Theater Basel: „Das Rheingold“ und „Die Walküre“ – Premierenberichte

Theater Basel /RHEINGOLD/Michael Laurenz/Foto @ Ingo Höhn

Nach über 40 Jahren wagt sich das Theater Basel an eine Neuinszenierung von Richard Wagner‘s “Der Ring des Nibelungen” und bringt zu Beginn des Zyklus innerhalb von acht Tagen die ersten beiden  Teile auf die Bühne. Intendant Benedikt von Peter hat die Inszenierung selbst übernommen und mit Caterina Cianfarini (Co-Regie), Bühnenbild von Natascha von Steiger, den Kostümen von Katrin Lea Tag, dem Lichtdesign von Roland Edrich, sowie David Fortmann Videodesign, und den Soundeffekten von Robert Hermann, sich dieser Mammutaufgabe gestellt.
(Premieren am 9. und 16.9.2023)

 

Die Idee, die Handlung der Tetralogie als zusammenhängende Geschichte zu erzählen und so den Effekt eines Fortsetzungsromans zu erzielen, bedingt einen Bühnenraum, den man mit vielen Elementen der Wiedererkennung ausstattet. So sehen wir einen großen Tisch, an dem sich alle Mitglieder der Familie in den unterschiedlichsten Konstellationen treffen. Da die Handlung wie Brünnhildes Rückblick aufgebaut ist, welche zu verstehen versucht, wie sie nach Siegfrieds Tod in der „Götterdämmerung“ an diesen tragischen Punkt geraten ist, sind immer wieder kurze gesprochene Einspielungen mit Brünnhildes Gedanken zu vernehmen, welche dem Publikum helfen sollen, der stellenweise doch recht verwirrenden Handlung folgen zu können.

Theater Basel/RHEINGOLD/Foto @ Ingo Höhn

So sind bereits im „Rheingold“ Siegfried als Kind und Siegmund zu sehen. Mittels eines Puppentheaters, welches ein Geschenk zum 5.Geburtstag ist, zeigt man dem Kind die verschiedenen Figuren der Handlung. Brünnhilde als stumme Beobachterin ist ebenfalls anwesend.  Drei wesentliche Ausstattungselemente sind dieser große Tisch, die im Hintergrund stehende Weltesche, ein Haus welches die Burg Walhall darstellt und ein großes Loch im Bühnenboden, welches als Eingang zur Unterwelt und auch als Grab benutzt wird. Im Rheingold treten die Rheintöchter als riesige Stabpuppen und Alberich als gewaltige Kröte auf und in der Szene mit dem Drachen erscheint ein solcher, ebenfalls riesig, am Bühnenrand. Das sind sehr gelungene Effekte und man muss an dieser Stelle den Werkstätten des Theaters Basel ein Kompliment aussprechen!

Dennoch ist man oft mit den immer wieder veränderten Konstellationen auf der Bühne überfordert und da helfen auch die Einspielungen mit Brünnhildes Stimme nur beschränkt.

Ganz besonders gespannt war man auch auf den Klang des Orchesters, welches für diesen Zyklus für einmal unter der Bühne platziert war und infolge der großen Zahl von Musikern bis unter die ersten fünf Reihen im Zuschauerraum reichte. Dadurch sind der Dirigent und die Musiker des Sinfonieorchesters Basel für das Publikum nicht sichtbar. Diese erscheinen erst beim Schlussapplaus, wo im Hintergrund der Bühne eine riesige Leinwand die Musiker zeigt, um den Applaus entgegen zu nehmen.

Doch wie klingt diese Variante, inspiriert vom Bayreuther Festspielhaus, in Basel? Wenngleich man sich anfangs an den etwas reduzierten Klang des Orchesters gewöhnen muss, ist es doch erstaunlich, wie transparent dies klingt. Dadurch ist der Text besser verständlich und das Publikum wird in das Geschehen auf der Bühne förmlich hineingezogen. Es ist sicher auch eine Frage des Sitzplatzes, wie der Klang den Zuhörer erreicht. Jedoch verlangt diese Inszenierung von den Sänger/innen auf der Bühne, welche nun ganz nahe vor dem Publikum singen und agieren, zusätzliche Konzentration.

Dass man für diese Produktion einen so erfahrenen Dirigenten wie Jonathan Nott gewinnen konnte, trägt natürlich wesentlich zum Erfolg der Aufführung bei. Das Sinfonieorchester Basel erbrachte eine hervorragende Leistung.

Theater Basel/WALKÜRE/Nathan Berg/ Foto @ Ingo Höhn

Bereits im „Rheingold“ konnte man erkennen, dass es auf der sängerischen Seite einiges zu entdecken gibt. Nathan Berg als Wotan gestaltet seine Rolle als Bösewicht und herrschendes Familienoberhaupt mit einer kräftigen Stimme und ist besonders stark in den Szenen, wo er seine dominante Seite zeigt. Mit Solenn‘Lavanant Linke als dessen Gattin Fricka und Lucie Peyramaure als deren Schwester Freia sind diese Rollen sehr gut besetzt. Als Alberich bot Andrew Murphy trotz angekündigter Erkältung eine solide Leistung. Die beiden Riesen, hier nicht als übergrosse Figuren erscheinend, wurden von Thomas Faulkner als Fasolt und Runi Brattaberg als Fafner gesungen. Inna Fedorii als Woglinde, Sophie Kidwell als Flosshilde, beide aus dem Opernstudio OperAvenir und Valentina Stadler als Wellgunde harmonierten als die drei Rheintöchter bestens. Hanna Schwarz, als Erda, Ronan Caillet als Froh und Michael Borth als Donner, sowie Karl-Heinz Brandt als Mime, ergänzten dieses überzeugende Ensemble.

Besonders hervorzuheben und ein Highlight dieser Aufführung war der Loge von Michael Laurenz. Es gibt wohl in unseren Tagen keinen besseren Sänger-Darsteller dieser anspruchsvollen Partie. Jedes Wort ist verständlich und seine Stimme sitzt perfekt. Gerade dieser Mix aus Stimme und Darstellung ist sehr eindrücklich.

Das Premierenpublikum im „Rheingold“ zeigte sich sehr angetan von der Aufführung und spendete viel Applaus.

Bei der zweiten Premiere stellte sich jedoch die Frage, wie dieses Konzept in einer 4 1/2 stündigen Aufführung es schaffen wird, die Zuschauer in Bann zu halten. Und hier gab es für mich im ersten Akt Momente, wo der Wunsch nach weniger Bewegung auf der Bühne aufgekommen ist. Gerade dieser Akt ist ein sehr intimer Teil dieser Tetralogie und sollte nicht durch das erscheinen zusätzlicher Gestalten unnötig belebt werden. Wenn im hinreißenden Finale dieses Aktes, noch auf der Seite mit dem Puppentheater gespielt wird, so lenkt dies nur ab.

Im zweiten und dritten Aufzug mit den rasenden, mit Pistolen um sich schießenden Walküren und einem echten Pferd auf der Bühne, sowie seiner düsteren Stimmung, verläuft die Geschichte wieder besser nachvollziehbar und zeigt die Wut, Verzweiflung und den Hass in allen Facetten. Was die Sänger/innen in dieser Inszenierung auch an darstellerischen Leistungen vollbringen müssen, ist wirklich sehr beeindruckend. Auch hier gibt es vom sängerischen Niveau, erfreuliches zu berichten.

Theater Basel/WALKÜRE/Ric Furman, Theresa Kronthaler/Foto @ Ingo Höhn

Mit Ric Furman hat man einen Siegmund zur Verfügung, welcher diese Partie mit kraftvollem Tenor und guter Textverständlichkeit meistert. Seine „Wälse-Rufe“ bleiben einem in bester Erinnerung. Theresa Kronthaler als Sieglinde ist gesanglich, wie darstellerisch eine beeindruckende Persönlichkeit und zeigte die Verletzlichkeit dieser Figur. Artyom Wasnetsov, welcher mit seiner sonoren Stimme und seiner großen Statur den Hunding verkörperte, liess aufhorchen. Trine Møller als Brünnhilde verfügt über eine strahlende Stimme und bot ein berührendes Rollenportrait.

Theater Basel/WALKÜRE/Trine Møller/Foto @ Ingo Höhn

Neben den bereits im „Rheingold“ aufgetretenen Sänger/innen, waren als die acht Walküren Sarah Marie Kramer, Sarah Brady, Jasmin Etezadzadeh, Valentina Stadler, Camille Sherman, Sophie Kidwell und Marta Herman zu hören.

Es muss noch einmal betont werden, was für eine Leistung in dieser Inszenierung alle Mitwirkenden in der Kombination Gesang und Schauspiel geboten haben.

Das Sinfonieorchester Basel unter Jonathan Nott spielte die herrliche Musik Richard Wagners bestens disponiert, jedoch fehlte durch die Platzierung unter der Bühne öfters der mitreissende Klang. Dies wurde einem gerade in der „Walküre“, wo der Bühneneffekt des kurzweiligen „Rheingold“ und die erste Begegnung mit der Inszenierung nicht mehr so stark ablenkte, bewusst.

Wie sich die beiden noch fehlenden Teile dieser Inszenierung dann zusammenfügen werden, wird man in der nächsten Spielzeit erleben.  Dem Premierenpublikum schien es gefallen zu haben, dies zeigte der riesige Beifall für alle Beteiligten am Ende der langen Aufführung.

Alle weiteren Daten und das Programm zum „Ring-Festival“ findet man unter  www.theater-basel.ch

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Titelfoto: Theater Basel /Ring des Nibelungen (Rheingold) Foto @ Ingo Höhn
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