vielen Verwechslungen, Wendungen, Sexappeal und vor allem: großem Happy-End für alle. Dazu eine Musik die swingt, die jazzt, die berührt, sogar dem ungarischen Czardas huldigt, die einfach mitreißt. Zu Beginn steht ein altes, greisenhaftes Fußballerteam auf der Bühne, dass an vergangene erfolgreiche Zeiten erinnert. An die Zeit, als eine Roxy aus Schottland einer zwar jungen, aber erfolglosen Mannschaft neues Leben und Erfolg einhauchte. Die Operette beginnt.

Der renommierte Wiener Operettenregisseur Thomas Enziger verpackte die Geschichte von Roxy und ihrem Fußball-Wunderteam in eine lebendige, erfrischende, sexy und bisweilen sehr komische, – in bestem Sinne -, Inszenierung.  Ihm gelang damit einer der wünschenswerten Ziele einer Regie: den Spaß und die Freude, die ein ganzes Ensemble an einer Inszenierung selbst verspürt, an das Publikum weiterzugeben. Und das war in der gestrigen „Roxy“-Premiere der Fall. Das Konzept ging voll auf. Das Publikum amüsierte sich prächtig.

Emily Newton (Roxy) und ihr Wunderteam ©Thomas Jauk / Stage Picture
Emily Newton (Roxy) und ihr Wunderteam
©Thomas Jauk / Stage Picture

Die kongeniale Zusammenarbeit mit seinem Bühnen,- und Kostümbildner Toto tat ihr übriges dazu. Toto nutze die große Bühne der Dortmunder Oper voll aus. Ein großes, dreh- und veränderbares Bühnenmittelteil wurde zum spielerischen Zentrum der Geschichte um Liebe und Fußball und zwischenmenschlichen  Affären und Verwicklungen. Ähnlich, wie bei den Dortmunder Aufführungen der Oper „Anna Nicole„, gab es auch hier eine Art Catwalk über dem Orchestergraben, der geschickt in die Inszenierung eingebunden wurde, auch,  um stellenweise eine besondere und sympathische Nähe zum Publikum herzustellen. Die Kostüme, Frisuren, die Trikots der Fußballer und die modischen Accessoires der Darstellerinnen und Darsteller waren der Mode der 1930-er Jahre adäquat angepasst.

Neben der Musik ist der Tanz die zweite große Säule einer Operette der 1930-/1940-er Jahre. Hier zeigte das Theater Dortmund mit der Verpflichtung des Choreographen Ramesh Nair ebenfalls, wie im Falle der Regie, eine überaus glückliche Hand. Statisten, Chor und das gesamte Bühnenensemble setzten seine choreographischen Vorgaben und Einfälle glänzend und be-swingt, bisweilen mitreißend steppend, um.  Er erschuf Tanzszenen, die an die große Epoche der alten Hollywood-MGM-Filmzeiten erinnerte. Ganz sicher ist der junge Choreograph maßgeblich mit am großen gestrigen Erfolg der „Roxy-Premiere“ beteiligt.

 

Das musikalische Ensemble

„Roxy und ihr Wunderteam“ ist eine Liebesgeschichte voller Verwirrungen, Verdrehungen und Wendungen hin zu einem schwungvollen Happy-End. Natürlich bekommt Roxy am Ende ihren störrischen Gjurka, der eigentlich nur Sport, Training und Leistung im Kopf haben soll. Hier kann Dortmund mit zwei Sängerdarstellern der Spitzenklasse aufwarten.

Emily Newton (Roxy), Lucian Krasznec (Gjurka) ©Thomas Jauk / Stage Picture
Emily Newton (Roxy), Lucian Krasznec (Gjurka)
©Thomas Jauk / Stage Picture

Emily Newton singt und spielt die exzentrisch-sympathische  Roxy derart überzeugend, dass man meinen könnte, diese Rolle wäre ihr auf den Leib geschrieben worden. Für einen Regisseur kann es nur ein Glücksfall sein, mit dieser begabten jungen Texanerin zusammen arbeiten zu dürfen. Vergleichbar mit ihrer sensationellen „Anna Nicole“ aus dem Vorjahr ist sie auch hier wieder der strahlende Mittelpunkt einer Inszenierung, um den sich alles dreht. Schauspielerisch, tanzend, steppend und natürlich sängerisch auf absolutem Starniveau hat sie das Premierenpublikum im Handumdrehen gewinnen können. Das Intendant Herzog diese außergewöhnliche und vielseitige Künstlerin ab dieser Saison vertraglich an das Dortmunder Haus binden konnte sei hier ausdrücklich anerkennend und erfreut erwähnt.

Der Dortmunder Tenor Lucian Krasznec als Gjurka war rundum eine Idealbesetzung!  Zu Recht ist er einer der Publikumslieblinge der Oper Dortmund. Wie er den naiven, in Liebesdingen völlig überforderten Fußballer Gjurka darstellte, war begeisternd.  Mit großer Spielfreude und viel komischem Talent wußte er das Premienpublikum restlos zu überzeugen. Großartig auch seine gesangliche Interpretation in dieser Partie. Hier sei besonders auf das „Balaton-Duett“ mit Emily Newton hingewiesen, welches er mit sehr angenehmen und warmen Tenor gesungen hat. Starke Leistung des jungen Dortmunder Tenors!

Ks Hannes Brock (Sam Cheswick), Fritz Steinbacher (Bobby) ©Thomas Jauk / Stage Picture
Ks Hannes Brock (Sam Cheswick), Fritz Steinbacher (Bobby)©Thomas Jauk / Stage Picture

Mit Kammersänger Hannes Brock verfügt Dortmund über einen Sam Cheswick par excellence.  Wie er den schrulligen und geizigen Schotten spielt und singt war mal wieder eine Sternstunde der Oper Dortmund. Hannes Brock, mittlerweile eine feste Größe des Hauses, konnte wieder einmal mehr aus seinem großen künstlerischen Reservoir schöpfen und begeistern. Ein eigens für ihn getextetes Couplet (Text; Dramaturgin Wiebke Hetmanek) mit witzig-ironischen Anspielungen auf Aktuelles ( wie u.a. dem derzeitigen Stand des BVB) wurde zu einem der Highlights der Aufführung.

Den dauerverlassenen Bräutigam „Bobby“ gab Fritz Steinbacher mit großem Einsatz. Es bereitete ihm sichtlich Spaß der Rolle des leicht trotteligen Bobbys Gesang und Darstellung zu verleihen. Das kam beim Publikum bestens an.

Johanna Schoppe als Aranka von Tötössy und Leiterin eines Mädchenpensionats, sowie Jens Janke als Torwart der Fußballelf gaben ihren jeweiligen Rollen großes komödiantisch-operettenhaftes Profil und fügten sich nahtlos in diese spritzige Inszenierung ein. Frank Voß als Reporter und österreichischer Zöllner, Thomas Günzler als Verwalter und Pfarrer, sowie Tina Podstawa als Pensionatsschülerin Ilka rundeten das durchweg bestens disponierte Solistenensemble ab.

Die Pensionatsschülerinnen und das Wunderteam ©Thomas Jauk / Stage Picture
Die Pensionatsschülerinnen und das Wunderteam/©Thomas Jauk / Stage Picture

Glänzend die Darsteller-/Innen des Wunderteams und der Pensionatsschülerinnen. Daher völlig verdient, hier alle Künstlerinnen und Künstler namentlich zu nennen: Yael de Vries, Veronika Enders, Maren Kristin Kern, Johanna Mucha, Nicole Eckenigk als Schülerinnen und Mario Ahlborn, Christian Pienaar, Min Lee, Rupert Preißler, Robert Schmelcher, Nico Schweers, Ian Sidden, Nico Stank und Frank Wöhrmann als Fußballteam.

Der Dortmunder Opernchor wurde wieder einmal mehr bestens einstudiert vom demnächst scheidenden Chordirektor Granville Walker. Die Dortmunder Philharmoniker, diesmal auf swingendem und jazzigen musikalischem Terrain groß aufspielend, unter der souveränen musikalischen Leitung des Abends, dem Dortmunder Kapellmeister Philipp Armbruster.

Am Ende großen, langanhaltenden Applaus und viele „Bravos“ für das gesamte Operettenensemble, Regie, Chor, Orchester und Dirigent.

Intendant Herzog sprach bei der anschliessenden Premierenfeier zu Recht davon, dass dieser erfolgreiche Abend auch, und vor allem, jemanden gilt, der dies alles nicht mehr erleben durfte. Der Komponist Paul Abraham, Anfang der 1930-er Jahre ein überaus erfolgreicher Musiker in Berlin, musste 1933 Berlin nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Berlin verlassen um in Ungarn Zuflucht zu finden. Dort entstand auch die Operette „Roxy und ihr Wunderteam“. Der jüdische Komponist floh 1940 aus Europa in die USA. Freunde holten ihn, mittlerweile schwer erkrankt, 1956 nach Deutschland zurück, wo er 1960 in Hamburg verstarb. Seine Musik aber lebt weiter. Dortmund hat seinen Teil dazu beigetragen.

 

 

 

 

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