STRANDRECHT, das Musiktheater nach Ethel Smyth, hatte am 6.12.19 im Hamburger Lichthof Theater seine Premiere. Kerstin Steeb (Künstlerische Projektleitung und Regie) und ihr Team entwickeln mit STRANDRECHT eine zeitlose, feministische Vision über Seenotrettung und zivilen Ungehorsam und bringen die bedeutendste Oper der bis heute verkannten Komponistin und Suffragette ETHEL SMYTH auf die Bühne. Klassischer Gesang in Verbindung mit elektronischen Sounds und neuen Textfragmenten. (Premierenbericht vom 6. Dezember 2019)
„Die für Frauen wahrscheinlich am schwersten zugängliche Welt ist die der Künste, da es in ihr keine Regeln gibt, nur Chancen, die erhalten oder vorenthalten werden.“ (Ethel Smyth)
Obwohl die Oper The Wreckers (dt: Die Strandräuber) von Ethel Smyth im Jahr 1906 in Leipzig uraufgeführt wurde, ist die britische Komponistin und Frauenrechtlerin hierzulande kaum bekannt. Ihre an der Küste von Cornwall situierte Oper thematisiert eine gefährdete Liebschaft vor dem Hintergrund eines von Piraterie und Schiffsplünderungen korrumpierten Gemeinwesens. Die Hamburger Regisseurin Kerstin Steeb und ihr Team wagen im LICHTHOF Theater eine Neuinszenierung des Stücks, in dessen Zentrum sie die Frage nach Seenotrettung und zivilem Ungehorsam stellen. (Text: Freies Musiktheater Hamburg )
Handlung
Das Leuchtturmfeuer ist aus, erloschen durch Menschenhand. Die Strandpiraten warten auf strandende Schiffe um ihnen die Ladung zu entreissen und davon zu leben. Was verkauft werden kann geht weg, wer gerettet werden kann, hat Glück. Aber das Strandgut gehört nun mal dem Finder!
Irgendwann widersetzt sich jemand aus der Gruppe diesem Treiben, sieht das Falsche darin und möchte sich lösen, zündet heimlich das Feuer wieder an, die Schiffe sind auf einem sicheren Weg. Aber die Gruppe besteht -auch mit Druck- auf Einigkeit im Handeln. Es kommt zur Eskalation, jeder gegen jeden, Diffamierungen, fast schon Gewalt wird eingesetzt… Aber Thirza gesteht: Ich war es! Und ich würde es wieder tun! Zusammen mit Marc auf ihrer Seite beendet sie das böse Spiel und beide gehen ins Wasser….
Regie und musikalische Umsetzung
Die Komponistin und Medienkünstlerin Dong Zhou hat ihre Klangwelt auf den Theaterproben entwickelt, indem sie reale Geräusche, die auf der Bühne während der Proben entstanden sind, zum Ausgangspunkt ihrer Komposition gemacht hat. Neben der Arbeit mit den Gesangsstimmen hat sie Sprechpassagen sowie szenische Elemente in das Stück integriert. Mit Hanne Franzen, der Musikalischen Leiterin der Produktion, wurden genau die Passagen im Stück definiert, in der die Musik von Ethel Smyth gestrichen und stattdessen die elektronische Musik erklingen soll.
Hier wurde von Kerstin Steeb und ihrem Team eine zeitlose Vision über Ungehorsam sowie Seenotrettung erarbeitet. Mit klassischem Gesang und elektronischen Klängen genau wie durch Gespräche entstand hier eine andere Welt in kleiner minimalistischer Kulisse mit viel Phantasie, auch von den Zuschauern gefordert und gegeben.
Hanne Franzen begleitete die Premierenaufführung den Abend über sehr intensiv und nuanciert am Klavier. Auch sie mit einer vielbeachteten Ausbildung und Engagement in der Jugendorchesterarbeit.
Wenn auch die gesamte Erstellung, Bearbeitung des -bis heute- selten gespielten Stückes in Frauenhänden lag: Künstlerische Projektleitung und Regie Kerstin Steeb, Regieassistenz Sonja Geiger, Texte Ivana Sokola, Dramaturgische Beratung Pamela Goroncy sowie wissenschaftliche Begleitung durch Dr. Cornelia Bartsch und Prof. Kathrin Prick, Ausstattung. Bühne und Kostüme Martina Mahlknecht, auf der Bühne wurden Licht und Technik (Sönke Christian Herm), Videodokumentation (Martin Prinoth) und Fotografie (Fabian Sommer und Fabian Hammerl) von kompetenten Männern gestaltet.
Die Sänger-/innen auf der Bühne:
Ferdinand Keller (Marc) Tenor
Mit einer langjährigen fundierten Ausbildung gestaltet er seine Rolle im Gesang sowie mit Sprache, Ausdruck und Mimik sehr echt und authentisch. Für die Zuschauer sehr nah und einbeziehend, erlebt er sein Schicksal im überzeugenden Spiel auf der Bühne.
Isabel Reinhard (Avis) Sopran
Die meist als Solistin im Bereich Oper und Musiktheater tätige Sängerin, bot eine höchst eindrucksvolle Leistung! Sie gestaltete ihre Bühnenrolle sehr intensiv, „erlebte“ förmlich das Geschehen und zeigte Gefühle bis hin zur Schlußszene.
Lisa Florentine Schmalz (Thirza) Sopran
Als klassische Sängerin, auch im Musiktheater mit klarer Stimme im Sopran, war die Thirza absolut präsent und sehr temperamentvoll gespielt, man konnte sich ihr nicht entziehen – eine reife Leistung auf diesen Brettern!
Mathias Tönges (Pasko) Bass-Bariton
Der eine bereits eindrucksvolle Karriere und viele namhafte Rollen gestaltet und auch hier eine sehr gute und überzeugende Leistung geboten hat. Sein Bass-Bariton im Gesang und Sprache war klar und deutlich, angenehm und volltönend. Gestik, Mimik absolut überzeugend!
„STRANDRECHT“ ist ein altes Thema und doch immer wieder aktuell, auch nach so vielen Jahren. Das Lichthof Theater hat diese Oper in ein neues Licht gesetzt und aufbereitet, auch wenn der Name angepasst wurde – der eigentliche Inhalt rund ums Frauenrecht ist und bleibt Bestand. Immer noch müssen Frauen mehr als Männer um ihre Rechte kämpfen, werden benachteiligt und oft sogar von ihren Geschlechtsgenossinnen angegriffen, betrogen in Wort und Tat. Dies macht diese Aufführung deutlich und -leider- immer noch sehr aktuell. Trotz des etwas düsteren Themas und auch Hintergrund der Bühne, erlebten die Zuschauer im ausverkauften Haus eine überzeugende und gefeierte Premiere mit langem Applaus und interessierten Gästen am gemeinsamen Gespräch nach dem offiziellen Teil des Abends.
- Artikel von Marion Nevoigt / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Lichthof Theater Hamburg / Stückeseite
- Titelfoto: STRANDRECHT am Lichthof Theater Hamburg/ Foto @ Studio Fabian Hammerl
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