Ergreifend, leise, hoffnungsvoll – Debüt-CD von Dorothea Herbert „Die stille Stadt“

CD Cover

Mariettas „Glück, das mir verblieb`“, ist eines der bekanntesten Stücke aus Korngolds Oper DIE TOTE STADT. Damit endet die CD von Dorothea Herbert auf sehr besondere, sehr innige Weise. Die Sopranistin hat sich für ihre Debüt-CD Lieder von Alma Mahler, Franz Schreker und eben auch von Erich Wolfgang Korngold ausgesucht. Der Auswahl dieser Lieder lag Dorothea Herberts eigenes Empfinden in der Zeit der Pandemie, der Vorstellungsausfälle, der künstlerischen Auftrittsverbote und der damit verbundenen Unsicherheit zugrunde. Sie selbst sagt dazu: „Ich glaube nicht, dass dies ohne die Pandemie passiert wäre. Weil so viele Produktionen auf einmal abgesagt wurden, hatte ich plötzlich Zeit, ein Albumprogramm aufzubauen und aufzunehmen. Natürlich bezieht sich der Titel „Die stille Stadt“. auf das, was wir durchgemacht haben und aufgrund Corona immer noch vor uns haben. Diese Liedersammlung nimmt den Hörer mit auf eine Rundreise, von Alma Mahlers Vision einer ruhigen Stadt kurz vor Einbruch der Dunkelheit, bis hin zu Korngolds „Die tote Stadt“, das trotz seines Titels ein Werk voller Hoffnung ist. Es sagt uns, dass der Tod nicht das Ende ist, dass er Teil des fortlaufenden Kreislaufs des Lebens ist.

 

Anspruchsvoll, so besonders, so ergreifend…, das waren die spontanen Eindrücke, die mir nach dem ersten Anhören von Dorothea Herberts CD in den Sinn kamen. Und daran hat sich auch nach mehrmaligen Anhören des Albums „Die stille Stadt“ nichts geändert. Die Sopranistin hat sich für ihre erste CD-Einspielung überhaupt ein Programm zusammengestellt, mit dem sie ihren eigenen Empfindungen und Emotionen in der Coronazeit auf musikalische Weise Ausdruck verleiht. Einfach ergreifend, still und hoffnungsvoll. Vorgetragen mit großem gesanglichen Ausdruck von Innigkeit, Nachdenklichkeit, aber auch Freude – eben: Hoffnung. Jedem einzelnen Lied verleiht Frau Herbert dem ihm eigenen Zauber, eigenen Sinn und Ausdruck. Dazu in einer klaren Textverständlichkeit, die das beiliegende Booklet fast überflüssig macht. Und dennoch lohn sich in jedem Fall die Texte der Lieder nach- oder mitzulesen. Wundervolle Texte, meisterlich von den jeweiligen Komponisten – und der Komponistin – vertont. Musikalische Kleinode.

Dorothea Herbert/Photo: Marleen Dalhuijsen

„Ich habe mir während des Lockdowns die Zeit genommen, ein Programm zu entwickeln, das Themen aufgreift, mit denen sich viele von uns befasst haben (Stille, Hoffnung, Einsamkeit, Traurigkeit – ähnlich einer Neun-Punkte-Skala, von sehr unwichtig bis sehr wichtig, zur Überwindung dieser äußerst schwierigen Zeit). Dies drücke ich durch die Lieder von Korngold, Schreker und Alma Mahler aus. Die Idee war, die CD „Die stille Stadt“ zu nennen. Eine Stadt, die niemals stillsteht, verstummt auf einmal und wird still.“ (Dorothea Herbert)

Die ersten 6 Lieder auf dieser CD sind von Alma Mahler (1879-1964), die zwischen 1911 und 1924 erschienen sind. Das dem Album den Namen gebende Lied „Die stille Stadt“ (Text von Richard Dehmel) ist das erste auf dem Album. „Liegt eine Stadt im Tale, ein blasser Tag vergeht, es wird nicht lange dauern mehr, bis weder Mond noch Sterne – nur Nacht am Himmel steht…„. So beginnt das Lied und mit dieser Stimmung auch die CD von Dorothea Herbert. Und wie besinnlich-passend dazu auch das Klaviernachspiel zu diesem Lied von Alma Mahler. Überhaupt sind die Texte bei Alma Mahlers Lieder von besonderer ausdrucksstarker Kraft, ein jedes durch Dorothea Herbert in seiner Stimmung und Aussage höchst überzeugend dargeboten. Die folgenden 7 Lieder von Franz Schreker (1878-1934) schliessen sich in Gefühl und Ausdruck denen von Alma Mahler an. Besonders herausheben möchte ich hier das Lied „Traum“ (Text von Dora Leen), welches mit den Worten „Da habe ich still von dem Schein, mich still von den Blüten gewandt, und ging die Strasse von Stein, die Liebe an der Hand“ endet und das folgende Lied „Spuk“. Wieder von Dora Leen geschrieben, vertont Schreker auf die ihm ganz besondere Weise Zeilen wie: „Im Mondgeflimmer, im Zauberschimmer, führen die Elfen den Reigen, fernher leise, fröhliche Weise tönen klingende Geigen„.

Erich Wolfgang Korngold (1897-1957) beschliesst das Liedalbum. Zunächst mit 5 Liedern aus seinen Op. 27 „Unvergänglichkeit“, sodann mit drei Liedern aus seinem Opus 22 und eben dem anfangs erwähnten „Glück, das mir verblieb…“. Korngolds Lieder lassen, ähnlich wie Schrekers Liedkompositionen, den Eindruck auf den Komponisten von Opern zu und haben eine besondere Faszination. Hört man dem Lied „Das eilende Bächlein“ – Nr. 15 auf der CD – (Text von Eleonore von der Straaten) zu, vermittelt es sofort durch die Klavierbegleitung das leise und eilige Plätschern eines Baches. Man fühlt die Musik.

Am Ende ihres Albums singt Dorothea Herbert Mariettas „Glück, das mir verblieb“ aus Korngolds Oper „Die tote Stadt“. Die letzten Zeilen lauten: „Naht auch Sorge trüb, Rück zu mir, mein treues Lieb. Neig dein blass Gesicht – Sterben trennt uns nicht. Mußt du einmal von mir gehn, glaub, es gibt ein Auferstehn.“ Herbert legt in dieses Musikstück all ihre Erfahrung und ihr interpretatorisches Können hinein und lässt ihre CD auf hoffnungsvolle Weise enden.

Dorothea Herbert/Photo: Linda Rabisch

Mein Fazit: Dorothea Herbert und ihr musikalischer Begleiter am Klavier, Peter Nilsson, haben eine CD eingespielt, die mich ab dem ersten Moment an in ihren Bann gezogen hat und deren Wirkung eine sehr besondere ist. Herbert versteht es vorzüglich den Liedern ihre Stille und Innigkeit zu vermitteln, aber auch deren Freude und Hoffnung. Sie setzt dazu ihren Sopran, je nach Stimmung und Aussage des Liedes, höchst überzeugend ein und verleiht dadurch ihrer Erstlings-CD einen sehr besonderen Zauber. Mal zurückgenommen, aber dann auch expressiver, wenn es gefordert ist, drückt sie den Liedern ihren eigenen Stempel auf. Es ist zu spüren, dass diese CD und die Auswahl der Stücke eine Herzensangelegenheit der Künstlerin sind. Absolute Empfehlung von mir und meinem DAS OPERNMAGAZIN für diese CD, die auch in ihrer Aufmachung- wie u.a. dem umfangreichen Booklet mit seinen vielfältigen Informationen – punkten kann.

Und gleich noch das nächste Dorothea Herbert-Debüt:

In Vorbereitung auf diese CD-Besprechung hatte ich die Freude, mit der sympathischen Künstlerin ein ausführliches Telefonat führen zu können. Gerade ist sie für einige Wochen in Glyndebourne. In Vorbereitung auf ihr Glyndbourner Leonore-Debüt in FIDELIO, dass sie am dortigen Festival haben wird. Die Premiere ist am 8. Oktober. Frau Herbert erzählte mir davon, dass sie während der gesamten Probenzeiten und der anstehenden Aufführungstermine in einem Appartement in der Nähe des Festspielhauses  untergebracht ist und es einfach nur geniesst, das es nach dieser langen Coronazeit endlich wieder los geht mit Oper. DAS OPERNMAGAZIN und auch ich wünschen ihr auch für dieses Debüt viel Erfolg und danken für das angenehme Gespräch.

 

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