
Mit 14 Jahren besuchte György Mészáros das erste Mal die Wagnerfestspiele von Bayreuth. Zusammen mit seinen Eltern reiste er aus Budapest an, um TRISTAN UND ISOLDE unter Daniel Barenboim und mit der legendären Waltraud Meier als Isolde zu erleben. Seine Eltern, zu dieser Zeit beide Orchestermitglieder der Budapester Staatsoper, legten viel Wert drauf, ihren Kindern die Musik und das Erlernen von Instrumenten ans Herz zu legen. Die Welt der klassischen Musik und der Oper spielte in der Familie immer eine bedeutende Rolle. Parallel zu seinem Klavierstudium, anfangs noch in seiner Heimatstadt Budapest, später dann am Konservatorium in Wien, absolvierte er dann auch noch ein Studium zum Dirigenten. Nach einigen beruflichen Stationen, u.a. an den Häusern in Braunschweig und Regensburg, ist er seit der Saison 2015/16 als Erster Kapellmeister und stellvertretender GMD am Landestheater Detmold engagiert. Ein Künstler, der viel über die Musik zu sagen hat und zudem über das Talent verfügt, Vieles für seinen Gesprächspartner erlebbar und nachvollziehbar werden zu lassen. Mit György Mészáros traf ich mich Anfang Januar 2020 zu einem ausführlichen Interview und Gedankenaustausch in der Altstadt von Detmold.
Ausgangspunkt dieses Treffens war ein Gespräch nach einer von ihm geleiteten „LUISA MILLER“-Vorstellung am Landestheater in Detmold. Diese eher selten gespielte Oper von Giuseppe Verdi hat in der laufenden Spielzeit für sehr viel Publikumsinteresse und Begeisterung gesorgt. Selbstverständlich auch wegen der großartigen Megan Marie Hart, die als Luisa gefeiert wurde. Die Ansichten und Einblicke, die der Dirigent György Mészáros zu Verdi und auch allgemein zum Schaffen des italienischen Opernkomponisten vermittelte, waren besonders interessant und von viel Wissen geprägt. Doch dazu dann später mehr.
György Mészáros begann im Alter von 6 Jahren mit dem Klavierspielen. Gefördert durch seine Eltern, seine Mutter war zu dieser Zeit Oboistin an der Staatsoper Budapest und sein Vater im gleichen Orchester als Hornist tätig, war die klassische Musik ein fester Bestandteil innerhalb der Familie. Sein Bruder spielt Trompete und seine Schwester ist auch im Theaterbereich tätig, aber nicht als Musikerin. Der 1984 in Budapest geborene Musiker schloss im Jahre 2003 seine erste musikalische Ausbildung am Béla Bartók Konservatorium seiner ungarischen Heimatstadt ab. Anschliessend zog der damals 19-jährige Musiker nach Wien, um an der dortigen Universität für Musik und darstellende Künste das Fach „Klavier“ zu studieren. Parallel dazu entschloss sich Mészáros zusätzlich auch das Dirigieren am Wiener Konservatorium zu studieren. In diesem Zusammenhang erwähnt er gern den Namen seines dortigen Professors, den ihn prägenden Dirigenten und Hochschullehrer Georg Mark. 2010 beendete er seine Studien mit dem Diplom als Dirigent. Sein damaliges Diplomkonzert war der 1. Satz aus Anton Bruckners 3. Sinfonie, welche auch als „Wagner-Sinfonie“ bekannt ist, da Bruckner sie seinerzeit Richard Wagner gewidmet hatte.

„Von da an ging alles seinen Weg, wie ihn fast alle Dirigenten durchlebt haben“, erzählt er mir im Gespräch. Mit seinem Diplom im Gepäck ging er 2010 als Solorepetitor mit Dirigierverpflichtung an das Staatstheater Braunschweig. Nach zwei Jahren in Niedersachsen wechselte er als 2. Kapellmeister zur Saison 2012 nach Bayern, ins dortige Theater Regensburg. Mit Beginn der Theatersaison 2015/16 trat er dann sein Engagement am Landestheater Detmold an. Hier ist er seither als 1. Kapellmeister und stellvertretender Generalmusikdirektor tätig. Außerdem war er u.a am Gärtnerplatztheater in München und am Theater Cottbus, in Leipzig, Wuppertal und Budapest als Gastdirigent tätig, um hier nur einige seiner bisherigen künstlerischen Stationen zu nennen. Sein Repertoire im Opernbereich umfasst Werke von Händel, Wagner, R.Strauß und natürlich die italienische Oper, an der sein Herz besonders hängt. Viele weitere wissenswerte Fakten und Informationen über seine bisherige Kariere hat der Dirigent auf seiner gut gemachten HOMEPAGE hinterlegt, auf die ich sehr gern verweisen möchte.

Mit seiner Frau Zsuzsanna Reibach und seinem Sohn Aurél und seiner Tochter Viola, 7 und 3 Jahre, lebt der Dirigent seit Beginn seines Engagements am Landestheater in der ostwestfälischen Stadt Detmold. Das Ehepaar kennt sich bereits seit der gemeinsamen Budapester Schulzeit und hat auch die Studienjahre in Wien gemeinsam verbracht. Beide verbindet die Liebe zur Musik, auch beruflich. Zsuzsanna ist diplomierte Konzertorganistin und Cembalistin, die ihre Hochschulabschlüsse ebenfalls in Wien absolvierte. Gemeinsame Auftritte des Künstlerpaares gab es auch schon häufig: György als Dirigent und Ehefrau Zsuzsanna als jeweilige Solistin am Cembalo oder der Orgel.
Das Leben dieser jungen Familie spielt sich natürlich auch sehr viel am und im Theater ab. Und natürlich sind die Kinder oft dabei. Auch wenn Papa György seinem künstlerischen Beruf im Orchestergraben nachgeht. Der siebenjährige Sohn Aurél ist dabei schon besonders von dem angetan, was er dort erlebt. Ich erinnere mich sehr gern an eine LUISA MILLER-Aufführung, die György Mészáros geleitet hatte. Von meinem Platz im Parkett aus fiel mir nach einiger Zeit ein kleiner Junge auf, der oberhalb des Orchestergrabens in der Loge sass und eifrig am mit-dirigieren war. Ich empfand das als recht amüsant, zumal ich den jungen Gastdirigenten auf höchstens Grundschulater einstufte und dabei auch erstaunt war, wie sehr er bei der Musik mitging. Und das bei LUISA MILLER! – bei Oper überhaupt!

Als ich dann später nach der Vorstellung zufällig auf den „echten“ musikalischen Leiter des Opernabends, György Mészáros, traf und ein paar Worte mit ihm wechselte, löste sich alles auf. Der kleine Junge aus der Loge war Mészáros‘ Sohn Aurél, der seinem Vater oft bei seiner Arbeit zusieht und das mit großer Begeisterung. Nun holte er den Vater von der Arbeit ab. Dass das Symphonische Orchester Detmold auch an diesem Abend vorzüglich gespielt hat, war bei der Unterstützung von Aurél auch kaum anders zu erwarten. Diese kleine Anekdote zeigt zweierlei: zum einen führt auch György Mészáros bei seinen eigenen Kindern das fort, was er selbst in seiner Kindheit und Jugend mit seinen Eltern erleben durfte, nämlich, seinen Kindern auch das Angebot zu machen, die Musik zu lieben und zum anderen wirft es ein sympathisches Schlaglicht auf diesen jungen und zielstrebigen Dirigenten, dass er seine Kinder an dem was er tut, teilhaben lässt.
Überhaupt ist Mészáros ein äußerst angenehmer – und dabei auch humorvoller – Gesprächspartner. Wie bereits anfangs erwähnt, verbindet uns die Bewunderung zu Verdi und seinen Musikwerken, als auch die Liebe zur italienischen Oper im speziellen. Natürlich ist ein Gedankenaustausch über diese Themen nicht auf gleicher fachlicher Augenhöhe, wenn einer der beiden Gesprächspartner ein erfahrener Dirigent ist. Aber auf der gefühlsmäßigen Ebene, also wie die Musik auf jeden von uns wirkt, bedarf es keiner Universitätsabschlüsse. Und da bekennt sich György Mészáros auch dazu, viel von der Schönheit, der Subtilität und auch Wucht der Verdiopern, selbst körperlich zu spüren und es, natürlich auch beim dirigieren, selbst geniessen zu können.
Dirigieren ist für ihn ein Akt voller Konzentration und großer Selbstreflexion. „Dirigieren passiert im Jetzt“, erklärt er mir und das dem Dirigenten eine besondere Verantwortung zukommt. „Es ist nicht dein Fehler, aber deine Schuld“, wenn beim Dirigat etwas nicht so läuft, wie es sollte. Besonders interessant wird es, wenn György Mészáros über die Techniken – oft für das Publikum nicht sichtbar – eines Dirigenten spricht. Welche nonverbale Zeichen, Gesten und Hinweise er während einer Vorstellung an das Orchester und an die Bühnendarsteller gibt. Dieser ständige Augenkontakt zu den Sängerinnen und Sängern, das förmliche Tragen von eben diesen durch den Dirigenten und auch spontane Anpassungen. Eben das Dirigieren im Jetzt.
Mészáros, der schon einige große und bedeutende Werke italienischer Opernkomponisten dirigiert hat, u.a. Verdis RIGOLETTO, LUISA MILLER, AIDA, Puccinis LA BOHEME, MDM. BUTTERFLY, TOSCA oder auch Donizettis DON PASQUALE hat eine besondere Affinität zu Opern aus diesem Land.

Giuseppe Verdi steht dabei besonders hoch im Kurs bei ihm. In Vorbereitung seines Rigoletto-Dirigats ist er 2016 in genau die Stadt gereist, wo die Handlung um den Hofnarr Rigoletto stattgefunden haben soll. In Mantua besuchte er auch den Palazzo Ducale, dem Wohnsitz Rigolettos und seiner Tochter Gilda. „Die ganze Stadt ist exakt so wie in der Oper beschrieben“, erzählt er mir. Diese Oper selbst nimmt für György Mészáros einen besonders hohen Stellenwert ein. „Als ich mich in Detmold für RIGOLETTO vorbereitete, fiel mir wieder auf, wie meisterhaft Verdi seine einzelne Charaktere musikalisch gezeichnet hat“, und weiter:„ In vielen seiner Bühnenpersonen kann sich der Zuhörer teilweise wiedererkennen“. Das wäre bei Gilda, ebenso wie bei dem skrupellosen Lebemann, dem Herzog von Mantua, besonders auffällig. Im übertragenen Sinne gilt das auch für alle weiteren Opern des italienischen Meisters. „Das alles zeigt mir letztendlich, dass Verdi wirklich versuchte in seinen Opern bis zur tiefsten Schicht der menschlichen Seele durchzudringen. Und das ist in der Musik ohnehin spürbar.“, so Mészáros.
In diesem Zusammenhang sprachen wir auch über die Werke Giacomo Puccinis, der ebenfalls – und besonders – lautmalerisch seine Protagonisten und Geschichten vertonte. „La Bohème gehört für mich zu einer der beeindruckendsten Pucciniopern. Denn auch er verstand es auf geniale Weise menschliche Gefühle durch Musik so stark und eindrucksvoll zu vermitteln.“
Mészáros erwähnt gerade dies so ausdrücklich, weil es in Zeiten des modernen Regietheaters, das, wie er sagt, „immer gern alles aktualisieren wolle, wichtiger wäre, durch die Musik zum Wesen der jeweiligen Oper durchzudringen und erst dann inszenatorisch etwas Neues entstehen zu lassen“. Ein Aspekt, bei dem ich György Mészáros absolut zustimme. Denn gerade Verdi verstehe es, wie kaum ein anderer italienischer Komponist, die Abgründe, Ängste, Freuden und Sehnsüchte von Menschen in Musik umzusetzen. Wohl wahr!

Die Liebe zur italienischen Oper schliesst natürlich nicht aus, dass sein Opernrepertoire auch die Werke von Mozart, Wagner („Meistersinger“), R.Strauss („Elektra“), Flotow, oder auch Gounod, Britten und Fibich – um hier nur einige zu nennen – beeinhaltet. Im Konzertbereich, in dem er u.a. auch mit den Jungen Sinfonikern OWL oder der Orchestergesellschaft Detmold immer wieder neben seiner Dirigententätigkeit am Landestheater Detmold zusammenarbeitet, ist das gesamte Spektrum klassischer und neuzeitlicher Komponisten vertreten. Zudem hat er an der Hochschule für Musik Detmold zwei Lehraufträge für „Masterkurs Gesang“ und „Dirigieren und Orchesterleitung“ tätig.
Die künstlerische Vielseitigkeit Mészáros‘ ist sicher nicht nur für Detmold und sein weiteres Umfeld von kulturellem Interesse, es ist auch, und hier besonders, für das renommierte Landestheater Detmold ein Angebot an seine Zuschauerinnen und Zuschauer und ein Ausrufezeichen.
Und wer jetzt neugierig auf den gebürtigen ungarischen Dirigenten geworden ist: seine nächste Opernpremiere wird Mozarts DON GIOVANNI sein. Am 15. Mai ist es soweit, im Landestheater Detmold. DAS OPERNMAGAZIN ist natürlich dabei!
Ich danke György für ein sehr interessantes Gespräch und wünsche ihm als Dirigent weiterhin viel Erfolg und innere Zufriedenheit und persönlich alles Gute!
- Detlef Obens / DAS OPERNMAGAZIN -©01-2020
- Homepage des Künstlers
- Titelfoto von Jochen Quast