Francois-Xavier Roth zum Zimmermann-Konzert am 12. Februar 2022 in der Kölner Philharmonie

Francois-Xavier Roth / Foto @ Holger Talinski

Am 12. Februar 2022 wollte François-Xavier Roth, Kölner Generalmusikdirektor, mit seinem Gürzenich-Orchester und dem Ensemble der Oper Köln die Oper „Die Soldaten“ von Bernd Alois Zimmermann in einer konzertanten Installation von Calixto Bieito in der Kölner Philharmonie aufführen. Er hatte mit der Premiere der Oper in der Inszenierung von Carlus Padrissa/La Fura dels Baus am 29. April 2018 im Kölner Staatenhaus das Kulturereignis des Jahres 2018 aus der Taufe gehoben,  53 Jahre nach der Uraufführung des lange als unspielbar geltenden Werks im Kölner Opernhaus am Offenbachplatz.

 

 

Aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens und der angespannten pandemischen Lage haben das Gürzenich-Orchester und die Oper Köln beschlossen, die Produktion von »Die Soldaten« in eine der kommenden Spielzeiten zu verschieben. Dies betrifft auch die Vorstellung am 12. Februar 2022 in der Kölner Philharmonie.

Anstelle der geplanten Aufführung entwickeln der Regisseur Calixto Bieito und Gürzenich-Kapellmeister François-Xavier Roth gemeinsam ein alternatives Programm. Unter dem Titel »Canto di Speranza« – Human Sculptures of Absurdity, Melancholy and Violence erweisen sie Bernd Alois Zimmermann mit Schlüsselwerken seiner Orchestermusik ihre Hommage. Neben dem Gürzenich-Orchester Köln wirken zwei der für »Die Soldaten« vorgesehenen Solisten, Alexandra Ionis und Leigh Melrose, an der Konzertinstallation mit.

Ich habe mit Herrn Roth am 8. Februar in einer Pause zwischen den Proben zum Zimmermann-Konzert am 12. Februar 2022 telefoniert.

Das Opernmagazin – OM: Monsieur Roth, mit „Die Soldaten“ haben Sie vor vier Jahren die Chancen der Spielstätte „Staatenhaus“ optimal genutzt. Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Stück, Auftragskomposition der Stadt Köln von 1960, jetzt in der Kölner Philharmonie aufzuführen?

François-Xavier Roth – FXR: Wir wollten das Stück in anderem Kontext, dann auch in der Elbphilharmonie in Hamburg und in der Philharmonie de Paris, präsentieren. Calixto Bieito wird eine kleine Inszenierung dazu machen, eine Installation. Es wird nur verschoben. Und am Samstag bringen wir ein schönes Mosaik von vier Werken von Bernd Alois Zimmermann, auch mit elektronischer Musik. Damit gehen wir auch nach Hamburg.

Hier der Chef selbst über das Konzert am Samstag: https://www.facebook.com/GuerzenichOrchester/videos/309118467907101

„Roi Ubu“, die „Sinfonie in einem Satz für großes Orchester in der zweiten Fassung“, dann sein letztes Werk „Stille und Umkehr“ und „Photoptosis“, Prélude für großes Orchester, das ist ganz tolle Musik.

Es wird eine Inszenierung mit einer Sängerin und einem Sänger, die sprechen, und mit einem Lichtapparat geben. Es wird also ein unkonventionelles Konzert.

OM: Sie haben das Gürzenich-Orchester mit zeitgenössischer Musik geschliffen. Sind die Orchester-Musiker*innen und Sänger*innen heute anders ausgebildet als 1965? Man berichtet, bei der Uraufführung 1965 durch Michael Gielen seien Sänger*innen und Bläser überfordert gewesen.

FXR: Definitiv! Die Musiker heute kennen die Werke der zeitgenössischen Komponisten schon und gehen souverän damit um. Zimmermann war seiner Zeit weit voraus. Er wurde zu seiner Zeit noch nicht gut verstanden. Er war mit seiner Musik eine Generation zu früh.

Der Westdeutsche Rundfunk hat ja auch sehr viel für die Musik der Zeit getan.

OM: Sie haben 2021 „Written on Skin“ von George Benjamin in Köln aufgeführt, leider nur als Stream. Kommt es bald live, und sehen Sie in solchen Stücken – wenige Musiker*innen und fünf Sänger*innen – besondere Chancen?

FXR: Leider befindet sich das Stück nicht mehr im Repertoire, es wird also in der Form nicht wieder aufgeführt. Ich finde es sehr schade, dass man es nur als Stream sehen konnte. Natürlich wäre es live besser gewesen!

OM: In dieser Spielzeit haben Sie „Hänsel und Gretel“ in der Kölner Oper einstudiert und die meisten Vorstellungen selbst dirigiert. Und beim Gürzenich-Orchester sind die Hörner sauber intoniert! Was sehen Sie in dem Stück?

FXR: Ich habe es immer geliebt! Es ist ein besonders feines Juwel romantischer Musik. Und es war eine besonders schöne Inszenierung von Béatrice Lachaussée in Köln. Es hat mir Freude gemacht.

OM: Das bringt uns zu Wagner. Sie haben „Tannhäuser“ und „Tristan und Isolde“ in Köln aufgeführt. Was macht Wagner so interessant?

FXR: Wagner ist unglaublich faszinierend. Ich sehe ihn als Fortsetzung von Beethoven, Schumann und Weber, nicht als Bombast. Ich probiere chronologisch, demnächst ist „Lohengrin“ dran, aber nicht in der Oper Köln.

OM: Werden Sie den „Ring“ in Köln dirigieren? Es gibt ja den von Robert Carsen im Depot bzw. in Madrid, da warte ich nur darauf, dass er wieder in Köln kommt.

FXR: Dazu kann ich noch nichts sagen. Es hat jedenfalls der zukünftige Intendant Hein Mulders die Planungsarbeit längst aufgenommen, und es wird ein spannendes Programm in Köln geben, und es wird Wagner geben. Der hat in Köln ja große Tradition.

OM: Sie haben im Sommer 2021 Gounods „Faust“ in der Urfassung mit gesprochenen Dialogen einstudiert und kurzerhand den Text des Mephisto selbst gesprochen.

FXR: Das war ein Einfall des Regisseurs Johannes Erath. Gesprochene Texte in Opern sind immer schwierig!

OM: Sie bringen französische Musik – Berlioz, Gounod, Offenbach – nach Köln und Zimmermann nach Frankreich?

FXR: Ja, das ist meine Absicht. Zimmermann ist, abgesehen von seiner Oper „Die Soldaten“, in Frankreich noch unbekannt. Ich dirigiere auch die Solokonzerte. Da gibt es eine Achse Köln-Paris, das sind kulturelle Partnerstädte. „Die Soldaten“ bringen wir dann auch in Paris in der Philharmonie wenn wir die Produktion nachholen.

OM: War es für Sie eine Enttäuschung, dass die Kölner Oper 2015 nicht fertig war, und Sie in einem Provisorium arbeiten mussten?

FXR: Nein, nicht wirklich. Das Staatenhaus gibt uns die Chance, alte Formen neu zu erleben. Und „Die Soldaten“ war damals ein unglaublicher Impact, darauf kann die Kölner Oper schon stolz sein!

Monsieur Roth, ich danke für dieses Gespräch.

Mehr dazu und Karten: https://www.koelner-philharmonie.de/de/programm/canto-di-speranza/2758

 

  • Das OPERNMAGAZIN-Interview führte Ursula Hartlapp-Lindemeyer
  • Titelfoto: François-Xavier Roth /@ Agentur
Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert