Im mädchenhaften graublau gemusterten Kleid mit breitem schwarzem Ledergürtel schwebte sie auf die Bühne: die Starsopranistin der Bonner Oper, Anna Princeva, die hier Triumphe als Elisabetta (Don Carlo), Hélène (Jérusalem), Lucrezia (I due Foscari), Nedda (I Pagiacci), Giovanna (Giovanna d´Arco), Rosalinde (Fledermaus) und zuletzt als Cho Cho San (Madama Butterfly) feierte. Für ihre Darstellung der Elsa (Lohengrin) war sie für den deutschen Theaterpreis FAUST nominiert. Gastspiele führen sie nach Bregenz, Hamburg und London. (Liedersoirée vom 24.01.2024)
Am Flügel begleitete sie Studienleiter Igor Horvat. Kennen gelernt haben die beiden sich bei ihrer Einstudierung der Elsa aus Richard Wagners „Lohengrin“ 2018. Aus dieser Zeit stammt ihr gemeinsames Faible für den Komponisten. Es lag daher auf der Hand, zum Abschluss des Liederabends Wagners Wesendonck-Lieder zu spielen, zumal die Textdichterin Mathilde Wesendonck in Bonn auf dem Alten Friedhof beigesetzt ist.
Diesmal hatte man doppelt so viele Tische und Stühle aufgestellt wie bei der ersten Soiree mit Santiago Sánchez; das hatte auch seinen Sinn. Die etwa 100 Plätze an runden Tischen mit je vier Stühlen waren alle besetzt, es gab wieder kleine Köstlichkeiten in Gläschen vom Restaurant Fidelio, und jeder konnte in der Cafeteria ein Getränk bekommen und mit zum Tisch nehmen. „Das Format wird gut angenommen,“ bemerkte Castingdirektor Marcus Carl. Man konnte sich in den Applauspausen gut mit den Tischnachbarn unterhalten und Erfahrungen austauschen.
Anna Princeva ist in Bonn für die Proben zu Tschaikowskis Oper „Eugen Onegin“, in der sie die junge naive in den Titelhelden verliebte Tatjana spielen wird. Die Premiere ist am 3. März 2024. Princevas Muttersprache ist Russisch, da lag es nahe, je drei romantische Lieder mit „russischer Seele“ von Sergej Rachmanininow aus Op. 4, Op. 21 und Op. 14 und Pjotr Tschaikowski aus Op. 16 und zwei aus Op. 47 zu präsentieren. Rachmaninoff und Tschaikowski haben sich gekannt, aber die vier Opern, die Rachmaninow geschrieben hat, werden in der Europäischen Union nicht aufgeführt, während Tschaikowskis „Eugen Onegin“ und „Pique Dame“ zum Kernrepertoire gehören. Die Tonsprache der Lieder ist sehr bildhaft und emotional mit schönen lyrischen Melodiebögen, die Princeva betörend gestaltete.
Auf Wunsch des aus Kroatien stammenden Korrepetitors und Studienleiters Igor Horvat, wie sie erklärte, sang Anna Princeva drei Lieder des kroatischen Komponisten Josip Hatze, Schüler von Mascagni, der den dalmatischen Verismo verkörpert. Diese Lieder wirkten eher volksliedhaft.
Anna Princevas lyrisch-dramatischer facettenreicher Sopran mit delikaten Piani und glänzenden Höhen prädestiniert sie für das romantische Liedrepertoire, das sie ergreifend zu gestalten weiß. Horvat ist dabei mehr als ein Begleiter, sondern ein kongenialer Partner, der die anspruchsvollen Vorspiele und begleitenden Klavierparts souverän interpretierte und den Gesang unterstrich.
„Ob ich das Kroatisch wohl immer korrekt ausgesprochen habe?“ kokettierte sie mit Horvat. Der lächelte nur fein, und das Publikum lachte, weil fast alle nicht nur mit Kroatisch, sondern auch mit Russisch überfordert waren. Mir ist klar geworden, dass es wohl eine Folge des „Kalten Krieges“ ist, dass das osteuropäische Lied-Repertoire bei uns so wenig bekannt ist. Höhepunkt des Programms waren Wagners Wesendonck-Lieder, die kurz vor seiner Oper „Tristan und Isolde“ entstanden sind. Bei diesen Liedern erkannte man, wie sensibel Princeva die Texte ausdeutete und interpretierte. Nach dem letzten Lied „Träume“ ergriffene Stille, dann tosender Applaus und drei Zugaben.
Die nächste Liedersoirée gestaltet Igor Horvat mit Ingrid Bartz mit Liedern von Friedrich Hollaender und Kurt Weill am 15. April 2024.
- Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Theater Bonn
- Titelfoto: Copyright: Theater Bonn/Anna Marx