
Nachdem ich die Premiere von Giuseppe Verdis Falstaff an der Oper Leipzig für Das Opernmagazin rezensiert hatte, habe ich mir am 12. Oktober 2025 eine Aufführung der Neuinszenierung an der Semperoper Dresden unter der Leitung von Danielle Gatti, seit der vorigen Saison Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden, angesehen. Die musikalische Darbietung war hervorragend, allerdings hat die neue Inszenierung wesentliche Aspekte der Oper verfehlt, indem sie sich auf eine Nebensache konzentrierte, nämlich das Alter der Titelfigur.
Arrigo Boitos Adaption von William Shakespeares Figur Falstaff schafft einen Ausgleich zwischen Komik und Tiefsinn, insbesondere in den Betrachtungen über die Vergänglichkeit unseres Daseins. In Boitos Fassung kann Falstaff als traurige Figur angesehen werden, obwohl ihm in der Oper keine große Katastrophe widerfährt, da er sich eindeutig danach sehnt, wieder jung zu sein und die Liebe zu erleben, die er offenbar nie erfahren hat. Falstaff, dessen Launen mal humorvoll, mal romantisch und mal bekümmert sein können, verkörpert die sieben Todsünden: Hochmut, Habgier, Zorn, Neid, Wollust, Völlerei und Faulheit. Er ist somit als Karikatur zu verstehen, die veranschaulicht, was mit denen passieren kann, die sich so verhalten wie er. Mit anderen Worten: Falstaff ist eine ernste Komödie, in der das Lachen über die Figuren oder Ereignisse gleichbedeutend ist mit der Verspottung unserer selbst.
Eine gewisse Tristesse durchzieht selbst die scheinbar fröhlichsten oder lustigsten Szenen. Die knappen Duette zwischen Nannetta und Fenton haben einen melancholischen Beiklang, und ihre Kürze deutet auf die Vergänglichkeit der Jugend, der Liebe und des Lebens selbst hin. Die ernsten Themen dieses Werks werden durch den Kontext, in dem sie auftreten, manchmal lächerlich gemacht. Der reiche Bürger Ford hat im ersten Akt einen Ausbruch von Eifersucht, der tragisch klingt und an Tragik grenzt („E’ sogno o realtà?… [Ist es Traum oder Wirklichkeit?…]“), wäre da nicht die Tatsache, dass er sich gerade unter dem falschen Namen Fontana bei Falstaff vorgestellt und diesen bezahlt hat, um seine Ehefrau Alice zu verführen, in der Hoffnung, ihn zu überführen.
In der Titelrolle lieferte der Bariton Nicola Alaimo eine wahre Meisterleistung ab und fing die vielfältigen und schnell wechselnden Stimmungen der Figur ein: Hochmütigkeit, Charme und Liebenswürdigkeit als versuchter Verführer, scheinbare Genialität gegenüber Quickly und anfangs auch zu Ford (verkleidet als Fontana) und Melancholie zu Beginn des dritten Aktes. Alaimos Bühnenpräsenz und sein Charisma ermöglichten es ihm, eine Darbietung zu geben, die wie Falstaff selbst den Humor in den Situationen erkannte. Ich hatte das Vergnügen, ihn zweimal als Figaro in Il barbiere di Siviglia in Salzburg und Verona zu hören.

Eine lustvolle und eloquente Mrs. Alice Ford wurde von der Sopranistin Eleonora Buratto dargestellt, während als Mrs. Meg Page die Mezzosopranistin Nicole Chirka zu erleben war. Buratto und Chirka brachten die üppig schöne Melodie in dem etwa 10 Sekunden langen Abschnitt „Fulgida Alice/Meg! amor t’offro … amor bramo“ zum Vorschein, in dem Alice und Meg in Akt 1, Teil 2, Falstaffs Briefe lesen. Die Altistin Marie-Nicole Lemieux war eine witzige Mrs. Quickly, und die Sopranistin Rosalia Cid war eine verlockende Nannetta mit beeindruckenden hohen Tönen.
Der Bariton Lodovico Ravizza war ein kraftvoller Ford mit explosiven Temperament, während der Tenor Juan Francisco Gatell einen zärtlichen, charmanten Fenton darstellte. Simeon Esper (Tenor), Marco Spotti (Bass) und Didier Pieri (Tenor) waren ebenso stimmlich überzeugend als Bardolph, Pistol und Dr. Cajus, der Bräutigam, den Ford für seine Tochter Nannetta ausgewählt hat. Der von Jan Hoffmann einstudierte Sächsische Staatsopernchor Dresden sang in der Schlussfuge prächtig.
Gatti hat diese prägnante, umfangreiche Partitur mit Finesse, dionysischer Leidenschaft und Präzision dirigiert, wodurch die reichhaltigen Einzelheiten deutlich hörbar wurden. Interessanterweise wählte Gatti Falstaff als Auftakt seiner Amtszeit, genau wie Ivan Repušić an der Oper Leipzig. Zuvor habe ich bereits eine Aufführung der Sächsischen Staatskapelle einer Verdi-Oper, Aida, im März 2022 rezensiert.
Die Inszenierung von Damiano Michieletto (Bühnenbild: Paolo Fantin, Kostüme: Agathe MacQueen) berücksichtigte die in diesem Werk innewohnende Wehmut. Michieletto verwandelte Falstaff in „Sir John“, einen Rockgitarristen und Sänger, der von der großen Bühne in kleine Musiklokale abgestiegen ist, aber weiterhin Plakate aus seiner Glanzzeit verwendet. Die abstrakten Schauplätze mit Neonlicht enthielten Requisiten wie eine Discokugel, E-Gitarren, Mikrofone, jede Menge Bierdosen und -flaschen sowie Kostüme, die an die Kleidung von Bands aus den 1970er Jahren erinnerten. In dieser Inszenierung ist Falstaff daran gewöhnt, dass seine Fans ihm Aufmerksamkeit schenken, aber er interessiert sich stets für sein eigenes Ego.

Anstatt in einem Wäschekorb versteckt zu sein, aus dem Falstaff am Ende des zweiten Aktes in die Themse geworfen wird, wurde eine Mülltonne voller Bierdosen auf ihn entleert. Im zweiten Teil des dritten Aktes, der Mitternachts-Maskerade im Windsor Park, erscheint Falstaff in einem glitzernden Anzug und Nannetta (laut Libretto als Königin der Feen kostümiert) ist wie eine Revuetänzerin gekleidet. Der übrige Teil der Kompanie, der alt und krank aussieht (anstelle von Geistern, Kobolden und Elfen), symbolisiert auf vereinfachte Weise die Flüchtigkeit des Lebens.
Wenngleich Falstaff ein reifer Mann ist und mehrfach auf sein Alter Bezug nimmt, spielen Alice, Meg und Quickly ihm einen Streich, weil er zwei verheirateten Frauen identische Liebesbriefe geschickt hat. Weder Alice noch Meg hatten ihm zuvor Interesse entgegengebracht, sodass er keinen Grund hatte, von einer der beiden eine positive Reaktion zu erwarten. Noch wichtiger ist, dass Falstaff nicht in erster Linie von Liebe oder Sexualität motiviert ist, sondern vom Geld ihrer Ehemänner, zu dem sie Zugang haben. Er äußert sich entsprechend im ersten Teil des ersten Aktes, als er Ford, Alices Ehemann, gegenüber Bardolph und Pistol als „Quell’uomo è un gran borghese…[Er gilt für einen reichen Bürger]“ beschreibt. Falstaff erwähnt zwar Alices körperliche Vorzüge, begehrt jedoch vor allem Fords Geld und möchte von ihr bestätigt werden, dass er noch attraktiv ist. Über Meg sagt Falstaff: „E anch’essa tien le chiavi dello scrigno [Und sie führt auch den Schlüssel zur Kasse].“ Falstaff wird anschließend von den Empfängerinnen seiner Briefe für seine arrogante Haltung, seine Eitelkeit und seine Gier bestraft. Michieletto minimiert diese Kernpunkte, um sich auf Falstaffs Alter zu konzentrieren, das jedoch nicht der Auslöser für die Intrige gegen ihn ist. Die letzte Szene der Oper in einem Altenheim anzusiedeln, in dem die Bewohnenden Falstaff necken und verspotten, übertreibt die Angabe seines Alters.
Als ich das Opernhaus verließ, fragte ich mich, ob Alice und Meg anders reagiert hätten, wenn sich ein junger Mann genauso verhalten hätte. Arroganz, Egoismus und Dummheit kennen kein Alter.
- Rezension von Dr. Daniel Floyd / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Semperoper Dresden / Stückeseite
- Titelfoto: Semperoper Dresden/ FALSTAFF/Simeon Esper (Bardolfo), Nicola Alaimo (Sir John Falstaff), Marco Spotti (Pistola)/Foto © Semperoper Dresden/Jochen Quast