Unter den Opernaufführungen der vergangenen Spielzeit in Dortmund war „Figaros Hochzeit“ (le nozze di Figaro) schon vom äusseren Erscheinungsbild her besonders erfreulich. Unterhaltsam wurde Mozarts geniale Musik der Darstellung menschlicher Emotionen in Arien und Ensembles durch passendes Spiel ergänzt (Inszenierung Mariame Clément), sodaß diese Produktion geeignet ist für eine Wiederaufnahme, die am vergangenen Sonntag als erste Vorstellung der neuen Spielzeit stattfand.
Da unter dem 3. März dieses Jahres über die Aufführung im „opernfreund“ ausführlich berichtet wurde und die damalige Beurteilung im wesentlichen unverändert zutrifft, genügen hier einige Anmerkungen besonders zur teilweise veränderten Besetzung.
Vorweg sei wiederholt, dass das emsige Treiben im Schloß des Grafen Almaviva besonders im ersten Akt dadurch sichtbar wurde, dass durch Striche auf dem Bühnenboden die Räume angedeutet wurden, in denen die Schloßbewohner für den Zuschauer sichtbar ihren Tätigkeiten nachgingen, dies alles unnötigerweise schon vor und während der Ouvertüre beginnend – das ist zur Zeit wohl Mode! (Bühnenbild und die prächtigen Kostüme des 18. Jahrhunderts Julia Hansen). Die Technik am Übergang vom ersten zum zweiten Akt klappte diesmal besser, die Rückwand des gräflichen Schlafzimmers senkte sich passend von oben auf die Bühne.
Gespannt durfte man sein auf Christiane Kohl, die nach Erfolgen in dramatischen Partien wie Senta oder – ganz großartig – Beatrice Cenci in Goldschmidts gleichnamiger Oper nun die Rolle der Gräfin übernahm, da wird Mozart häufig schwierig! Im II. Akt hörte man im Larghetto der Cavatine „Porgi amor“ bei hohen Tönen einige Schärfen und den Beginn von „Dove sono“ hat man vielleicht schon inniger gehört, der Triller zum Schluß war aber deutlich zu hören, die Stimme war für die Anforderungen der Partie beweglich genug und für die dramatische Darstellung des Schmerzes über die verlorene Gattenliebe, wie sie diese Inszenierung besonders erfordert, passend. Sehr passend fügte sie sich auch in die Ensembles ein, vor allem in das wunderbare Duett im wiegenden 6/8-Takt mit Susanna im III.Akt. über die sanften Abendlüfte (soave zeffiretto). Da kann man sich auf ihre „Elisabeth“ im „Tannhäuser“ freuen.
Ganz großartig in Gesang und Spiel war Ileana Mateescu als Cherubino, etwa drückten die drei Takte Adagio zum Schluß ihrer ersten Arie mit „E se non hochi m’oda“ fast dramatisch grosse Verlassenheit aus, bevor sie sich zum abschliessenden „parlo d’amor con me“ wieder faßte. Sehr schön klangen tiefe Töne und das schwierige pp-Duett mit Susanna im II. Akt „Aprite“ klappte fehlerfrei. Als Hauptperson der Oper beherrschte Julia Amos als Susanna überlegen in Darstellung und Gesang das Geschehen bis hin zur ganz innig gestalteten „Rosen-Arie“ im letzten Akt und bildete zusammen mit ihrem kernig singenden Figaro von Morgan Moody das Traumpaar dieser Aufführung.
Darstellerisch und singend zeigten Karl Heinz Lehner als Bartolo und besonders Ks. Hannes Brock als Basilio, wie man mit kleineren Rollen beeindrucken kann. Ganz witzig war, daß durch die Umbesetzung Hiroyuki Inoue als Gärtner Antonio mit Keiko Matsumoto als Barbarina eine auch der Herkunft nach passende Tochter hatte.
Größtes Lob gebührt wie in der schon besprochenen Aufführung den erhöht platzierten Dortmunder Philharmonikern, hier besonders den Hörnern und Holzbläsern, auch und gerade wenn sie zusammen mit Streichern spielten. Überlegen leitete Motonori Kobayashi, jetzt erster Kapellmeister und Vertreter des GMD, das musikalische Geschehen, erwähnt sei die furiose Temposteigerung ohne irgendwelche Wackler beim Finale des II. Aktes.
Viele kleine Einzelheiten machen nach zahlreichen Aufführungen noch besser als zu Beginn die schlüssige, witzige und musikalisch sehr gelungene Produktion unbedingt empfehlenswert. Mozart hatte bekanntlich mit seiner Bewerbung beim Kurfürsten in München keinen Erfolg, vielleicht war denn die dortige Kür des heutigen Fürsten ein Grund dafür, dass das Theater nur ungefähr zur Hälfte besetzt war. Die da waren, waren begeistert wie der Rezensent auch!
Rezensent: Sigi Brockmann/Der Opernfreund