Sopranistin Megan Marie Hart auf der Bühne des Staatstheaters Darmstadt.

„Letters to Fred“ – Uraufführung des Liederzyklus von Bracha Bdil

Joanne Herzberg
Joanne Herzberg / Foto: Privat / Mit freundlicher Genehmigung

Zwei Liedprogramme an einem Tag spannten einen Bogen von Lebenslust, Poesie und gerechtem Zorn am Vormittag zu trauerndem Andenken am Abend. Zwei Freundinnen erlebten dies gemeinsam, Megan Marie Hart auf den Bühnen, Joanne Herzberg im Publikum. Auf eine Liedmatinee im Landestheater Detmold folgte abends im Staatstheater Darmstadt die Uraufführung von Bracha Bdils Liederzyklus über Herzbergs Familie, komponiert für Megan Marie Hart, im Auftrag des Staatstheaters.

 

Am Vorabend des Internationalen Holocaust-Gedenktags gab das Staatstheater Darmstadt eine „Veranstaltung zum Gedenken an die Befreiung des KZ Auschwitz“ mit umfangreichem Programm. Zuerst Gideon Kleins Streichtrio, das er 9 Tage vor seinem Abtransport nach Auschwitz beendete, dann Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8 in c-Moll, gewidmet den Opfern des Krieges und des Faschismus. Im zweiten Teil des Abends folgte auf Bracha Bdils Neukomposition „Letters to Fred: A Portrait of the Herzberg Family during the Holocaust“ für Sopran und Klavier „Rothko Chapel“ von Morton Feldman in der Inszenierung von Intendant Karsten Wiegand.

Auf der enormen Bühne des Staatstheaters, immerhin der drittgrößten in Deutschland, stehen ein Flügel und ein Mikrofon. Die Künstler betreten die Bühne, Megan Marie Hart im Satinkleid, rot wie das Leben, die Haare hochgesteckt, und Giacomo Marignani im dunkelblauen Anzug mit Krawatte und Einstecktuch in einem Altrosa, das den Lichtern auf Harts Kleid gleicht. Hart tritt nicht vor das Mikrofon, sie wird es erst später verwenden.

Die Uraufführung von Bracha Bdils Letters to Fred ist in einem Video nachzuerleben.

Das Klavier spielt vier Töne, wiederholt sie, verstummt. Die Sopranistin summt leise, beginnt einen Satz zu singen, wiederholt ihn, beginnt erneut, ein Wort kommt hinzu, dann mehr. Die vier Töne des Klaviers, fa-re-mi-re, stehen für den Namen Fred und für die vier Mitglieder seiner unmittelbaren Familie, so die Komponistin Bracha Bdil. Sie nutzt das Fred/Familien Motiv durchgängig und verbindet damit unterschiedlichste Stile. Der Beginn von Bracha Bdils „Letters to Fred“ zeigt exemplarisch die Schwere der Aufgabe, Texte zu vertonen, mit dem Wissen, was aus den Schreibenden geworden ist. Der Prolog bereitet die Bühne für eine tief bewegende Komposition. In den folgenden 6 Sätzen verwendet Bdil mehrfach das Mittel der Verfremdung, lässt fröhliche Klänge zu traurigen Worten erklingen. Bdil führt uns damit vor Augen, dass wir uns mit dem, was wir heute über den Holocaust wissen, nicht vorstellen können, wie ungewiss, unwirklich und undenkbar es war, in dieser Zeit zu leben.

Freude trotz Schmerz
Fritz Herzberg im Jahr 1938 / Foto: Sammlung von Joanne Herzberg / Mit freundlicher Genehmigung

Der 1. Satz ist aus einem Brief mit Schreiben von Vater und Mutter, die froh sind, dass ihr Sohn aus dem Land ist und sich um Banalitäten wie seine zurückgelassenen Gürtel sorgen. Bewusst fröhliche Überzeichnung illustriert, dass der Empfänger sich über die Briefe gefreut haben wird, voller Sehnsucht nach der Familie und der Hoffnung, sie bald wiedersehen zu können, und erzeugt das Bild von liebevollen Eltern, die den 17-jährigen Sohn nicht beunruhigen wollen. Sätze und Fragmente werden wiederholt, als würde Fred die kostbaren Zeilen der geliebten Eltern wieder und wieder lesen und sich dabei vorstellen, wie sie gesprochen worden sein könnten.

Eine Tante in Chile eröffnet im düsteren 2. Satz, dass eine Chance, dorthin zu fliehen vom Vater vertan worden war, aus Sorge, die Distanz zum Sohn damit noch zu vergrößern. Zu diesem Zeitpunkt war Fritzchen, wie Fred liebevoll genannt wurde, bereits ein Jahr von der Familie getrennt und befand sich in Afrika. Das Klavier spielt romantisch, erinnert an Filmmusik und lädt ein, sich ein glückliches Ende im exotischen Südamerika vorzustellen. Giacomo Marignanis virtuoses und gefühlvolles Spiel erzeugt eine durchgehend dichte Atmosphäre.

Ein Krieg an allen

Im 3. Satz erklingen drei Briefe von Freds älterem Freund Jeff in England, die mit Melodiezitaten aus La Traviata versetzt sind – die Freunde waren Opernfans. In Gegenüberstellung der Texte, die über das Kriegsgeschehen berichten, mit Musik wie in der Oper, zeigt Bdil einen romantisierenden Heroismus: Jeff gibt sich kämpferisch und siegesgewiss. Zu dem Zeitpunkt seines dritten Briefes hatte die Luftschlacht über England begonnen.

Der 4. Satz beginnt mit dem erschütternden Text des Vaters, der in knappem Telegrammstil den bevorstehenden Umzug nach Theresienstadt ankündigt. Hier spiegelt Bdils Musik die volle Tragik der Aussage, erlaubt uns keinerlei Illusionen. Erneut beginnt Hart mit einem Summen, als wäre das Sprechen schmerzhaft. Zeitweise verstummt das Klavier, reißt sich zusammen und versucht für einen kurzen Moment zur Fröhlichkeit zurückzufinden. Umso misstönender ist der folgende „Zirkusmarsch“ des Deportationsbescheids, indem die Familie Herzberg von Amts wegen über das Prozedere des Transports nach Theresienstadt informiert wurde. Es folgt der letzte Brief der Familie an Fred. In bedrückender Kürze kündigt er die bevorstehende Abreise nach Theresienstadt an, verspricht weitere Briefe, die nie kommen sollten. Die drei Schreiben im 4. Satz entstanden 6 Monate nach der Wannseekonferenz im Januar 1942, bei der die Deportation aller Juden in den Osten zum Zweck der Auslöschung beschlossen worden war. Hier zeigt sich die kalte Brutalität des Regimes, das seinen Opfern Hoffnung machte.

Dieser Text kann nicht gesungen werden

Für den 5. Satz tritt die Sopranistin an das Mikrofon. Ohne musikalische Begleitung liest sie mit leiser, gefasster Stimme den Brief, aus dem das Zitat im Prolog stammte. Es ist deutlich, warum es unmöglich war, diesen Text zu vertonen. Fred wird über das Schicksal seiner Bekannten und schließlich das seiner Familie unterrichtet. Grausame Tatsachen, die nie ausgesprochen, nie gelesen, nie geschehen hätten dürfen.

Voller Schönheit und tragischer Melancholie empfängt uns der 6. Satz zunächst mit wortlosen Koloraturen, die an ein Kaddisch erinnern und schließen mit tröstenden Worten der Anteilnahme und Unterstützung. In schimmernder Höhenlage erklingt die Signatur, als würde Fred sie voll von Emotionen lesen, immer wieder.

Im Epilog liest Hart Freds eigene Worte, das Klavier begleitet sie dabei mit dem Motiv der Familie, unterzeichnet die Komposition am Ende.

Das Premierenpublikum war spürbar bewegt, stehend applaudierte es den Musikern, der Komponistin, Freds Tochter Joanne Herzberg und ihrer Familie.

Von Detmold nach Amerika: die Geschichte hinter den Briefen an Fred

Fred Herzberg mit 87 Jahren im Jahr 2008
Das letzte Foto des Vaters im Jahr 2008. Fred Herzberg, 11. Juni 1921—31. Januar 2008 / Foto: Sammlung von Joanne Herzberg  / Mit freundlicher Genehmigung

Die tragische Geschichte der Detmolder Familie Herzberg ist einzig und doch beispielhaft für dass, was eine teilnahmslose Gesellschaft Millionen ihrer Mitmenschen angetan hat. Fritz Herzberg war mit dem Kindertransport aus Detmold nach Großbritannien geflohen. Die Familie, so war es geplant, sollte der Sohn zu einem späteren Zeitpunkt nachholen, Vater Moritz Herzberg, Mutter Johanna, geborene Frank, Oma Emilie Esther Frank und Schwester Betty Gerda. Doch dazu kam es nicht. Mit ihrer grausamen Vernichtungsmaschinerie töteten die Nazis am Ende insgesamt 14 Angehörige Fritz Herzbergs – und unzählige Freunde und Bekannte. Fritz änderte seinen Rufnamen zu Fred, zu deutsch war der Name Fritz, zu schmerzhaft, und diente in Afrika in der britischen Armee. Danach ließ er sich in den USA nieder, wo er zwei Mal verheiratet war. Zuerst mit Charlotte Sabine Jacobsthal, genannt Lotti, bis zu deren Tod im Jahr 1956. Drei Jahre später heiratete er Lore Eva Müller. Mit Lotti hatte er einen Sohn, mit Lore 1961 Tochter Joanne Paula. Beide Ehefrauen waren wie Fred Überlebenden des Holocaust. Der Vater sprach mit seinen Kindern nicht über den Krieg, über die Familie, über die Schoah und er betrat nie wieder deutschen Boden. Aber er hatte alle Briefe bewahrt, die ihm seine Familie, Verwandten und Freunde geschrieben hatten. Erst als er 80 Jahre alt war, begann er zu erzählen, sagt Joanne. Sie sammelten die Briefe und beauftragten die Historikerin Gudrun Mitschke-Buchholz damit, ihre Geschichte in einem Buch festzuhalten, das 2013 unter dem Titel „Lebenslängliche Reise – Briefe der jüdischen Familie Herzberg aus Detmold 1939-1946“ veröffentlicht wurde.

Jo bringt die Familie zusammen
Stolpersteine der Detmolder Familie Herzberg.
Stolpersteine zum Andenken an die Detmolder Familie Herzberg, jetzt an der richtigen Adresse, Lange Strasse 71.
/ Foto: Tsungam / CC BY-SA 4.0

Nach dem Tod ihres Vaters Fred im Jahr 2008 hatte Joanne Herzberg den Traum, ihre Familie symbolisch wieder zu vereinen. Stolpersteine des Künstlers Gunter Demning sollten 2019 vor dem ehemaligen Wohnsitz der Detmolder Familie Herzberg verlegt werden, für Moritz, Johanna, Schwester Gerda, die Großmutter und für Fred. Die Stadt Detmold hatte allerdings eine spezielle Regelung in ihrer Verordnung, nach der nicht nur die Stadt als Eigentümer der Straße der Verlegung von Stolpersteinen zustimmen musste, sondern auch die Besitzer angrenzender Grundstücke. So verhinderte Bürokratie zunächst die ersten Stolpersteine für jüdische Opfer des Nationalsozialismus in Detmold. Nach langem Ringen gab es einen Kompromiss, anstatt auf der Hauptgeschäftsstraße wurden die Stolpersteine in einer bedeutungslosen Seitengasse versteckt. Nach offizieller Lesart wegen einer geplanten Runderneuerung der Einkaufsstraße. Zermürbt, aber froh, die Familie endlich symbolisch vereinigen zu können, feierte Joanne im Sommer 2020 – wegen der Beschränkungen der COVID-19 Pandemie im kleinsten Kreis – das Gedenkereignis der Verlegung. Megan Marie Hart sang begleitet von Musikern des Landestheaters im nahe gelegenen Schlosspark eines der Lieblingslieder von Fred Herzberg. Awinu Malkeinu, ein jüdisches Bittgebet, bekannt in der Version von Barbra Streisand.

Zum weiterlesen:

Ein Artikel über die Geschichte hinter der Verlegung der Stolpersteine für die Familie Herzberg erschien in der TAZ: „Verstolperte Erinnerung“ von Luisa Thome, 16.12.2021.

Seit dem 21. Februar 2024 liegen die Stolpersteine endlich an der richtigen Adresse.

Motiviert durch Joannes Engagement für die Erinnerungskultur, erstarkte in Hart das Bedürfnis, sich selbst wieder einzubringen. In Amerika hatte sie häufig jüdische Werke dargeboten, erwähnenswert ist etwa ihre rege Zusammenarbeit mit Music of Remebrance in ihrer Zeit in Seattle, und so erdachte sie für Detmold – und ihre Freundin Jo – ein Rezital-Programm mit jüdischen Liedern aus Musicals und Filmen. Doch im ersten Pandemiesommer verließ Hart Detmold und trat dem Ensemble am Staatstheater Darmstadt bei.

Die unerkannten Juden
Sopranistin Megan Marie Hart und Pianist Giacomo Marignani af einem Bannerbild, das eine Veranstalltung mit dem Titel „Famous Muscians of Jewish Origin“ ankündigt.
Megan Marie Hart und Giacomo Marignani auf einer Ankündigung für „Famous Musicains of Jewish Origin“
/ Bildquelle: 100tage1700jahre.de, Foto Hart: © Robert Schittko, Foto Marignani: © Benjamin Weber

Die Freundinnen blieben weiter in engem Kontakt, sie trafen sich virtuell per Videoanruf. Als 2021 die Pandemiebeschränkungen langsam weniger wurden, ergab sich durch das nationale Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ für Megan Marie Hart die Gelegenheit, ein jüdisches Programm zu präsentieren. Die Auftaktveranstaltung der in Darmstadt unter „100 Tage, 1700 Jahre – jüdisches Leben in Darmstadt“ stattfindenden Event-Reihe war Harts Rezital „Famous Musicians of Jewish Origin“. Darin präsentierte sie gemeinsam mit Pianist Giacomo Marignani Arien berühmter Komponisten der französischen Grand opéra; der Kern des Rezitals waren allerdings Liederzyklen: „Drei Lieder“ von Erich Wolfgang Korngold, „Drei Sonette aus dem Portugiesischen“ von dem in Auschwitz ermordeten Viktor Ullmann und „Shema: 5 Poems of Primo Levi“, in dem der damals noch lebende Simon Sargon (1938–2022) Gedichte des Auschwitz-Überlebenden Levi vertont hatte. Das Konzept, berühmte Musiker, von deren jüdischer Abstammung die wenigsten wissen in Verbindung zu bringen mit lebenden Künstlern, die mit Werken über die Mahnungen der Überlebenden die Erinnerung an die Ermordeten erhalten, stellte sich als sehr erfolgreich heraus. Drei Mal sang Hart das Programm – Joanne Herzberg kam zur Premiere.

Frauenpower
Zum reinhören:

Aus der Reihe „Unerhört! Begegnungen mit Komponistinnen“ gingen im Jahr 2022 Studioaufnahmen hervor, unter anderen mit Giacomo Marignani am Piano. Audiostreams sind z. B. auf Spotify und Youtube zu finden.

Am Staatstheater Darmstadt hatten Operndirektorin Kirsten Uttendorf und Dramaturgin Isabelle Becker die Liederabendreihe „Unerhört! Begegnungen mit Komponistinnen“ entwickelt, in der Werke und Biografien von Komponistinnen vorgestellt wurden. An dem Format konnten sich jede Sängerin und jeder Sänger des Theaters beteiligen und nach dem Wechsel von Uttendorf und Becker an andere Häuser wurde es weitergeführt. Isabelle Becker wurde Chefdramaturgin am Theater Aachen, wo sie auch eine „Unerhört!“ Reihe einführte. Kirsten Uttendorf wurde Intendantin am Landestheater Detmold. Die Operndirektion in Darmstadt übernahm Søren Schuhmacher.

Für den 2025 bevorstehenden 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 plante man in Darmstadt einen Doppelabend: ein Werk in der Kammermusikreihe „Soli fan tutti“ mit Musikerinnen aus dem Opernorchester, dann eines in der „Unerhört!“ Reihe. Schuhmacher bat Hart, ein Holocaust Werk darzubieten. Da hatte Hart die Idee, die Gelegenheit zu nutzen, einen lang gehegten Traum von sich und Jo zu verwirklich. Sie wollte eine zeitgenössische Komponistin vorstellen, die aus den Briefen an Fred Herzberg einen Liedzyklus komponieren sollte.

Ein Traumprojekt
Bracha Bdil

Bracha Bdil, so schreibt die 1988 in Jerusalem geborene Komponistin brittisch-israelischer Abstammung ihren Namen für alle, die keine hebräische Schrift lesen können. Die offizielle Schreibweise ihres Namens in lateinischen Lettern ist Bracha Bat-Sheva Baddiel.

In Søren Schuhmacher und der Dramaturgin Frederike Prick-Hoffmann fanden die beiden begeisterte Unterstützer der Idee, und so begann Hart parallel zur Auswahl geeigneter Briefe mit der Suche nach einer Komponistin. Ihre Wahl viel auf die israelisch-britische Bracha Bdil, deren äußerst vielfältige Kompositionen sich zum großen Teil mit jüdischen Themen befassen. Hart wählte aus Hunderten von Briefen an Fred Herzberg und kürzte und bearbeitete die Texte, wo nötig, immer in Rücksprache mit Joanne. Die Frauen entschieden gleich zu Anfang, dass die Texte, die je zur Hälfte in Englisch und Deutsch vorlagen, alle auf Englisch vorgetragen werden würden. Zum einen war es für alle Beteiligten die Muttersprache, und zum anderen gebot das der Respekt für Freds Entscheidung, sich von Deutschland abzuwenden. Bracha Bdil erhielt Harts Libretto und begann mit der unendlich schweren Aufgabe, das Unfassbare zu vertonen. Aufgrund der politischen Lage war es den Frauen unmöglich, zueinander zu Reisen, die Kollaboration erfolgte per Videoanruf. Es entwickelte sich ein reges Hin und Her; immer wenn ein Satz fertig war, probte die Sopranistin ihn – erst alleine, dann mit Pianist Giacomo Marignani. In der letzten Woche vor der Uraufführung würden sich die beiden Frauen und Marignani zu gemeinsamen Proben treffen. Doch bevor es so weit war, erhielt Hart eine ganz besondere Anfrage.

Ein Angebot, dass sie nicht ablehnen konnte
Ankündigungsillustrationen für das Matinee-Konzert in „Berühmte Komponisten jüdischer Herkunft“ in Detmold und für die Uraufführung von „Letters to Fred“ von Bracha Bdil.
Ankündigungsillustrationen für das Matinee-Konzert und die Uraufführung
/ Fotos & Illustrationen: Stefan Romero Grieser / CC BY-SA 4.0

80 Jahre seit der Befreiung von Auschwitz, das war ein bedeutender Jahrestag in ganz Deutschland. Kirsten Uttendorf rief sie an, erzählt Megan Marie Hart, und fragte, ob sie am Tag zuvor, am 26. Januar vormittags ein jüdisches Programm am Landestheater Detmold aufführen könne, gerne ihr „Famous Musicians of Jewish Origin“ als Liedmatinee. Hart sagte ja natürlich und sehr gerne. Für einen Sonntagvormittag war das ursprüngliche Programm jedoch zu schwere Kost, so Hart. Aber sie hatte schon Ideen für die Matinee. Sie ersetzte die Grand opéra Arien mit Musicalliedern aus der Blütezeit des New Yorker Yiddisch Theatre und das Werk des im KZ ermordeten Ullmann mit Liedern aus „West Side Story“ von Leonard Bernstein und Stephen Sondheim. Die Korngold-Lieder behielt sie bei, wie auch Sargons teils zornigen „Shema” Zyklus, der ans Ende des Programms rückte. Das Resultat war ein vormittagstaugliches Programm, jetzt mit dem Titel „Berühmte Komponisten jüdischer Herkunft“. Kein Totengedenken, sondern Lieder, die die „jüdische Seele feiern“. Harts jüdische Lieder konnten endlich in Detmold stattfinden, mit Mathias Mönius am Flügel und mit Joanne im Publikum.

Alles an einem Tag
Joanne Herzberg:

„I was moved, really blown away, that this audience was so taken, that they jumped to their feet in appreciation.“

Für den Abend dieses bedeutsamen runden Jahrestages am 27. Januar waren überall unzählige konkurrierende Veranstaltungen geplant, noch dazu war es ein Montag. Das Staatstheater Darmstadt traf die weise Entscheidung, das Konzert auf Sonntagabend am 26. Januar zu verlegen. Für Hart bedeutete dies, dass sie vormittags in Detmold singen würde, ein kurzes Nachgespräch mit dem Publikum führen würde, um sich danach sofort auf den Weg nach Darmstadt zu begeben. Würde Jo das mitmachen wollen? Sie wollte. Und so kam es, dass Joanne Paula Herzberg die Einzige war, die an diesem besonderen Tag in Detmold mit „Berühmte Komponisten jüdischer Herkunft“ Megan Marie Harts Auswahl an Werken jüdischer Männern der Vergangenheit erlebte und am Abend desselben Tages mit der Uraufführung von „Letters to Fred“ die Geschichte ihrer eigenen Familie in dem Werk einer jüdischen Frau der Gegenwart. Die Komposition hebe eine weitere Augenzeugengeschichte hervor, sagt Herzberg, die anders ist, aber doch auch die Gleiche wie die aller anderen. „Ein wundervolles und horrendes Dokument in einem“.

Was sie fühlte, beim Applaus auf der Bühne?

„Ich war gerührt, wirklich überwältigt, dass dieses Publikum so angetan war, dass es vor Begeisterung aufsprang.“

 

  • Artikel von Detlef Obens / DAS OPERNMAGAZIN und Stefan Romero Grieser / DAS OPERNMAGAZIN
  • Bracha Bdil / Webpräsenz
  • Titelfoto: Standbild aus dem Video zu „Letters to Fred“; Retusche: Stefan Romero Grieser

 

 

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