Weimar: „Ein Jüngling liebt ein Mädchen – Etappen einer Ehe“ – ein großartiger Liederabend

DNT Weimar/Logo

Ein Jüngling liebt ein Mädchen – Etappen einer Ehe

02.10.2020 – Deutsches Nationaltheater Weimar 

Im Rahmen der Reihe „Lieblingslieder“ am Deutschen Nationaltheater in Weimar, die, obwohl sie wie gemacht für die jetzigen Pandemiezeiten wirkt, schon in die zweite Spielzeit geht, sangen das beliebte Weimarer Sängerpaar Heike Porstein (Sopran) und Andreas Koch (Bass), exzellent und einfühlsam begleitet von  André Kassel am Flügel unter dem Titel „Ein Jüngling liebt ein Mädchen – Etappen einer Ehe“ in inniger und zu Herzen gehender Authentizität 26 Kunstlieder von Robert Schumann. 

 

Obligatorisch erfolgte das Betreten des Nationaltheaters mit Mund-Nasen-Schutz bis zum Platz im ausverkauften Foyer, der den Hygienebestimmungen angepasst, sich in weitem Abstand zu anderen Gästen befand. Gerade das Foyer erwies sich als ausgezeichnete Wahl, das lauschige Salonatmosphäre bot.

Der Titel „Etappen einer Ehe“ deutet es bereits an, es ging um die innere Entwicklung der Liebe von den ersten zarten Anfängen bis zu deren unumstößlichem Ende. Gemeint war aber nicht irgendeine Liebesbeziehung. Die Lieder standen im Kontext der Zuneigung des widerspenstigen und genialen Komponisten Robert Schumann und der aufstrebenden Klaviervirtuosin und Komponistin Clara Wieck, deren Vater Friedrich Wieck dieser Beziehung mehr als kritisch gegenüberstand und diese zu verhindern suchte. Er, und wohl auch Clara Wieck selber, befürchteten durch die Ehe mit Robert Schumann Claras Karriereende als Klaviervirtuosin und damit einhergehend ihren Eintritt ins Hausfrauendasein. Friedrich Wieck sollte damit nicht Unrecht behalten.

Heike Porstein / Foto @ Andreas Schlager /DNT Weimar

Schumanns Liederzyklen zeigen, dass beider Verbundenheit weit über eine bloße Liebesbeziehung hinausging, ja zu einer Künstlerpartnerschaft geworden war. Den Liederzyklus „Myrthen“, op. 25, hat Robert Schumann seiner Braut Clara gewidmet und ihr zur gemeinsamen Hochzeit am 12. September 1840 geschenkt. Im Zyklus „Dichterliebe“, op. 48, nach Texten von Heinrich Heine, gab Schumann seiner Liebe zu Clara musikpoetischen Gehalt. Die drei ausgewählten Lieder aus dem „Liederkreis“, op. 39, nach Gedichten von Joseph von Eichendorff, „Stille“, „Die Mondnacht“ und „Zwielicht“ drücken die inneren Gefühlsregungen der Protagonisten aus. Hinzu kamen drei Lieder aus „Frauen-Liebe und Leben“, alle gesungen von Heike Porstein, die den weiblichen Gefühlsregungen nachspüren und das „Türkische Schenkenlied“, op. 50 Nr. 1 aus „6 Liedern“, in denen Andreas Koch in packender Intensität seine verletzte männliche Eitelkeit im Wirtshaus stillt.

Schon in der Einleitung zum Liederabend wurde durch Dramaturgin Alexandra Pop auf die privaten Ehebande der beiden ausführenden Solisten Heike Porstein und Andreas Koch hingewiesen, die auch passend zum Thema des Abends ihre Hochzeitsgarderobe hervorgeholt hatten. Der Abend begann mit den Liedern „Der Nußbaum“ und „Im wunderschönen Monat Mai“, die in Duette umgewandelt, einen ganz eigenen Reiz gewannen, zur Zwiesprache Liebender geworden sind. Der Gegensatz von glockenklarem Sopran und sonorem Bass belebte die Lieder und tauchte deren Poesie in verwandeltes Licht. Zwei weitere Lieder im Verlauf des Abends wurden ebenso arrangiert. Neben diesen vier Duetten sangen Sopranistin Heike Porstein, wie auch Bassist Andreas Koch jeweils elf Kunstlieder solistisch.

Andreas Koch / Foto @ Andreas Schlager/DNT Weimar

Dabei erzeugte Heike Porsteins glasklare Textverständlichkeit und technische Perfektion in mimischer Untermalung eine bewegende, ruhige und nachdenkliche Stimmung. Auch Andreas Kochs mit sonorer Bassstimme und in deutlicher Diktion vorgetragener Liedgesang beindruckte durch einen lebendigen und prononcierten Vortrag. Zwischen den Liedern erfolgten sieben Rezitationen aus Briefstellen von Clara und Robert Schumann, ausdrucksstark und bewegend deklamiert durch die Solisten des Abends. Hinzu kam die überzeugende zartfühlende, den Sängern Raum gebende Klavierbegleitung durch den Solorepetitor des Nationaltheaters Weimar und Orchesterpianisten der Staatskapelle Weimar André Kassel.

Die sehr gelungene Liedauswahl und Anordnung der Lieder von den ersten aufkeimenden Gefühlen der Liebe bis zu deren ausweglosem Ende erzeugte eine sprichwörtliche Stille im Saal, bei der man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so gebannt lauschte das Publikum. Folgen des grandiosen Abends waren ausdauernder Beifall und zwei Zugaben, die der Liebe einen positiven Ausklang gaben.

Dieser Liederabend war ein echtes Erlebnis und die Reihe „Lieblingslieder“ ist eine wahre Empfehlung, um den Solisten des Weimarer Ensembles einmal in intimer Besetzung lauschen zu können. Liederabende, die Musik zum Poesie-Klang-Erlebnis machen, sollte es gerade in der jetzigen, stark in der Besucherzahl limitierten Pandemiezeit, viel öfter geben!

 

  • Rezension von Dr. Claudia Behn / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • DNT Weimar
  • Titelfoto: DNT Weimar/Außenansicht-illuminiert-/Foto @ Candy Welz
  • Künstlerfotos @ Andreas Schlager / DNT Weimar
Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert