„Hänsel und Gretel“ am Theater Altenburg Gera – Märchenhafte Neuinszenierung

Theater Altenburg Gera/HÄNSEL UND GRETEL/ Foto @ Ronny Ristok

Die beliebte Märchenoper „Hänsel und Gretel“ gilt als Einstiegswerk für Kinder in die Welt der Oper, das nutzten am 26. November viele Familien am Theater Altenburg Gera. Vor ausverkauftem Haus spielte und musizierte eine glänzende Besetzung, in märchenhaft-mythischem Bühnenbild. (Rezension der Vorstellung v. 26.11.2022)

 

 

 

Wurde die Ouvertüre noch bei geschlossenem Vorhang vom Philharmonischen Orchester Altenburg Gera unter dem hervorragenden Generalmusikdirektor Ruben Gazarian innig-intensiv musiziert, warteten schon die neugierigen Kinder im Publikum auf den Beginn der Bühnenhandlung. Die kindgerecht gestaltete Bühne von Duncan Hayler prägte das dürftige Strohhaus der ärmlichen Eltern mit einer Leiter, einer Wäscheleine, die Hänsel in ungestillter Lebensfreude verwüstete, originalgetreuer mystisch-dunkler Bäume in der Waldszene, die an einen Märchenwald gemahnen ließen, den freundlich blickenden Mond, einen schwebenden Tannenbaum, der an Weihnachten erinnerte, und später als Highlight das etwas kleine, aber desto farbenfroher gestaltete Hexenhaus auf der Drehbühne. Die Handlung verbildlichten ferner Schattenspiele und ein naturgetreues Gewitter auf der Leinwand, was als tadellose Möglichkeit gewinnbringend wirkte.

Theater Altenburg Gera/HÄNSEL UND GRETEL/ Foto @ Ronny Ristok

Regisseur Kay Kuntze entschied sich dazu, die Traumhandlung von Hänsel und Gretel, die im Wald eingeschlafen waren, auszuweiten, und bis zum Ende des Stückes zu dehnen. So tauchen erst nach dem Wiedererscheinen der Eltern, die originalen Hänsel und Gretel in ärmlicher Kleidung aus der Unterbühne schlafend hervor. Dadurch wird die märchenhafte Handlung realistisch eingebettet. Die besungenen 14 Engel erscheinen auf beleuchteter Rundbühne sehr wirkungsvoll. Während der Traumhandlung wechseln alle ihre Kleidungs-, teils auch Haarfarbe. So erscheint Hänsel in Grün, Gretel in Rot, der Vater in Grün-Gelb-Rot, nur die Mutter bleibt ihrer alten Kleidung erstaunlich treu. Wunderbar auch das Hexenhaus, umrahmt von leuchtenden Erdbeeren, die zum Gesang der Hexe strahlend aufleuchten, umrandet von einem Zaun aus Plätzchenformen. Es sind jedoch am Hexenhaus keine Lebkuchen angebracht, die die Kinder faszinieren, sondern buntes Obst aus aller Welt, was wohl erzieherisch wirken soll. Denn würden Kinder nicht Süßes dem Gesunden vorziehen? Die Kinder wurden von der Hexe am Haus festgebannt, scheinen dort angeklebt zu sein, während die Hexe listig durch das geöffnete Dach blickt. Der Stall, in den Hänsel dann gesperrt wird, öffnet sich magisch von selbst und Hänsel muss durch den Zauberspruch der Hexe willenlos hineintaumeln.

Theater Altenburg Gera/HÄNSEL UND GRETEL/ Foto @ Ronny Ristok

Einziges wirkliches Manko ist der Hexenritt, der von der Regie leider zu merklich vernachlässigt wurde, obwohl er gerade das ist, was Kinder in den Bann zieht. Beim Erklingen des Hexenritts rudert die Knusperhexe gelangweilt mit einer überdimensionalen Zahnbürste in der Luft umher. Dann erscheinen Kinder, wahrscheinlich wurden sie verzaubert, und schreien auf der Bühne, auch hier wird der Zusammenhang nicht ganz klar. Auch dem Hineinschieben der Hexe in den Ofen fehlt die Bühnenwirkung. Der Ofen ist viel zu klein und die Hexe wird fast nicht geschoben, sondern kriecht scheinbar selbst hinein. Hinter der kleinen Ofenöffnung kann man sie teilweise noch liegen sehen. Dann ein großer Bühnenknall und Luftschlangen fliegen durch das Publikum. Der Ofen müsste größer sein, mehr in Szene gesetzt werden und natürlich auch mehr rauchen, wenn die große Hexe hineingeschoben wird. Der Jubel der beiden Kinder wirkte auch begrenzt. Zum Schluss erscheint der Kinder- und Jugendchor des Theaters Altenburg Gera in bunten Farben, sie spielen die erlösten Kinder, die Hand in Hand singen und tanzen. Dadurch, dass überwiegend Jugendliche zur Darstellung ausgewählt wurden, waren sie gleichgroß mit den Hauptdarstellern, was die Kinderwirkung von Hänsel und Gretel nur verbesserte. Später zeigte sich zum passenden Text des Vaters ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift „Wunder“, für alle, die der Handlung bisher nicht folgen konnten.

Theater Altenburg Gera/HÄNSEL UND GRETEL/ Foto @ Ronny Ristok

Als Gretel, bravourös im mädchenhaften, unbekümmerten, den Bruder zurechtweisenden Spiel, präsentierte sich Julia Gromball, ärmlich gekleidet, in sehr deutlicher Artikulation mit hellem lyrischem Sopran die Partie völlig ausfüllend. Dazu trat Joanna Jaworowska als Hänsel mit überaus präziser Diktion und dunklem Timbre in glaubwürdigem jungenhaftem Spiel. Beide genannten Sängerinnen sind Mitglieder des Thüringer Opernstudios und gaben einen glänzenden Einstand in die Theaterwelt. Anne Preuß verkörperte die Mutter hausfraulich im dunklen Kleid mit weißer Schürze, mit durchdringendem Sopran, aber leider durchweg unverständlicher Diktion, was für Kinder, die erstmals die Oper besuchen, erschwerend wirkt. Alejandro Lárraga Schleske gab einen beherzten, leicht angetrunkenen Vater mit Buckelkorb, meisterhaft in Artikulation und Darstellung. Dazu tritt fulminant artikulierend Alexander Voigt als bauchfreie Knusperhexe, ganz in schwarz, mit kaputter Hose und langen Fingernägeln. Ihm gelingt durchaus eine humorvolle Darstellung, doch werden von der Regie einige Register nicht gezogen. So wird der Hexenritt zu wenig ausgekostet. Als Sandmännchen (aus dem Off) und Taumännchen fungiert Olivia Warburton mit hellem, klaren, feinem, aber sehr deutlichem Gesang. Als Taumännchen schimmert sie dunkelrot-goldig, und hängt feenhaft von der Bühnendecke herab. Dazu steigen Seifenblasen auf.

Eine völlig kindgerechte Inszenierung, mit kleinen Mängeln, die sowohl Spannung, als Mystik, Geheimnisvolles wie Märchenhaftes brillant miteinander verbindet und somit eine faszinierende Möglichkeit schafft, Kindern den Zugang zur Welt der Oper zu eröffnen.

 

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