Leoš Janáceks Oper Katja Kabanova hatte am 24. September Wiederaufnahme in der Staatsoper Hamburg. Danach ist das Werk noch zwei Mal zu sehen. In der Titelpartie feierte Olesya Golovneva ihr Debüt am Haus. Die Sopranistin ist für den diesjährigen Deutschen Theaterpreis DER FAUST in der Kategorie Sängerdarstellerin Musiktheater nominiert. In der Inszenierung von Willy Decker gab es auch ein Wiedersehen mit Hanna Schwarz als Kabanicha.(Rezension der Wiederaufnahme vom 24. September 2019)
Zum Inhalt: Eine Kleinstadt an der Wolga wird für Katja Kabanova zum Gefängnis: Hier lebt sie in einer Welt voller Abhängigkeiten und unerfüllter Sehnsüchte. Unerträglich ist die Tyrannei der Schwiegermutter, unerträglich die Angst vor den Konsequenzen einer Trennung von ihrem Ehemann. Doch Boris, den sie heimlich liebt, ist seinerseits nicht frei in seinen Entscheidungen. Als Ehebrecherin von allen verschrien, geht sie aus Verzweiflung in den Fluss.
Mit Katja hat der tschechische Komponist Leoš Janácek nach seinem Welterfolg „Jenufa“ eine weitere, vielschichtige Frauengestalt in das Zentrum seiner 1921 in Brünn uraufgeführten Oper gestellt. Ihren inneren Kämpfen hat er in einer mal lyrischen, mal herb-dunklen Tonsprache musikalischen Ausdruck verliehen – und dabei starken persönlichen Anteil an ihrer Geschichte genommen: Seit 1917 und bis zu seinem Tod war der verheiratete Komponist in die fast vierzig Jahre jüngere Kamila Stösslová verliebt; eine Liebe, die nur in etwa 700 Briefen stattfinden durfte.
Eine Geschichte, die betroffen macht. Ein Familiendrama wie es jederzeit – auch heute – stattfinden kann und sicherlich auch passiert in der Welt. Die Liebe zwischen den Eheleuten fällt der überzogenen Forderung nach einer im Vordergrund stehenden Liebe zur Mutter zum Opfer, im wahrsten Sinn des Wortes.
Die unnachgiebige böse Schwiegermutter in ihrer Eifersucht auf die Schwiegertochter, der Mutterworte hörige labile Ehemann und die verzweifelt nach Liebe suchende junge Frau, die irgendwann ihrem Gefühl nachgibt, den Kopf dabei ausschaltet und ihr Leben dadurch verliert…
Eine nur allzu bekannte Variante eines Skandals mit eklatanten Folgen!
Für wenige Stunden, Tage eines höchsten Glücksgefühls zahlt allein Katja Kabanova den endgültigen Preis, die Schwiegermutter trägt einen bitteren Sieg davon.Die Unfähigkeit einer Mitschuld zu erkennen steht sie unbeugsam am nassen Grab der Schwiegertochter und bewahrt „Haltung“. Dankt allen für ihre Anteilnahme, die sie selbst nicht fühlt.
Eine sehr emotionale „Katja“ war zu erleben, deren ausdruckstarker Gesang in die Herzen der Zuschauer Eintritt fand. Ihre begleitende Mimik war überaus echt und aus dem Herzen, Olesya Golovneva war KATJA mit Leib und Seele, eine wunderbare Gesangs- und Darstellungsleistung auf der Bühne! Ein sehr gelungenes Debüt in Hamburg an der Staatsoper.Völlig zu Recht besteht die Nominierung des FAUST – Theaterpreises 2019 für Olesya Golovneva, diese Auszeichnung ist ihr auf den Leib geschnitten.
Hanna Schwarz als böse Schwiegermutter Marfa (Kabanicha) Kabanova überzeugte völlig in ihrer Rolle. Auch ihre steife unbeugsame Art der Katja gegenüber gezeigt, ebenso wie die unterschwellige Verlustangst dem Sohn zu verbergen gesucht – Emotionen und Starrsinn vereint zu einem zerrissenen Menschen, dem die Meinungen der Nachbarn mehr wert sind, als die Familie. Kraftvoll und dominant zeigte sich Hanna Schwarz auf der Bühne, präsent als Oberhaupt des Geschehens, den zögerlichen Sohn in seine Rolle zwingend… Mit wunderbar klarer Stimme lenkte sie das Schicksal aller ins Unglück und stand immer wie ein Tyrann im Hintergrund parat.
Jürgen Sacher, der Sohn Tichon Kabanoff, zeigte sich als Muttersöhnchen trotz seiner Liebe zu seiner Katja, er befolgte alle Anordnungen der Mutter brav und verlor seine Frau am Ende doch. Glaubhaft seine innere Zerrissenheit durch die Stimme dargestellt und trotzdem der schwächste Charakter der Familie, man hatte irgendwie Mitleid und konnte Verständnis aufbringen – eine ordentliche Leistung, dies so darzustellen.
Edgaras Montvidas gab sein Debüt als Boris Grigorjewitsch, Liebhaber der Katja. Der Tenor, mit einer ganz wundervollen Bandbreite seiner Stimme, bezauberte nicht nur seine Liebste auf der Bühne! Im Trauerspiel war er wohl der Einzige, der ungeschoren davonkam, wenn er auch seine Liebe verlor.
Mit seiner „Schwester“, der Varvara (Ida Aldrian) verließ er am Ende die Stadt und begann in Moskau ein neues Leben. Diese fädelte das Unglück mit ein, ermöglichte erst die schicksalhafte Begegnung der beiden Liebenden und wurde zur Mittäterin der Geschichte. Mit warmer, intensiver Stimme umschmeichelte sie die Katja und die Zuhörer, Zuschauer. Erzählte auch ihrem Geliebten Wanja Kudrjasch (Oleksiy Palchykov) wunderbare Worte… Sie war auf der Bühne – beeindruckendes Bühnenbild! (Wolfgang Gussmann) – der ausgleichende und positive Part, unbeschwert liebend und frei. Ebenso zeigte sich Wanja als Freund und Beschützer vom Boris. Mit Abstand und doch Herz für die unglücklich Verliebten klang seine Stimme über die Bühne in den Zuschauerraum. Klar und warm der Tenor, es war eine Freude, ihm zu zuhören!
Savjol Dikoj (Oliver Zwarg), Kuligin (Viktor Rud) ebenso Glascha (Maria Dehler), Fekluscha (Veselina Teneva) und die „Frau aus dem Volk“ (Ute Kloosterziel) und „eine Stimme“ (Sungwook Choi) sind zu erwähnen, boten eine beachtete, sehr gute Leistung zusammen mit dem Chor der Staatsoper Hamburg, denen ein mehrfacher Vorhang gewidmet wurde. Dirigent Johannes Harneit leitete das Philharmonische Staatsorchester Hamburg mit viel Gefühl und liess das Orchester die Partitur stimmungsvoll, aber auch an den entsprechenden Stellen durchaus packend und dramatisch, spielen.
Im gut besuchten Haus erklangen im endlosen Schlußapplaus deutliche BRAVO-Rufe, man vergaß fast das tragische Ende der wunderbaren Oper.
- Bericht von der Wiederaufnahme am 24.9.19 von Marion Nevoigt/RED. DAS OPERNMAGAZIN
- Staatsoper Hamburg / Stückeseite
- Titelfoto: Staatsoper Hamburg /KATJA KABANOVA/ Foto @ Karl Forster