Die Kinderoper Köln feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Die Kölner Verkehrsbetriebe KVB haben zu diesem Anlass eine entsprechend gestaltete Straßenbahn in Betrieb genommen. Mit altersgerechten Opernproduktionen, zum Teil als Kinderoper komponiert („Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ für Kinder ab vier Jahren), zum Teil als kindgerecht gekürzte und arrangierte Opern des Kernrepertoires locken die Theaterpädagog*innen der Kölner Oper, Dirigent Rainer Mühlbach, Regisseurin Brigitta Gillessen und das Internationale Opernstudio der Oper Köln Kinder und ihre Familien in die Oper. Höhepunkt der 25-jährigen Erfolgsgeschichte ist der im Frühjahr 2021 mit der „Götterdämmerung“ vollendete „Ring“ für Kinder ab 8 Jahren. (Gesehene Vorstellung am 9.10.2021)
Man bereitet für die Einführung altersentsprechende Arbeits- und Spielanleitungen vor, in denen sich die Schüler*innen auf vielfältige Weise mit dem Thema auseinandersetzen können. Ambitioniertestes Projekt ist bisher der „Ring des Nibelungen“, arrangiert von Stefan Behrisch, das einen guten Eindruck vom Original gibt ohne zu lange zu dauern. Er schafft es, eine unendliche Melodie zu erhalten, indem er sensibel mit den Strichen umgeht und harmonische Übergänge schafft. Dazu werden zur Musik Informationen, die zum Verständnis der Handlung erforderlich sind, gesprochen.
Das Konzept ist aufgegangen: am Nachmittag eines schönen Herbstsamstags finden etwa 80 Eltern mit zum Teil sehr jungen Kindern den Weg ins Staatenhaus. Man kann davon ausgehen, dass einige von ihnen selbst schon als Kinder in der Kinderoper waren. Die Kinderoper spielt für Schulklassen vormittags um 11.30 Uhr und für Familien nachmittags um 18.00 Uhr. Diesmal wird in Halle 1 gespielt. Vor der ersten Reihe sind Sitzkissen ausgelegt, so dass die jüngeren Kinder ganz vorne sitzen können. Das Orchester ist links von der Bühne platziert. Auch einige ältere Schüler*innen sind zur Vorstellung gekommen.
Viele bleiben bei den Eltern und fragen denen ein Loch in den Bauch. Sie sind gebannt vom Bühnenbild und von den agierenden Personen und wollen genau wissen, wer Siegfried ist, warum er zu den Gibichungen reist und was es mit Hagen, Gunther und Gutrune auf sich hat. Die Eltern stehen voll informiert Rede und Antwort. Nach kurzer Zeit folgen alle gebannt der Handlung, es ist mucksmäuschenstill.
Dirigent Rainer Mühlbach hat die musikalisch schönsten Stellen eingebracht, Regisseurin Brigitta Gillessen achtet auf die Geschichte. Die Elemente aus den drei vorhergegangenen Opern, die für das Verständnis der Handlung erforderlich sind, werden erzählt. Die gekürzten Opern (jeweils 65 Minuten, Götterdämmerung 85 Minuten, ohne Pause) eignen sich auch sehr gut für Erwachsene, die auch ohne Kinder eingelassen werden.
So erscheint Hagen als großer Intrigant, der als Sohn Alberichs den Ring, den sein Vater Alberich geschmiedet hat, und den ihm Wotan unrechtmäßig entrissen hat, wieder an sich bringen will.
Der Vergessenstrank macht Siegfried, der Gutrunes Reizen erliegt, zu seinem willigen Werkzeug, und aufgrund ihrer Enttäuschung über Siegfrieds Verrat gibt Brünhild Hagen Siegfrieds verletzbare Stelle preis. Siegfrieds Schicksal ist besiegelt. Hagen erschlägt auch Gunther, um in den Besitz des Rings zu gelangen, und man muss schon das Original kennen um zu erleben, dass auch Hagen beim Kampf um den Ring von den Rheintöchtern in die Tiefe gezogen wird. Dass Brünhild mit der Rückgabe des Rings an die Rheintöchter ein versöhnliches Ende mit einem Hoffnungsschimmer schafft, erkennt man an dem grünen Zweig, der aus dem verkohlten Stamm der Weltesche sprosst.
Auf diese Weise entsteht eine für Kinder begreifbare Handlung. Die Todesfälle werden, auch wegen der corona-bedingt auf Abstand ablaufenden Aktionen, nur sehr dezent angedeutet, aber Siegfried wird angemessen betrauert. Die Spannungsbögen und Steigerungen sind einfach viel kürzer als im „richtigen Ring“. Der „Ring für Jung und Alt“ gilt als Geheimtipp für Erwachsene, denn man erlebt die dramatischen Höhepunkte und spart die Längen.
Das reichhaltige Material gibt für Schüler*innen aller Altersstufen Anknüpfungspunkte zur Erarbeitung der Nibelungensage und des Werks Wagners. Besonders aktuell ist der Zustand der Weltesche, der im „Rheingold“ ein kräftiger grüner Baum ist, in der „Walküre“ schon geschädigt, weil Wotan aus ihrem Stamm seinen Speer geschnitzt hat, verkohlt und verrottet in der „Götterdämmerung“. Der Frevel, den Machtgier und Raffgier der Natur angetan haben, wird augenfällig.
Die Kinderoper Köln wurde als älteste europäische Kinderoper zum Unesco- Kulturpartner ernannt und bekam 2019 den „Oper! Award“ für das beste Education-Programm.
Sie bietet den acht jungen Sänger*innen des Internationalen Opernstudios die Gelegenheit, mit einem klein besetzten Orchester und unter professioneller Anleitung Bühnenerfahrung zu sammeln. Siegfried (Thomas Heyer), Brünhild (Jessica Stavros), Gunter (Stefan Hadžic) Hagen (Sung Jun Cho) und Alberich (Insik Choi) sind allerdings mit erfahrenen Sänger*innen besetzt.
Die Vormittagsvorstellungen für Schulklassen sind überregional bekannt und beliebt.
Das Opernmagazin hat über den Stream berichtet: https://opernmagazin.de/goetterdaemmerung-fuer-kinder-als-stream-aus-der-oper-koeln/
- Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Oper Köln / Stückeseite
- Titelfoto: Oper Köln/Kinderoper/RING DES NIBELUNGEN/Götterdämmerung/Foto © Paul Leclaire