Die Hausgötter der Staatskapelle Dresden: Sonderkonzert zum 475. Gründungstag mit Christian Thielemann

Konzert Staatskapelle Dresden-C. Thielemann/ 24.09.2023/Foto © Matthias Creutziger

Die Sächsische Staatskapelle Dresden gilt als eines der ältesten und damit traditionsreichsten Orchester der Welt. In diesem September feierte sie mit zwei Sonderkonzerten – nach einer umfangreichen Konzerttournee – in ihrer Heimatspielstätte der Semperoper Dresden ihren 475. Gründungstag. Das Konzertprogramm bestand aus Werken dreier Komponisten, welche auch durch ihr Wirken als Dirigent den Charakter und Klang des Orchesters geprägt haben: Carl Maria von Weber, Richard Strauss und Richard Wagner werden aufgrund ihrer Bedeutung auch liebevoll als die Dresdner Hausgötter bezeichnet. Die Staatskapelle kann sich glücklich schätzen, für die musikalische Leitung Christian Thielemann – den mitunter namhaftesten Dirigenten für das deutsche Fach – noch für diese Spielzeit ihren Chefdirigenten nennen zu dürfen. Dieser bewies erneut, wie meisterlich er sich in die Konventionen und Gepflogenheiten der 475-jährigen Orchestergeschichte einzufügen vermochte. (Rezension des Konzerts v. 24.09.2023

 

Konzerteröffnung mit zwei imposanten Ouvertüren der deutschen Romantik 

Als Auftakt stimmten Thielemann und seine Dresdner mit einer in ihrem Orchesterklang vor Stolz und Ehre nur so strotzenden Jubel-Ouvertüre (von Weber) das Festpublikum auf ein glanzvolles Konzert ein.

„Ich bin der Welt noch einen Tannhäuser schuldig“ bekannte Richard Wagner kurz vor seinem Ableben. Der Komponist entwickelte sein Musikdrama immer weiter, heute existieren mehrere Bearbeitungen dieser Oper, darunter auch eine frühe „Dresdner Fassung“, uraufgeführt von der Staatskapelle. Doch auch Christian Thielemann wird nach seinem Abschied als Chefdirigent der Dresdner Staatskapelle noch einen Tannhäuser schuldig bleiben. Die neun anderen großen Musikdramen Wagners wird er bis zum Ende seiner Vertragslaufzeit teils mehrfach mit seinem Orchester aufgeführt haben, nur eben keinen Tannhäuser. Die im Konzert nun dargebotene Ouvertüre der Oper tröstete darüber hinweg. In dieser antizipierte Thielemann all die musikalischen Emotionen des dreistündige Musikdramas in höchst konzentriertem Dirigat.

 

Unverständliche Nietzsche-Philosophie in ihrer Tondichtung plausibilisiert

Das große symphonische Hauptwerk des Konzerts bildete Richard Strauss Also sprach Zarathustra. Der Zarathustra gilt als visionärste und dramaturgisch geschlossenste Tondichtung des Komponisten. Dies, obwohl die ihm zugrundeliegende Philosophie von Friedrich Nietzsche über den „Übermenschen“ dem Konzertpublikum bis heute höchst unverständlich geblieben ist. Ebenso mag die Kapitel-Unterteilung der Tondichtung in den Genesenden oder der Hinterweltler verwirrend anmuten.

Konzert Staatskapelle Dresden-C. Thielemann/ 24.09.2023/Foto © Matthias Creutziger

Thielemann triumphierte mit dem Zarathustra: Nach einem vor Intensität an den Nerven des Konzertpublikums zerrenden, eindringlichen Sonnenaufgang ließ er Entspannung eintreten und manövrierte sich souverän mit seiner überaus persönlichen Interpretation durch die Klangmassen der Partitur. Durch sein Aufeinanderschichten und Durchdringen der Stimmungen und Klangfarben wurde die Tondichtung verständlich und nachvollziehbar. Immer changierend zwischen in friedlicher Akzeptanz schwebender Todesbejahung in B-Dur und der an ihm aus der Tiefe nagenden Untersterblichkeit der Natur gelang es Thielemann, die Zwiespältigkeit des menschlichen Lebens voll ungelöster Rätsel und ihrer Religion in den Schlusstakten erlebbar werden zu lassen. Dieser  Zarathustra wird noch lange nachhallen!

 

Immer den richtigen Puls für die Rosenkavalier-Walzer

Die Suite der Walzerfolgen aus Strauss‘ Oper Der Rosenkavalier sind in der Zusammenstellung von Artur Rodzinski noch heikler für einen Dirigenten als die vollständige „Komödie für Musik“ es ohnehin schon ist. Denn das auf knapp 20-Minuten komprimierte Potpourri, dieser wohl beliebtesten Strauss-Oper klingt bei zu vorsichtigem Dirigat allzu sentimental, zerdehnt, oder gar langweilig. Sobald der Dirigent zu viel an Intensität gibt, klingen die Walzer übertrieben und werden geschmacklos. Das Gespür für genau den richtigen Puls im Rosenkavalier hatten nur einige wenige Dirigenten wie Carlos Kleiber oder Karl Böhm. Nun bewies auch Christian Thielemann, dass er genau den richtigen inneren Atem, für einen pulsierenden, zugleich in himmlischen Sphären vordringenden Rosenkavalier besitzt.

Thielemann hat sich für seine nun letzte Spielzeit als Chefdirigent der Staatskapelle Dresden noch zwei große Musikdramen der romantischen Oper, Strauss‘ Die Frau ohne Schatten und Wagners Tristan und Isolde, als Höhepunkt seines Schaffens aufgehoben. Nach diesem Jubiläumskonzert ist jedoch schon sicher: Neben Weber, Wagner und Strauss wird Thielemann selbst als vierter Hausgott in die Annalen der Staatskapelle eingehen. Thielemanns gänzlich in der Tradition der Staatskapelle stehende musikalische Auffassung der Werke Strauss‘ und Wagners führte zu einer nie dagewesen musikalischen Liaison.

 

  • Rezension von Phillip Richter / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Dresdner Staatskapelle
  • Titelfoto: Konzert Staatskapelle Dresden-C. Thielemann/ 24.09.2023/Foto © Matthias Creutziger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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