Staatsoper Hamburg: „THÉRÈSE“ von Philipp Maintz im Rahmen des Internationalen Musikfests Hamburg

Staatsoper Hamburg/ THÉRÈSE/ Marisol Montalvo, Renate Behle, Tim Severloh/ Foto @ Hans Jörg Michel

Am 14. April, bei den diesjährigen Osterfestspielen Salzburg, hatte „Thérèse“, die zweite Oper des jungen Aachener Komponisten Philipp Maintz, als Auftragswerk eben dieser Festspiele und der Staatsoper Hamburg Uraufführung. Am 18. Mai nun fand die erste Hamburger Aufführung statt, im Kleinen Saal der Elbphilharmonie und im Rahmen des Internationalen Musikfests Hamburg. (Besuchte Vorstellung am 21.5.2019)

 

Thérèse entstand nach dem gleichnamigen Roman von Emile Zola in dem er die Geschichte einer Frau die in einer arrangierten Ehe und mit Ehemann Camille und Schwiegermutter Mme Raquin über dem Familiengeschäft in Paris lebt. Als Camilles Freund Laurent zu Besuch kommt, verlieben er und Thérèse sich in einander. Um sich ihrer Leidenschaft ganz und gar hingeben zu können, ertränken sie Camille während einer gemeinsamen Bootsfahrt. Zwar heiraten sie nach dem Trauerjahr, doch das Wissen um den Mord, die Tatsache, das Mme. Raquin, wenn auch inzwischen hilflos, um diese Tat weiß, belasten beide. Aus Verlangen wird Hass und Verachtung. Aus ersehnter Freiheit die Flucht in gemeinsamen Selbstmord.

Otto Katzameier, der auch die Rolle de Laurent übernommen hat, zeichnet für das Libretto verantwortlich. „Dieser Roman ist eine Oper!“, sagte er in einem Interview mit Dramaturg Johannes Blum. Vielleicht ist es diese Einstellung, wie auch die enge Zusammenarbeit mit dem Komponisten, die zu diesem Kammerstück mit nur 4 Darstellern und einer faszinierend bedrückenden Dichte führte. „Über die ganze Zeit hinweg, in der das Libretto und dann die Musik entstand, haben wir eine Art Ping-Pong gespielt – es gab immer wieder Punkte, an denen einer nicht weiterkam oder Fragen hatte.“ So Maintz, ebenfalls zu Blum. Das Ergebnis dieses Gedankenaustauschs geht unter die Haut, spinnt ein Netz aus Klängen, Worten und Bildern, in dem sich das Publikum verfängt, willentlich oder auch unmerklich. Entziehen kann sich niemand wirklich, dazu ist das Thema auch heute noch zu lebensnah, der Romanhafte, wie der allein aus Katzameyers Feder stammende Text zu ungekünstelt zu „normal“, die Musik zu sehr verwoben mit Worten, Emotionen und Geschehen. Es gibt eine kurze a capella-Situation, gesprochene Texte, auch aus dem Off Sprechgesang, singbar melodische Passagen. Markante Aussagen werden von Klängen die an Peitschenknallen erinnern, beendet. Die musikalisch-dramaturgisch am eindrucksvollsten Szene ist jene, wenn klar wird, das Mme. Raquin Bescheid weiß. Hier lauschen wir Akkordeonistin Silke Lange und den melancholisch schönen Klängen ihres Instrumentes, die ein wenig an die, für Paris typischen Akkordeons erinnern und deren Harmonie erst zum Ende dieser Passage hin gestört wird.

Staatsoper Hamburg/ THÉRÈSE/ Otto Katzameier, Marisol Montalvo/ Foto @ Hans Jörg Michel

Auch die Inszenierung vom Intendanten der Hamburger Staatsoper, Georges Delnon, wie auch das Bühnenbild und die Kostüme von Marie-Thérèse Jossen tragen durch eine gewisse Schlichtheit dazu bei. Das Bühnenbild besteht aus fünf altmodischen Ladentischen, unter und zwischen denen sich die jeweils benötigten Requisiten befinden. Die Tischplatten symbolisieren die Wohnung über dem Laden, doch sie bieten auch die Möglichkeit zuerst Laurent, der nur von dort aus agiert und dann schließlich Mme. Raquin, die am Ende dort oben auf einem Stuhl thront, eine gewisse Überlegenheit und Macht zu verleihen. Die Kostüme sind dunkel und der Stil wechselt, besonders bei Thérèse nur geringfügig, unterstreicht dabei jeweils ihren Gemütszustand und ihre Lebenssituation.

Mehrere Bilder von tosenden Wellen bilden den Bühnenhintergrund.

Doch Delnon verzichtet hier und bei seiner Personenführung auf Spektakuläres oder Provozierendes. Sein Stilmittel ist das der eher sanften Bilder, dass oft so viel wirkungsvoller ist als allzu Grelles.

Dirigent Nicolas André und die Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg bewiesen ein Mal mehr ihre Vielseitigkeit. Veranstaltungen wie diese sind es, die deutlich machen, welche Ansprüche an einen Orchestermusiker gestellt werden. Chapeau und vielen Dank!

Staatsoper Hamburg/ THÉRÈSE/ Renate Behle/ Foto @ Hans Jörg Michel

Ks. Renate Behle überzeugt durch ihre enorme Bühnenpräsenz und die Fülle ihres Mezzosoprans. Ihre Mme Raquin ist als fürsorgliche Mutter ebenso authentisch, wie als hilflose Frau, die dennoch nichts von ihrer natürlichen Autorität verloren hat,

Der Hamburger Countertenor und Musikerzieher Tim Severloh, gibt der Figur des kränklichen Muttersöhnchens Camille genau das richtige Maß an devoten Selbstmitleid, die das Publikum benötigt, um zu verstehen, das Thérèse sich für Laurent entscheidet. Das erreicht er durch sein Spiel ebenso, wie durch den beeindruckenden Einsatz seiner Stimme.

Bassbariton Otto Katzameier  beeindruckte als anfänglich selbstherrlicher, doch endlich gebrochener Laurent. Ihm liegen die kleinen Gesten, mit denen er Mme. Raquin behilflich ist oder ihr seine Verachtung demonstriert ebenso, wie die großen, mit denen er Thérèse verführt oder sich fast zu Tode vor seinen Visionen des toten Camille fürchtet. Seine Stimme ist ebenso wandelbar: mal einschmeichelnd sanft, dann auch bedrohlich und verzweifelt. Auch vor seiner Leistung  kann man nicht anders als den imaginären Hut ziehen.

Die amerikanische Sopranistin Marisol Montalvo als Titelheldin Thérèse bietet eine Leistung der Extraklasse. Keine Note scheint ihr zu hoch, keine Gesangspassage im Ausdruck zu anspruchsvoll. Und auch die Entwicklung der anfangs sehr zurückhaltendem Frau, die heimlich den eigenen Körper genießerisch mit dem Glas liebkost, das Laurent leerte, bis hin zu der, die den Ausweg alleine im Tode sieht, gelingt ihr mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit,

 

THÉRÈSE

Philipp Maintz
Libretto von Otto Katzameier
 

BESETZUNG

  • Komponist:  Philipp Maintz
  • Musikalische Leitung:  Nicolas André
  • Thérèse:  Marisol Montalvo
  • Laurent:  Otto Katzameier
  • Mme Raquin:  Renate Behl
  • Camille:  Tim Severloh
  • Die Akkordeonistin:  Silke Lange
  • Rezension von Birgit Kleinfeld /Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Titelfoto: Staatsoper Hamburg/ THÉRÈSE/ Otto Katzameier, Marisol Montalvo/ Foto @ Hans Jörg Michel

 

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