Mozarteum Salzburg: Mitreißende Aufführung von Mozarts „Il re pastore“

Mozart-Matinee A. Fischer 2023: Adam Fischer (Dirigent), Mozarteumorchester Salzburg/Foto
© SF/Marco Borrelli

Am 20. August 2023 hatte ich das Vergnügen, Wolfgang Amadeus Mozarts Serenata Il re pastore KV 208 (1775) zum zweiten Mal im Großen Saal des Mozarteums in Salzburg zu genießen. Die Aufführung am 20. Oktober 2022 habe ich schon rezensiert. Da die meisten relevanten Fakten über die Vertonung von Pietro Metastasios Libretto durch den 19-jährigen Mozart in meiner vorherigen Rezension enthalten sind, werde ich sie hier nicht wiederholen. Ich würde hinzufügen, dass Pietro Metastasios Libretto auf verblüffend einfache Weise wichtige Lektionen erzählt, wie beispielsweise, dass Liebe wichtiger ist als politischer Einfluss, dass die Pflege von Beziehungen bedeutender ist als das Gewinnen von Argumenten und dass es klug ist zu erkennen, dass das Wohlergehen des Königreichs Vorrang vor der Aufrechterhaltung der Erbmonarchie hat. Die Aufführung im vergangenen Oktober war hervorragend, doch diese war noch aufregender, weil sie nicht rein Konzertant, sondern halb inszeniert (mit Kostümen und Schauspiel) stattfand.

 

Die Sopranistin Emöke Baráth sang in beiden Aufführungen die Rolle der Aminta, des Hirtenkönigs, die Mozart für den Soprankastraten Tommaso Consoli konzipiert hat. Seit letztem Oktober ist Baráths Interpretation noch weiter gereift, denn sie hat sich die Rolle ganz verinnerlicht und zu ihrer eigenen gemacht. Sie gab eine äußerst bewegende Interpretation von Amintas Rondò „L’amerò, sarò costante“ im zweiten Akt, die keinen Zweifel an der völligen Hingabe der Figur an Elisa ließ. Baráths lyrische Sopranstimme umfasst ein tiefes Register, das es ihr ermöglicht, die ganze Bandbreite der Musik zu erfassen, die Mozart für die Figur der Aminta geschrieben hat. Es war offensichtlich, dass Baráth diese Musik wirklich liebt und alles daran setzt, die Gedanken und Emotionen der Figur spürbar werden zu lassen.

In der Rolle des Alessandro (Alexander der Große) brachte der Tenor Daniel Behle eine besonders belebende Interpretation zu Gehör. Die Darbietung von Mark Milhofer, die ich im Oktober letzten Jahres gehört habe, war ebenfalls fesselnd, aber Behle verlieh ihr noch mehr Leidenschaft. Entscheidend ist, dass Behle ein gewisses Maß an Mitgefühl zum Ausdruck bringt, das Alessandro im Kontext dieser Serenata als wohlwollend idealisierten Monarchen für den Besuch von Erzherzog Maximilian Franz, einem Sohn von Kaiserin Maria Theresia, bei Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo in Salzburg zeigt. Obwohl Alessandro in diesem Werk fast väterlich ist, hat Behle der Figur ein gewisses Maß an Autorität verliehen, manchmal durch Stimmgewalt, wie in der Arie des ersten Aktes „Si spande al sole in faccia“.

Mozart-Matinee A. Fischer 2023: Nikola Hillebrand (Elisa), Emöke Baráth (Aminta), Mozarteumorchester Salzburg/Foto © SF/Marco Borrelli

Die größte positive Überraschung war die Leistung der warmen, lieblichen und eleganten Sopranistin Nikola Hillebrand in der Rolle der Elisa. Hillebrands Koloraturen waren erstaunlich, und noch beeindruckender war, dass sie komplexe Gesangslinien scheinbar mühelos sang, besonders in ihren Arien „Alla selva, al prato, al fonte“ (1. Akt) und „Barbaro! oh Dio mi vedi“ (2. Akt) sowie Elisas herzzerreißendem Duett mit Aminta am Ende des ersten Aktes „Vanne a regnar ben mio“. Hillebrands intensive Auseinandersetzung mit der Figur lässt leicht verstehen, warum Aminta bereit ist, auf seinen Anspruch auf den Thron von Sidon zu verzichten, um nicht von Elisa getrennt zu werden.

Eine weitere aufregende Gesangsleistung wurde von der Sopranistin Julie Roset als Tamiri erbracht. Roset glänzte in den beiden Arien von Tamiri und zeigte die aufrichtige Liebe der Figur zu ihrem Verlobten Agenore „Di tante sue procelle“ (1. Akt) und ihre Enttäuschung über dessen mangelndes Vertrauen in sie, nachdem Alessandro ihr befohlen hatte, Aminta zu heiraten und Königin von Sidon zu werden „Se tu di me fai dono“ (2. Akt). Rosets helle Sopranstimme und ihre hübschen Koloraturen strahlen Unschuld und Aufrichtigkeit aus.

Mozart-Matinee A. Fischer 2023: David Fischer (Agenore), Julie Roset (Tamiri), Daniel Behle (Alessandro), Mozarteumorchester Salzburg/Foto © SF/Marco Borrelli

Als Agenore, ein Adliger aus Sidon, verkörperte der Tenor David Fischer die Loyalität der Figur gegenüber Alessandro, die Hingabe an Amintas Wohlergehen und das Streben nach der Förderung der Interessen seines Heimatlandes. Fischers hohe Tenorstimme machte diese wankelmütige und zuweilen überreizte Figur so sympathisch, wie sie nur sein kann, selbst in seiner Wutarie im zweiten Akt „Sol può dir come si trova“.

Das Mozarteumorchester Salzburg spielte mit wesentlich mehr als nur Raffinesse und Respekt vor Mozarts Musik: sie musizierten mitreißend, intensiv, elektrisch und durch und durch engagiert. Der Dirigent Ádám Fischer zeigte enorme Leidenschaft für Mozarts Serenata und feuerte das Orchester mit emphatischen Gesten regelrecht an. Fischer, der unter anderem für seine Interpretationen von Mozart und Franz Joseph Haydn berühmt ist, wurde seinem Ruf gerecht, dass weniger gespielte Werke der Wiener Klassik mehr Aufmerksamkeit vom Publikum verdienen, als sie üblicherweise erhalten. Fischer und das Mozarteumorchester bewiesen nicht nur, dass die theatralischen Werke, die Mozart vor Idomeneo (1781) komponierte, in den „Kanon“ der häufig aufgeführten Opern gehören, sondern dass sie sogar lohnender sind als viele bekanntere Werke späterer Komponisten. Die begeisterten Ovationen des Publikums zeigten auch, dass aufwändige Kulissen für großartige Opernaufführungen überflüssig sind, die in erster Linie auf der Qualität der Musik und bis zu einem gewissen Grad auch auf der Körpersprache der Sängerbesetzung und ihrer Interaktion miteinander beruhen.

 

  • Rezension von Dr. Daniel Floyd / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Mozarteum Salzburg / Stückeseite
  • Titelfoto: Mozart-Matinee A. Fischer 2023: David Fischer (Agenore), Julie Roset (Tamiri), Adam Fischer (Dirigent), Nikola Hillebrand (Elisa), Emöke Baráth (Aminta), Daniel Behle (Alessandro), Mozarteumorchester Salzburg/Foto © SF/Marco Borrelli
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