
Das imposante, vor 20 Jahren eröffnete Festspielhaus Neuschwanstein in Füssen hat sich in der Musical-Szene für seine Werke über den Bayerischen König Ludwig II. etabliert. Zehntausende Menschen verbinden ihre Schlossbesichtigung mit dem Besuch einer Aufführung im Festspielhaus, gelegen an den Ufern des Forggensees bietet dieses einen atemberaubenden Blick auf das Schloss Neuschwanstein. Seit jeher haben im Festspielhaus auch klassische Konzerte stattgefunden, sein Potential als Opernspielstätte konnte das Festspielhaus jedoch bislang nicht vollends ausschöpfen. Dabei steht die Architektur des Musicaltheaters mit ihrem verdeckten Orchestergraben in Analogie zu Richard Wagners Opernhaus in Bayreuth. König Ludwig II. und Richard Wagner verband eine innige Freundschaft, wodurch es nur angebracht erscheint, auch in Füssen der Musik dieses Komponisten ein Denkmal zu setzen. Der Corona-Pandemie zum Trotz fanden in diesem Jahr somit zum ersten Mal die „Musikfestspiele Königswinkel“ als neues Wagner-Festival in Füssen statt. Neben Konzerten und Liederabenden bildeten zwei Aufführungen von Wagners Musikdrama „Tristan und Isolde“ den Auftakt vor fast ausverkauftem Haus – welch ein unglaublicher Publikumserfolg für dieses bislang nicht etablierte und noch wenig bekannte Musikfestival! (Rezension der Vorstellung am 2.10.2021)
Die Inszenierung des Regisseurs Herbert Adler wurde von dem zuletzt vor sechs Jahren stattfindenden Richard Wagner Festival in Wels übernommen, dabei neu einstudiert sowie auf die Bühnengröße des Festspielhaus Neuschwanstein angepasst. Die szenische Deutung Adlers bildet mit ihrer sehr librettonahen, naturalistischen Ausstattung einen Gegensatz zu den progressiven Regieeinfällen anderer Opernhäuser und erzählt die Handlung von Tristan und Isolde ganz so, wie Richard Wagner es in seinen Regieanweisungen angegeben hat. Die flackernden Segel eines Schiffs im ersten Akt und die stimmungsvoll gestaltete Mondnacht hinter den Felsen der Burg von König Marke im zweiten Akt zeigen, dass auch eine „klassische“ Inszenierung aufregend und spannend in Szene gesetzt werden kann. Lediglich die Personenregie hätte etwas ausgefeilter gestaltet werden können, denn historisierende Kostüme sind allein eben nicht ausreichend, um eine Geschichte glaubhaft nachzuerzählen. Die Mimik und Gestik beschränkten sich auf eher gekünstelte Bewegungen oder statisches Singen in Richtung des Publikums. Da sich die musikalischen und gesanglichen Ergebnisse jedoch als außerordentlich positiv herausstellen, konnte man mit aufgeschlossenen Ohren über Schwächen im Spiel hinwegsehen.

Lioba Braun wollte sich bei den hiesigen Festspielen von der Partie der Isolde vor großem Publikum verabschieden, aufgrund gesundheitlicher Probleme musste sie ihre Teilnahme jedoch leider zurückziehen. Kurzfristig konnte für beide Vorstellungen Catherine Foster gewonnen werden, die über fünf Jahre in der Rolle der „Brünnhilde“ im „Castorf-Ring“ bei den Bayreuther Festspielen brillierte. Mit ihrer „Isolde“ war sie bislang verhältnismäßig selten auf den deutschen Opernbühnen zu erleben, so dass ihr Einspringen den Abend umso aufregender werden ließ. Indem sie die Racheschwüre im ersten Akt im Forte herausschmetterte, dabei den abschließenden Liebestod voller Leidenschaft und Hingabe gestaltete, wusste sie all die Facetten der komplexen Figur der Isolde in Stimme und Phrasierung darzustellen. Mit ihrem raumerfüllenden Organ und einer leidenschaftlichen Gestaltung bewies sie sich erneut als eine der größten hochdramatischen Sopranistinnen der Gegenwart.
Der US-amerikanische Tenor Robert Dean Smith kann auf eine jahrzehntelange internationale Karriere zurückblicken und verkörperte die Partie des „Tristan“ schon auf den bedeutendsten Bühnen der Welt. Mit seiner hellen Stimme, gereiften Technik und musikalischem Legato-Ansatz meisterte er selbst den kräftezehrenden dritten Akt ohne große Mühen. Bedauerlicherweise hat sein Organ in den letzten Jahren an Volumen und Glanz eingebüßt, so dass seine sonore Tenor-Stimme neben Catherine Fosters vokal raumerfüllender Isolde etwas verblasste.

Hermine May bildete mit ihrer markanten und sicher geführte Mezzo-Stimme einen eindringlichen Kontrast zur Isolde und schuf das Portrait einer dienenden, zugleich selbstgerechten Brangäne. Mit seiner kraftvollen Stimme „rau wie die irische See“ und leidenschaftlichem Spiel in Mimik und Gestik schuf Michael Kupfer-Radecky ein fesselndes Rollenportrait des Kurwenal. Abgerundet wurde das Ensemble durch Hans-Peter König in der Rolle des König Marke. Der Sänger legte eine natürliche Melancholie in seine Stimme, die vom ersten Ton an berührte.
Das Kiev Symphony Orchestra ist wahrlich nicht als Wagnerorchester bekannt. Umso erfreulicher waren die orchestralen Leistungen in den Soli, aber auch im klanglichen Gesamtbild aus dem Graben. Hier wurde penibel geprobt! Dieses aus weitestgehend jungen Musikerinnen und Musikern gebildete Orchester hat die Partitur vollkommen verinnerlicht.

Der einstige GMD der Oper Stuttgart, Lothar Zagarosek, stand nach knapp zehn Jahren nun endlich wieder mit einer Wagner-Oper im Orchestergraben. Er konzentrierte sich zuletzt auf die Opernliteratur des 20. Jahrhunderts. Bei seinen stets fließenden, gleichwohl straffen Tempi baute er eine Vitalität in Klang und Phrasierung auf, die auch Kenner der Partitur fesselte. Unter Zagaroseks Dirigat entwickelte sich ein breiter Mischklang, in welchem sich die Stimmen, begünstigt durch die Architektur des Orchestergrabens, wohltuend einschmiegten.
In diesem Jahr wurde bewiesen, dass das Festspielhaus Neuschwanstein neben einem exklusiven Ambiente ideale Bedingungen für die große romantische Oper gewährt. Keine andere Spielstätte, mit Ausnahme vielleicht der Elbphilharmonie, bietet solch ein prächtiges Panorama! Im nächsten Jahr wollen die Musikfestspiele Königswinkel ihren Erfolg mit Richard Wagners „Lohengrin“, der einstigen Lieblingsoper König Ludwig II. fortsetzen. Wir wünschen ein gutes Gelingen!
- Rezension von Phillip Richter / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Musikfestspiele Königswinkel
- Titelfoto: Musikfestspiele Königswinkel 2021/TRISTAN UND ISOLDE/Foto @ Peter Samer / Festspielhaus Neuschwanstein
Tristan u. Isolde- Füssen- am 2.10.21 —lange herbeigesehnt — aber ich kann dem Rezensenten nur tw. zustimmen– Bühnenbild/ Kostüme/Licht= wunderbar — keinerlei Personenregie, fast nur statischer Schöngesang — Frau Foster und Fr. May zu 99% textunverständlich !!! – ein Jammer — ganz im Gegensatz zu König Marke (Hr. König) fabelhafte Textverständlichkeit — das Kiever-Orchester war stets bemüht. Mir fehlte der Schmelz, die Zartheit das BERÜHRENDE. Auch die beiden gr. Arien der Isolde hörten sich emotionslos an ( man vergleiche Aufnahme der Ära Varnay). — Ich war nicht „erschüttert/ berührt / usw.“ –Insg. aber ein schöner Abend, wenn auch durch die stat. Isz. sehr, sehr „langatmig“ .–mfG Matthias