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„ON THE MOVE“- Ballettabend Opernhaus Zürich / Wiederbegegnung, Entdeckung, Abschied
Mit einem spannenden und kurzweiligen Ballettabend ist dem Ballett Zürich ein weiterer Coup gelungen. Man konnte einmal mehr die Leistungen der Tänzerinnen und Tänzer bewundern und staunen, was dieses hervorragende Ensemble in jedem der drei Ballette dieses Abends leistete. (Rezension der Premiere v. 14.01.2023)
Zu einer geradezu emotionalen Wiederbegegnung kam es bereits im ersten Stück. Hans van Manenmuss man keinem Ballettliebhaber vorstellen, gehört er doch zu den wichtigsten Choreographen unserer Zeit und ist aus der Ballettwelt nicht wegzudenken. Er durfte im vergangenen Jahr seinen 90. Geburtstag feiern.
Zum Einstieg in das dreiteilige Ballettprogramm hatte man Hans van Manens Choreographie „On the Move“ ausgewählt, unter welchem Motto auch der ganze Ballettabend stand. Es handelte sich dabei um die Schweizerische Erstaufführung dieses 1992 für das Nederlands Dans Theater geschaffene Werks. Zur Musik von Sergej Prokofjews „Violinkonzert Nr. 1 D-Dur, op 19“ hat van Manen mit 7 Paaren einen virtuos choreographierten Reigen feinster Nuancen geschaffen. Ein Genuss, wie dabei Musik und Bewegung wunderbar miteinander verwoben sind. Vom ersten Moment an fühlt man sich von der außerordentlichen Präzision der Tänzerinnen und Tänzer in Bann gezogen. An dieser Stelle ist auch der Violinistin Hanna Weinmeister zu danken, welche das Konzert mit viel Emotion begleitete. Das Publikum zeigte sich sehr beeindruckt. Als dann Hans van Manen auf der Bühne erschien, wurde er mit einer Standing Ovation umjubelt. Ein ergreifender Moment an diesem Abend.
Eine Entdeckung war die gewagte Choreographie „Tal“ des jungen deutschen Louis Stienszur Musik von Claude Debussy und Maurice Ravel. Das Werk erlebte an diesem Abend seine Uraufführung. Außer einem riesigen dreidimensionalen mobilen Fantasieobjekt von der Bühnenbildnerin Bettina Katja Lange, welches als ein Felsen interpretiert werden kann, war die Bühne leer. Mit der raffinierten Lichtgestaltung von Martin Gebhardt werden darauf faszinierende Effekte erzielt. Bei teilweise halbdunkler Beleuchtung wirkt dieser Felsen mysteriös bis hin zu furchterregend. Die Choreographie zeichnet sich vor allem durch viele ungewöhnliche zeitlupenartige Tanzpartien aus und setzt für die Tänzerinnen und Tänzer eine schier unfassbare Körperdisziplin voraus. Die Soundcollagen von Michael Utz erfordern zusätzliche Aufmerksamkeit. Man kann nur erahnen, wie viele Proben erforderlich waren, um sich so auf diesem unebenen Terrain bewegen zu können.
Einen Abschied gab es auch zu erleben. Mit „Lontano“, seiner letzten Choreographie für das Ballett Zürich, verabschiedet sich Christian Spuckaus Zürich und wird nach elf erfolgreichen Jahren am Opernhaus Zürich der Intendant des Staatsballetts Berlin. Wenn man auf die vielen Arbeiten von Christian Spuck zurückschaut, kann man sich an äußerst eindrückliche Abende erinnern, welche stets von Phantasie, Respekt vor der Musik und unglaublichem Ideenreichtum geprägt waren. Er hat es verstanden, große Klassiker neu zu interpretieren und wichtige Choreographen nach Zürich zu holen, aber auch jungen Talenten eine Plattform zu bieten. Mit Freude durfte man erleben, wie sich dabei junge Talente zu Solisten entwickelten.
Im Werk „Lontano“ erscheinen die Tänzerinnen und Tänzer gleichsam aus dem Nichts des dunklen Hintergrundes und verschwinden nach den einzelnen Auftritten wieder dorthin. Ein interessantes Element stellt ein über der Bühne schwebendes Lichterobjekt des Bühnenbildners Rufus Didwiszusdar, welches Begrenztheit suggerieren soll. Da kommen nochmals alle Tänzerinnen und Tänzer zum Einsatz und es ist Christian Spuck gelungen, nicht mit einem Paukenschlag seine letzte Arbeit zu präsentieren, sondern mit ganz viel Feingefühl. Das Orchesterwerk „Lontano“ von György Ligeti und Musik von Fréderic Chopin, John Zorn und Alice Sara Ott bot ein Klangerlebnis, welches diesen Abend zu einem ganz besondern Abschluss brachte.
Zu der Leistung des Ballett Zürich kann man Christian Spucks Worte an der Premierenfeier benutzen, als er sagte: „You are not only Dancers, you are Artists“ und wenn dann noch Hans van Manen zitiert wird, der die Proben besucht hatte und alle auf sein Urteil gespannt waren, meinte: „Ihr macht das so wunderbar, ich gehe jetzt Mittagessen“, kann man sich wohl kein größeres Lob vorstellen.
Doch was wäre eine solche Aufführung ohne das großartige Orchester, Philharmonia Zürich, welches sich den enormen Herausforderungen dieser sehr anspruchsvollen Musikauswahl stellte. Die temperamentvolle Dirigentin Alevtina Ioffegab an diesem Abend ihr Debut am Opernhaus Zürich. Beim Zusammenspiel zwischen dem Orchester und den Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne ist höchste Präzision erforderlich. Dies gelang bis ins kleinste Detail und so wird diese Premiere als ein eindrücklicher Abend in Erinnerung bleiben.
Wer sich dies nicht entgehen lassen will, sollte sich rasch um Karten kümmern, denn die Nachfrage für die kommenden Aufführungen ist sehr groß.
Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH