Im Gespräch mit der Mezzosopranistin Hermine May

Hermine May / Foto @ das Bild, Wernecke, Detmold

Persönlich durfte ich die aus Rumänien stammende Mezzosopranistin Hermine May erst ein Mal erleben. Darum freue ich mich um so mehr, dass die Schülerin von Professorin Sylvia Geszty (1934-2018) an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und Trägerin einiger renommierter Preise, das Liedprogramm ihrer im Januar 2026 erscheinenden CD am 6. November 2025 im Hamburger Tschaikowsky-Saal vorstellt. Zuvor hier einige Gedanken der sympathischen Künstlerin zu diesen Ereignissen und einigem mehr. (Das Interview führte Birgit Kleinfeld von „Operngestalten“).

 

 

Birgit Kleinfeld (BK): Herzlich willkommen, liebe Frau May! Zu Beginn eines Gesprächs bitte ich meine Gäste immer gerne um einen kurzen persönlichen Abriss ihres Lebenslaufes, natürlich vorrangig auf Motivation für die Berufswahl und die musikalische Karriere bezogen.

CD-Cover/Hermine May

Hermine May (HM): Wenn es kurz sein soll, dann kann ich von mir behaupten, dass ich immer nur eine Sache wollte: Singen! Ich war und bin immer noch dabei zu brennen für diesen Beruf. Wenn ich nach meinem frühen Start doch sehr schnell zu meiner Carmen – Zeit kam, was ich viele Jahre in sehr vielen Vorstellungen genossen habe, so bin ich im Verdi und Wagner – Fach angekommen. Was uns Künstler sicher alle schier Kopf und Kragen gekostet hat, wird – man soll ja nicht immer nur negativ denken – irgendwann wieder besser werden. Jedenfalls bin ich dem Singen immer noch treu geblieben. Im Januar 26 kommt meine neue CD „L‘amour et la Mort“ bei Dabringhaus und Grimm heraus. Ein Liedprogramm mit französischen Liedern von Henri Duparc, die Wesendonck-Lieder von Richard Wagner und der Liebestod der IsoldeMeine Erfahrung versuche ich jungen Gesangsstudenten an der Hochschule für Musik und Theater Rostock weiterzugeben.

BK: Natürlich möchte ich mit Ihnen auch über die CD und Ihre Lehrtätigkeit sprechen. Gerade aber erinnere ich mich, dass ich Sie zum ersten Mal 2019 in der Elbphilharmonie Hamburg erleben durfte, Es war mein zweiter oder dritter Besuch in diesem Konzertsaal und Giuseppe Verdis Missa da Requiem in dieser Atmosphäre mit dem Orchestra & Chorus of Perm unter der Leitung von Teodor Currentzis war schon etwas ganz Besonderes. Meine Frage: haben Atmosphäre in einem Konzertsaal und/oder ein Dirigent, der – wenn auch polarisierend – sehr bekannt ist, Einfluss hat, auf ihre Empfindung, ihre Leistung.  Oder neutraler: Gehören Sie zu jenen, die empfänglich sind für die Energien zwischen Publikum/ Kollegen und Ihnen?

HM: Ja, Elbphilharmonie in Hamburg mit Verdi-Requiem! Ich habe es geliebt, in der Elbphilharmonie zu singen, und dann das Verdi-Requiem. Diesem Erlebnis ging eine nicht ganz einfache Probenzeit voraus. Wer mit Herrn Currentzis zwei Wochen in Russland musikalisch gearbeitet hat, der wird wissen, wie das sein kann. Aber man bleibt musikalisch professionell. Das muss man in diesem Beruf eben auch lernen. Es wird immer so sein, auch mit den Regisseuren, mit der Interpretation einer Rolle, dass man Kompromisse finden muss. Das kann ja positiv sein, dann sieht man die Dinge eben aus verschiedenen Blickwinkeln. Es gehört dazu, sich all diese Gedanken über Interpretationsmöglichkeiten zu machen. Es funktioniert immer, wenn es richtig durchdacht ist und nicht an der zu erzählenden Geschichte vorbeigeht. Die Musik sagt schon alles, löst schon alles aus, gibt schon alles vor. Natürlich nimmt es einen mit, emotional, energetisch, deswegen lieben wir diesen Beruf. Und wir lieben unser Publikum, wir wollen was geben, was empfinden, eine Schwingung spüren auf der Bühne wie auch mit dem Publikum. Man spürt, ob das Publikum mitgeht, dabei ist! Es gibt solche Abende!

BK: Und die spürt auch das Publikum, glauben Sie mir! Aber für Sie persönlich, gibt es Ereignisse, die so prägend waren, dass Sie gerne wiederholen würden? Und wann ist eine Vorstellung ein Erfolg? Wenn das Publikum jubelt oder wenn Sie einfach merken, dass Sie mit sich zufrieden sind.

Hermine May / Foto: Markus Nass

HMWenn ich Dinge wiederholen wollte, dann wäre das nochmal oder wieder mit Maestro Zubin Mehta zu arbeiten. Unvergessen werden mir Alexander Zemlinskys Maeterlinck-Lieder mit ihm und dem Israel Philharmonic Orchestra bleiben. So zu begleiten, so mit dem Sänger mit zu atmen, das passiert nicht oft. Es gibt noch ein paar andere tolle musikalische Momente mit großen Dirigenten, die ich nicht missen möchte, aber die müssen jetzt nicht alle genannt sein. Wann ist es ein Erfolg? Wenn ich weiß, dass ich zufrieden sein kann und wenn das Publikum zufrieden ist. Aber was heißt zufrieden sein? Man analysiert und kritisiert sich ständig  selbst, das muss auch so sein. Oft hat man jemanden, der einem ganz klar die Meinung geigt. Und es hört nicht auf, auch wenn man schon lange in diesem Beruf ist, man lernt ja auch nie aus!

BKWie wahr! Sie sind, darum auch meine recht emotionalen Fragen, eine Künstlerin mit großer Stimme, einem Repertoire, das nicht wenige leidenschaftliche Heldinnen der Opernliteratur umfasst und lehren auch. Leben Sie ihren Traum? Oder besser, wie schwer ist es jetzt auch Jahre nach der Pandemie, ihn weiterzuleben. Welche Auswirkungen hat diese Zeit auf Sie persönlich und auch auf Ihre jungen Schüler?

HM: Ja, ich lebe das, was ich immer wollte. Egal, wie schwer es ist. Diese Corona-Zeit hat uns wirklich hart getroffen. Es stand Tristan und Isolde und Walküre in meinem Kalender, dann kam Corona, alles aus, alles abgesagt. Und jetzt, danach, ist vieles einfach nicht mehr da. Es wird reduziert, gespart, gekürzt, in der Kunst am meisten.  Ich sehe, was los ist im Metier, auch was mit dem Nachwuchs passiert, wie sehr die jungen Leute kämpfen. Auch Hochschulen kürzen Stellen, die einfach nicht mehr neu besetzt werden. Erschreckend! Verträge, die dann doch platzen, fusionierte Theater, Festivals, die keine Sponsoren mehr haben. Es wird mit uns allen etwas machen, wenn die Kunst und Kultur auf der Strecke bleibt. Rede ich jetzt dramatisch? Tragisch? Nein, ich will glauben, dass sich der Wind irgendwann dreht.

BKNein, Sie reden authentisch und nennen das Kind beim Namen! Welch wirklich schönes Statement. Doch wie hat sich diese Zeit auf Ihre Lehrtätigkeit ausgewirkt? Was geben Sie Ihren Schüler/-Innen gerne mit?

Termine/Ankündigung/Logo-Hermine May

HM: Genau diese Tatsache gibt man natürlich auch an den Nachwuchs weiter, es wird immer noch schwieriger als es eh schon war. Wir mussten begreifen in diesen Krisenzeiten, dass wir dann doch nicht so wichtig sind. Aber man lernt, mit diesen Wahrheiten zu leben, man dreht und wendet sich, weil man es doch will: Singen! Und trotzdem, das Glas ist halbvoll!

BK: Damit hat sich meine nächste Frage schon erübrigt. Möchte ich doch wissen, ob nach dieser alles doch erschwerenden Zeit, Ihr Lebensglas sich manchmal doch eher halbleer anfühlt?  Zum Beispiel, weil sich Rollenträume nur verschoben, aber nicht zerschlagen haben?

HM: Ja, halbvoll. Und ja, ich will noch ein paar Rollen dazu bekommen. Und gerne wieder Kundry (Parsifal), Brangäne (Tristan und Isolde) oder auch Dalila (Samson et Dalila) singen, diese Rollen habe ich ja bereits im Repertoire.  Also sehen wir mal, was die Zukunft bringt, dass alles unberechenbar geworden ist, ist allen klar.

BK: Apropos Wagner,  Ihr neuer Liederabend „L‘amour et la Mort“. Wie entstand die Idee zu diesem Programm? Mich macht dieses Programm neugierig auf Ihr Konzert am 8.11. im Tschaikowsky Saal in Hamburg und vor allem auch auf Ihre CD mit selben Titel. Was ist anstrengender, eine CD aufzunehmen, und in der (Zwangs?-)Lage zu sein etwas ändern und verbessern zu können oder ein Live-Liederabend, eine Live-Vorstellung? Was liegt Ihnen persönlich mehr am Herzen, die Liedkunst oder die Darstellung einer Rolle?

Hermine May / Foto: @Scholzschoootspeople – Dietmar Scholz

HM: Sie erwähnten es ja bereits, das Liederabend-Programm ist das Programm meiner neuen CD „L‘amour et la Mort„. Wir haben das Programm zusammen mit meinem Pianisten Manuel Lange genau auf mich und meine Stimme abgestimmt. Das Thema Liebe und Tod ist durchgehend das Thema des Liederabends, der Tristan-Akkord zieht sich durch alle Stücke, somit der Einfluss Wagners auf andere Komponisten, in diesem Fall Henri Duparc und Franz Liszt. Warum dieses Repertoire? Ich fühle mich sehr wohl damit und habe auch Erfahrung mit genau diesem Repertoire. Zu ihrer Frage, was einfacher ist: So eine CD-Aufnahme bedeutet unglaublich viel Vorbereitung und Arbeit. Aber das braucht auch jede Rolle. Konsequent sollte man auf jeden Fall sein. Ich kann nicht sagen, was ich mehr mag. Ich versuche sehr intensiv bei allem was ich singe, dabei zu sein, egal ob es sich um eine Opernfigur oder einen Liederabend handelt.

BK: Ich danke Ihnen herzlichst für dieses Gespräch und wünsche Ihnen Erfolg für alle weiteren Projekte, sei es als Sängerin oder auch als junge Talente unterstützende Lehrkraft. – (Das Gespräch fand im September 2025 statt) –

 

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Ein Gedanke zu „Im Gespräch mit der Mezzosopranistin Hermine May

  1. Wunderbar und vertrauenswürdig sind die Aussagen von Hermine May. So authentisch! Sie liebt und lebt Musik. Das macht sie so besonders.

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