
Rossinis La Cenerentola verspricht stets reinstes Opernvergnügen. So auch am 14. Februar 2025 bei der Premiere im Landestheater Detmold. Witzig, heiter und bisweilen melancholisch erlebte das Publikum die Inszenierung von Christopher Cowell, die an vielen Stellen auch mit diesem so besonderen britischen Humor gespickt ist. Und dabei durfte sich der britische Regisseur zudem auf ein spielfreudiges und gesanglich sehr überzeugendes Ensemble in Detmold stützen. Ein Opernabend, der Spaß gemacht hat, bei dem gelacht werden durfte und der einmal mehr belegte, warum La Cenerentola zu Recht zu den beliebtesten Opern des italienischen Meisterkomponisten gehört. Gioacchino Rossini hat für diese Oper ein wahres Füllhorn an Melodien erschaffen und höchst dankbare Opernpartien komponiert, die, wie es auch in Detmold der Fall ist, das Publikum zu Jubel und Ovationen hinreißt. Ein großer Erfolg für das renommierte Detmolder Theater und ein Opernspaß für Jung und Alt im besten Sinne.
Die Geschichte vom Aschenputtel (Cenerentola), welches nach schweren Jahren, immer sehnend nach dem Prinz, der sie erretten soll, ihr großes Happy-End erlebt, ist Märchen-Allgemeingut. Rossini setzte den Märchenstoff für seine Oper mit einigen Verwandlungen zur ursprünglichen Geschichte melodienreich und mitreißend um. War es bei den Gebrüdern Grimm die böse Stiefmutter, ist es hier der böse Stiefvater. War es ursprünglich ein Schuh, der Aschenputtel als die wahre Braut des Prinzen enttarnte, ist es bei Rossini ein funkelnder Armreif an welchem sie der Prinz erkennt und sie zu sich auf sein Schloss als seine Frau nimmt. Die Geschichte vom armen Stiefmädchen, welches tagein – tagaus für den Stiefvater und die nervigen Stiefschwestern putzen und dienen muss und am Ende zur strahlenden Prinzessin wird, muss kaum noch erzählt werden. Ursprünglich geht das Grimmsche Märchen vom traurigen Aschenputtel zurück auf die Erzählung Cendrillon von Charles Perrault aus dem 18. Jahrhundert. Perraults Märchen hat im Laufe der Zeiten viele Interpretationen erlebt. Die bekannteste aber dürfte die der Gebrüder Grimm sein.

Christopher Cowell lässt seine La Cenerentola im Ambiente eines verarmten Adelshaus spielen, deren Bezug auf das 19. Jahrhundert in Großbritannien erkennbar ist. Die „very-british“ gekleideten Diener mit ihren typisch weiß-blau gestreiften Livrees (wunderbar gespielt und gesungen vom Herrenchor des Landestheater Detmold), die üppig-bunten Gewänder der beiden zickigen Stiefschwestern (Bühnenbild und Kostüme: Bridget Kimak), die verzweifelt versuchen den Anschluss an ihren verloren gegangenen Status als „Upper-Class-Girls“ mit allen Mitteln wiederzuerlangen. Und als eines Tages der Prinz alle heiratsfähigen Frauen des Hauses zu einem Ball einlädt, wähnen sie sich am Ziel ihrer Träume. Wenn da nicht auch die ungeliebte Stiefschwester Angelina, genannt Cenerentola, wäre. Sie ist die dritte Frau im Haus, aber soll unter allen Umständen da bleiben, wo sie in den Augen ihrer Stieffamilie hingehört: Ins Haus und zur Hausarbeit. Das Zentrum des drehbaren Bühnenbilds besteht aus einem überdimensionalen Waschzuber, um den herum sich die ganze Geschichte abspielt. Cowells Inszenierung setzt nicht auf ein üppiges und märchenhaftes Bühnenbild, viel mehr nutzt er die Bühne dazu, den Personen der Handlung viel Raum zu Interaktionen zu geben und den Waschzuber, je nach Stand der Geschichte, als zentralen Hinweisgeber zu nutzen. So wird er mal zum Zauberbrunnen, aus dem Angelina ihr Abendkleid für den Prinzenball erhält und ein anderes mal zum festlich geschmückten Mittelpunktes des Balls beim Prinzen. Am Ende der Oper ist er aber einfach wieder nur der profane Waschzuber, an dem Angelina ihre tägliche Arbeit verrichtet und den sie, nachdem der Prinz sie endlich gefunden und als seine Prinzessin auserkoren hat, wie eine Königin besteigt und ihrer Familie alles vergibt. Cowell verpackt alles in eine turbulente und an witzigen Gags nicht gerade armen Inszenierung, die beim Publikum gut ankam.

Als Angelina (Cenerentola) debütierte die japanische Mezzosopranistin Rina Hirayama. Für sie ist die Angelina ein zwar trauriges, aber nicht resigniertes Mädchen, welches sich sicher ist, das ihr Leben irgendwann mal eine glückliche Wendung nehmen wird. Das vermittelt sie übrigens auch sehr überzeugend auf mimische Weise. Und auch gesanglich stellt sie den Weg vom Aschenputtel zur Prinzessin mit ihrer in den Höhen und Tiefen sicher geführten Stimme überzeugend dar. Rossini hat seiner Titelheldin die große Arie erst am Ende der Oper komponiert: Das populäre „Nacqui all’affanno“. Und damit setzte Frau Hirayama ihren persönlichen Glanzpunkt der Aufführung und durfte sich über ein erfolgreiches Debüt als Cenerentola freuen.
Als Don Ramiro, Prinz von Salerno, war Anle Gou in seinem Rollendebüt zu erleben. Und wie! Mit welch scheinbarer Leichtigkeit er die technischen Schwierigkeiten seiner Tenorpartie meisterte, die vielen Spitzentöne – bis hin zum hohen C – besonders in seiner großen Arie „Sì, ritrovarla io giuro“ im zweiten Akt darbot, war absolut beeindruckend. Die vielen Bravorufe, die er nach seiner Arie vom begeisterten Publikum erhielt, waren hochverdient. Mit Anle Gou steht ein junger Tenor auf der Detmolder Bühne, dem die Belcanto-Opernwelt weit offensteht, wenn er weiterhin mit Bedacht und ohne Eile in der Auswahl seiner Partien seine Karriere weiterverfolgt.
Herrlich zu erleben waren auch die beiden überdrehten, zickigen, Stiefschwestern Tisbe und Clorinde. Dargestellt von Lotte Kortenhaus und Johanna Nylund. Beide spielerisch wie auch gesanglich hervorragend. Das sah das Publikum wohl auch so und belohnte sie mit viel Applaus.
Don Magnifico wurde vom Bassbariton Ricardo Llamas Márquez sehr humorvoll und facettenreich dargestellt. Die Zusammentreffen mit Bariton Ks. Andreas Jören, der den Kammerdiener des Prinzen, Dandini, spielte, bot beiden Sängern die Möglichkeit ihre jeweiligen komödiantischen Talente zur Freude des Publikums auf die Bühne zu bringen. Die Partie des Alidoro, der Philosoph der im Hintergrund die Fäden in der Hand hielt, wurde vom Bass Jaime Mondaca Galaz gesungen und gespielt und rundete das Herrenterzett wunderbar ab.

Der Opernchor des Landestheater Detmold (Choreinstudierung: Francesco Damiani) war auch dieses Mal wieder großer Bestandteil der Inszenierung und begeisterte ein weiteres Mal die Detmolder Opernfans.
Unter der Leitung von GMD Per-Otto Johansson spielte das Symphonische Orchester des Landestheater Detmold Rossinis Opernpartitur schmissig und temperamentvoll. Hier ist besonders das große und temporeiche Finale des ersten Akts zu erwähnen, – in dem der Dirigent viele Fäden gleichzeitig in der Hand halten muss -, das zu einem echten Opernspaß wurde, so wie es sich Rossini auch sicher selbst gewünscht hätte. Großer Applaus und Jubel des Publikums am Ende auch für den musikalischen Leiter des Abends und sein Orchester.
Abschliessend sei noch Tobias Kruse erwähnt, der von der Seitenloge aus die Rezitative der Sängerinnen und Sänger am Cembalo sehr gefühlvoll und Situationsbedingt begleitete und damit zum großen Erfolg des Abends beitrug.
- Rezension von Detlef Obens / DAS OPERNMAGAZIN
- Landestheater Detmold / Stückeseite
- Titelfoto: LT Detmold/LA CENERENTOLA/ R. Hirayama, A. Gou/Foto: Landestheater Detmold/Jochen Quast