Staatsoper Hamburg: Der ganze Zauber des Theaters: Achim Freyer, Christian Gerhaher & Schumanns Faust-Szenen

Staatsoper Hamburg/Szenen aus Goethes Faust/ Christian Gerhaher, Chor der Hamburgischen Staatsoper/ Foto @ Monika Rittershaus

Ein lange vergessenes Werk (keine Oper !) findet den Weg auf die große Bühne der Hamburgischen Staatsoper: Robert Schumanns „Szenen aus Goethes Faust“. Und die Titelrolle (u.a.) singt der  Bariton Christian Gerhaher, der nicht nur die bestmögliche Besetzung dafür ist, sondern auch der größte „Lobbyist“ für dieses musikalische Werk. Warum ist Schumanns Faust, dieses schwelgerisch-schöne Stück,  solange vergessen und übersehen worden? „Das liegt sicher an vielen immer noch hochnäsigen Verdikten. 

 

Diese Haltung, Schumann wegen seiner formalen Avanciertheit abzulehnen, reicht weit zurück und zwar wohl bis zur Rezeption des Werkes durch den Kreis um den Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick. Leider haben sich bis heute viele Negativurteile gehalten.“, sagt Gerhaher in seinem 2015 erschienen Interviewbuch „Halb Worte sind`s, halb Melodie“ (Henschel – Bärenreiter). Dass der Bariton heutige Kritik an Schumanns Faust fast persönlich nimmt, konnte man gut im NDR Interview vom 22.10.2018 zwischen den Zeilen heraushören. Das muss man wissen, um diese wahnsinnige, körperlich spürbare Präsenz von Christian Gerhaher auf der Bühne zu verstehen. Er ist überpräsent, auch wenn er gerade nicht singt. Er ist fast die gesamte Aufführung über auf der Bühne. Wenn er singt, versteht man jedes Wort, bis hinauf in den 3. und 4. Rang. Klar und deutlich. Eine große Textverständlichkeit auch bei Christina Gansch als Gretchen. 

Staatsoper Hamburg/Szenen aus Goethes Faust/ Christina Gansch, Narea Son, Komparserie / Foto @ Monika Rittershaus

Es ist eigentlich nur eine kleine Bühne, die zum Spielen bereit steht: Orchester und Chor sind auf der Bühne (wie bei einer konzertanten Aufführung), das Spielen findet auf dem abgedeckten Orchestergraben davor statt. Ein Gaze-Schleier trennt Musik und Gesang; Lichteffekte ergänzen das Bühnenbild. So kennt man den Bühnen- und Lichtmagier Achim Freyer. Der Zauber des Theaters wird mit wenigen Mitteln erzeugt, die Handlung  dieser aneinandergereihten „Szenen aus Goethes Faust“ nur angedeutet. Gegenstände liegen auf dem Bühnenboden, schwarz gekleidete Statisten bewegen sich im Niemandsland zwischen Text und Musik. Faust-Gerhaher irrt umher. Ein Podest in der Mitte – darauf abgebildet, eine Hommage an Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“. Steht Gerhaher auf dem Podest wird er eins mit ihm. Ein Teil der Sänger singt hinter dem Schleier, hervorgehoben durch grell-buntes Licht, für kurze Momente. Zwischen den einzelnen Szenen geht das Licht komplett aus, die Szenen-Collage wird kurz unterbrochen.  Es sind Bilder zur Musik von Schumann, die Achim Freyer hier inszeniert; man genießt primär die wunderschöne Musik (mit dem romantischen Orchesterklang, unter Kent Nagano, an diesem Abend)  und betrachtet die Bilder. Eine inszenierte konzertante Aufführung, wenn man es so sagen will. Besser hätte es nicht sein können.

Gestört haben an diesem Abend nur die viel zu dominant eingeblendeten Übertitel in zwei Sprachen. Die Schriftgröße, viel zu groß. So etwas macht man auf einem Bühnenbild von Freyer nicht. Wer braucht schon Übertitel bei dieser einzigartigen Textverständlichkeit in den Hauptpartien ?

 

Rezension von Josef Fromholzer / Besuchte Vorstellung: 28.10.2018

 

  • Titelfoto: Staatsoper Hamburg/Szenen aus Schumanns Faust/ Christian Gerhaher, Chor der Hamburgischen Staatsoper/ Foto @ Monika Rittershaus
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