
„Zillche en Jefahr“ von Cäcilia Wolkenburg in der Kölner Oper schon vor der Premiere ausverkauft
150 Jahre Divertissementchen in Köln feiert die Spielvereinigung Cäcilia Wolkenburg, genannt „Zillche“, mit einem Feuerwerk von Parodie, Ballett und schmissigen Karnevals- und Popsongs in der Oper Köln. Die rund 100 Darsteller sind alle Mitglieder des traditionsreichen Kölner Männergesangsvereins, die Sprache ist Kölsch. Seit 1874 gibt es diese Kultveranstaltung mit Männern in Frauenrollen und Männerballett im Kölner Opernhaus. „Zillche en Jefahr“ wird vom WDR 3 aufgezeichnet und am Karnevalssamstag, dem 10.2.2024 um 11.00 Uhr im WDR-Fernsehen gesendet. (Gesehene Vorstellung: Generalprobe am 12. Januar 2024)
Es ist eine wilde hochmusikalische Mischung aus Schlagern, Musical, Kabarett und Tanzrevue mit den Bergischen Symphonikern und Westwood Slickers unter der Leitung von Steffen Müller-Gabriel. Klassische Melodien -deutlich weniger als bisher, dafür mehr Songs von den Comedian Harmonists, Grönemeyer, Brings, Kasalla und BAP, schlagen plötzlich in Karnevalshits um, und ein aufwändig kostümiertes Männerballett tritt auf. Es gibt Übertitel, bei denen die kölschen Liedtexte zum Mitsingen eingeblendet werden, und dezente Headsets, die Gesang und Sprache genau über dem entsprechenden Darsteller übertragen.
Eingebettet in eine Rahmenhandlung – die Spielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg hat mal eben das Opernhaus fertig gestellt und sich dabei finanziell übernommen – lässt man sechs Szenen aus der Geschichte des Vereins Revue passieren. Als Lösung hat der Vorsitzende Verhandlungen geführt, die darauf hinauslaufen, die Rechte am Divertissementchen an Roland Emmerich nach Hollywood zu verkaufen. Der möchte das Männerballett durch junge Frauen ersetzen und Kölsch als Aufführungssprache durch Englisch ablösen. Diese Zumutungen führen zu heftigen Diskussionen innerhalb des Vereins. Die alte Welt des „Zillche“ droht zusammenzubrechen, denn die Befürworter scheinen zu triumphieren. Dazu kommt auch noch die Kündigung des Nutzungsrechts an der Wolkenburg, dem Vereinsheim und Probenort an der Kirche Sankt Cäcilia im Zentrum Kölns, die sich aber als Versehen eines Sachbearbeiters aus Düsseldorf erweist- eine Nebenhandlung, die man hätte weglassen können, aber der Zusteller, der nie den Präsidenten antrifft, ist einfach nur komisch. Am Ende sorgen die Gattinnen, alle von Mitgliedern gespielt, dafür, dass der Verein seine Identität behält und die Usurpatoren aus Hollywood in die Wüste geschickt werden. Schließlich kann sich Cäcilia Wolkenburg mit den Erlösen aus einer klugen Investition in erneuerbare Energien – Strom aus Schallwellen – aus der Geldklemme retten. Das Physiklabor der Bonner Universität mit den Forschern wurde als Video eingespielt.

Gnadenlos komisch ist das zwölfköpfige Männerballett, das mit der Grazie, aber auch mit der Disziplin reifer Männer unter anderem ein Revueballett, ein Stewardessenballett und ein Fitness-Ensemble tanzt. Nach der Pause folgt das Feenseeballett, ein Höhepunkt aus vergangenen Spielzeiten, ein Kittelschürzenballett mit pinkfarbenen Rollatoren und das glanzvolle Schlussballett mit Cancan.
Die Rahmenhandlung spielt in der Gegenwart. Da es sich um Feierlichkeiten handelt, treten viele in Fräcken beim aufwändigen Eingangs- und Schlusschor zum 150. Jubiläum auf. Die Aufnahmeformalitäten für den Sohn des Präsidenten in den Verein sprechen Bände. In Wirklichkeit müssen die Sänger, alles Amateure, hohe Anforderungen erfüllen und singen auf sehr hohem Niveau. Sie proben jeden Donnerstag und geben regelmäßig Konzerte in der Kölner Philharmonie und auf Tourneen. Mehr dazu: https://www.kmgv.de/.
Die authentischsten Typen sind Emma Bullett, Kantinenwirtin, schwerer Bass, in Arbeitskleidung (Volker Bader), Mutter Colonia im Kostüm der Kölner Jungfrau, Bass, (Peter Wallraff), Gundula Mottenkist, Archivarin, Bass, mit kesser schwarzer Pagenkopfperücke mit schickem Faltenrock und Business-Blazer (Heinz-Peter Hartlieb) und natürlich der Baas (Spielleiter), Bariton, Jürgen Nimptsch, der als Moderator mit Glitzer-Smoking einfach sich selbst spielt. Diesmal verliebt sich der Darsteller des Jan van Werth, 2. Tenor, (Jan Faßbender) in seine Griet, Tenor, (Manuel Anastasi), die, als die Übernahme des „Zillche“ durch Hollywood droht, aus ihrer Rolle heraustritt und die blonde Perücke abnimmt. Das ist das erste rein männliche Liebespaar in der Geschichte des Divertissementchens.
Neuerungen gab es beim Bühnenbild von Tom Grasshof. In einen Aufbau mit vier Säulen und fünf romanischen Bögen, die die Architektur des Sehnsuchtsorts Opernhaus am Offenbachplatz zitierten, wurden Videosequenzen von Schnittmenge (Sandra Van Sloten und Volker Maria Engel) eingeblendet, die den Innenraum der noch im Bau befindlichen Oper, die Berge Hollywoods, Lichteffekte oder eine Filmsequenz aus einem Forschungslabor zeigten und an moderne Operninszenierungen erinnerten. Dazu kam eine Art Rollbühne in Zimmergröße, auf der Aufbauten wie zum Beispiel die Kantine der Oper oder die Garderobe der Ballerinen reingefahren werden konnten.
Buch von Jürgen Nimptsch und Lajos Wenzel. Nimptsch hat als Baas (Leiter) der Spielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg die Gesamtleitung. Lajos Wenzel führt Regie. Er ist im Sommer 2023 Intendant des Stadttheaters Trier geworden und hat mit den Liedtexten von Johannes Fromm und Manfred Schreier, dem musikalischen Arrangement von Thomas Gutjahr und in der Choreographie von Jens Hermes Cédileau und Katrin Bachmann ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk geschaffen, das dem Publikum zeigte, was die Spielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg im Kölner Männer-Gesang-Verein ausmacht.

Die Kostüme stellen eine besondere Herausforderung dar, denn die überwiegend reiferen Herren haben nicht alle eine Idealfigur. Judith Peter mit Ute Hafke, Marette Hoffenberg und Eva Zaß mussten für die Ballerinen sechs verschiedene Kostüme schneidern, die längst nicht so viel nackte Haut preisgeben wie reguläre Balletttrikots und Tutus. Ich habe allerdings schon lange keine Frau in einer Kittelschürze mehr gesehen, die tragen heute alle Jeans und T-Shirts.
Frenetischer Applaus und stehende Ovationen des überwiegend kostümierten Publikums belohnten den ehrenamtlichen Einsatz der Darsteller und der wie jedes Jahr engagierten Musiker, die offensichtlich bei diesem gut dreistündigen Spektakel mit viel Spaß an der Freud´ dabei waren.
„Alle Gewerke der Oper geben ihr Bestes, um jeden Tag ein Divertissementchen strahlen zu lassen (und sonntags auch mal zwei). Maske, Kostüm, Requisite, Beleuchtung, Ton, Bühnentechnik und weitere Abteilungen sind immer bereit, wenn die aktiven Mitglieder die Bergischen Symphoniker und die Westwood Slickers die Bühne im Staatenhaus erobern und das Publikum mit Musik, Gesang, Tanz und einem ganz und gar kölschen Drama erfreuen,“ so Intendant Hein Mulders in seinem Grußwort im diesmal besonders reichhaltigen Programmheft. Es enthält viele Bilder aus der Geschichte der Spielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg. Hier erfährt man auch, dass man in der NS-Zeit gezwungen wurde, Frauenrollen mit Frauen zu besetzen, und dass das „Zillche“ nur im Kriegsjahr 1942 ausgefallen ist.
Der kürzlich verstorbene Intendant der Kölner Oper, Prof. Michael Hampe, etablierte 1975 die Tradition, dass die Spielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg in den Wochen bis Karnevalsdienstag bis zu 30 Vorstellungen in der Kölner Oper spielen darf. Sie bedankten sich damals mit wunderschönen Opernparodien wie „Et Carmen von der Bottmüll“ und „Dannheuser“.

„Männer in Frauenrollen stellen ihre Bedeutung als Mann in Familie und Gesellschaft humorvoll in Frage und überlassen in fast allen Stücken die Problemlösung den im Stück dargestellten Frauen,“ so der Baas Jürgen Nimptsch in seinem Grußwort im Programmheft. Als Feministin kann man mit diesem Ansatz nicht zufrieden sein, auch wenn die Frauen sehr positiv dargestellt werden.
Ich als kölsches Mädchen sehe im „Zillche“ Brauchtum, das man nicht so ohne weiteres durch die Öffnung für Frauen verändern sollte. Der Reiz liegt gerade darin, dass reife Männer ihre Lust am Gesang, am Schminken und Verkleiden und am Tanz auf diesem hohen Niveau ausleben und nebenher den kölschen Dialekt pflegen. Besonders erfreulich ist, dass alle Vorstellungen bis Karnevalsdienstag ausverkauft sind. „Su wie et wor, en all dä Johr, dröm bliev et do, dat es doch klor, et Zillche bliev bei uns am Rhing!“ (So wie es war, in all den Jahren, drum bleibt es da, das Zillche bleibt bei uns am Rhein!)
- Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Oper Köln / Stückeseite
- Titelfoto: „Zillche en Jefah“/ Foto: Stefanie Althoff
Leev Fründe der Kölschen Sprooch
ich hab kölsches Blut und mein Opa August Ordon war viele Jahre singendes Mitglied vum Zillchen . . .
Ein Freund hatte nun von einer Veranstaltung das Lied „et Zillchen ze verkoofe . . . “ zu einem kleinen Teil gepostet und ich finde das SO schön und finde leider keine Aufnahme davon. Gibt es einen Mitschnitt?
Hätzliche Jröß
Marlis Leonartz