Eine Reise durch das Weltall: Edvard Grieg und das Philharmonische Orchester Bergen

Grieghalle Bergen

Um neues Publikum zu gewinnen und die Relevanz der klassischen Musik in der Gesellschaft zu verdeutlichen, kooperiert das Philharmonische Orchester Bergen unter dem Projekttitel „Neste steg / Nächster Schritt“ mit der Universität der Stadt Bergen. Im Rahmen von vier Sonderkonzerten werden die Themen Weltraum, Meer, Klima und Mensch in einen musikalischen Kontext zeitgenössischer Musik eingereiht. Den Auftakt bildete der Weltraum: Eric Whitacres intergalaktisches symphonisches Projekt “Deep Field” knüpft dabei an einen von Forschern der Universität Bergen gehaltenen Vortrag zu neusten Erkenntnissen der NASA über die Weiten des Alls und unseren Planeten an. Nach der Pause folgt aus dem traditionellen Konzertkanon Gustav Mahlers 4. Sinfonie, die letzte der drei Wunderhorn-Sinfonien. (Rezension der Vorstellung v. 12.9.19)

 

Das Philharmonische Orchester Bergen – auf Norwegisch „Bergen Filharmoniske Orkester“ – wurde 1765 gegründet und gilt damit als eines der ältesten und traditionsreichsten Orchester weltweit. Das Orchester identifiziert sich insbesondere mit Norwegens berühmtestem Komponisten, Edvard Grieg, der selbst das Orchester für mehrere Jahre leitete. Das Orchester steht im Mittelpunkt der alljährlich im Frühjahr stattfindenden Musik- und Kulturtage „Festspillene i Bergen“. Die 1978 eröffneten „Grieghallen“, benannt nach Edvard Grieg, der in Bergen geboren wurde und dort einen Großteil seines Lebens verbrachte, besticht als Kulturzentrum und Konzertsaal mit einem modernen Baustil des dänischen Architekten Knud Munk. Der alte Konzertsaal der Stadt – das „Konsertpaleet Bergen“ – fungiert nunmehr als Kinosaal.

Eingeleitet wurde das Konzert mit einem 20-minütigen Vortrag von Wissenschaftlern und Studenten der Universität Bergen. Die norwegische Erstaufführung der intergalaktischen Sinfonie „Deep Field: The Impossible Magnitude of our Universe“ des US-Amerikanischen Komponisten Eric Whitacre wurde anschließend ein eindringliches Ereignis. Inspiriert durch eine Videoinstallation von Weltraumbildern aus dem Hubble-Teleskop kreierte das Orchester einen stetig wachsenden symphonisch-filmmusikartigen, aus Clustern bestehenden, Klangteppich. Durch Vokalismen des auf Projektbasis zusammenkommenden Kinderchors „Edvard Grieg Ungdomskor“ intensivierte sich der neo-impressionistisch anmutende Klang – so bezeichnet der Komponist Whitacre seine Komposition – zunehmend auf einen Höhepunkt ohne Finale. Die Projektion der Erde wurde kleiner und urplötzlich verstummten die Orchestermusiker. Ein beeindruckendes, effektvolles Werk!

Grieghalle Bergen

Als Kontrast zur beeindruckenden Klang- und Videoinstallation folgte die 4. Sinfonie von Gustav Mahler. Eine ungewöhnliche Kombination, da gerade diese Mahler-Sinfonie eher konventionell anmutet und an Werke klassischer Komponisten erinnert. Die Assoziation zu dem Themenkomplex „Weltraum“ – unter dem das Konzert stattfand – wurden mit dieser Sinfonie am wenigsten ersichtlich.

Wie dem auch sei, auch diese symphonische Darbietung war geprägt durch ein Musizieren der Philharmoniker Bergens auf höchstem Niveau. Der Dirigent Markus Stenz ließ seinem Orchester in der Interpretation sämtliche Freiheiten und legte höchsten Anspruch auf ein musikalisches Zusammenspiel der Instrumentengruppen untereinander. Insbesondere die zahlreichen solistischen Einzelpassagen gelangen seinen Musikern. Stenz dämpfte die Streicher behutsam um die Virtuosität der Holzbläser besonders in den Vordergrund zu stellen.

Die norwegische Sopranistin Caroline Wettergreen – zuletzt als Königin der Nacht in London und Glyndebourne umjubelt – sang die Sopranpartie „Das himmliche Leben“ im letzten Satz der Sinfonie mit agilen und hellklingenden Koloraturen. Welch Jammer, dass dem Publikum eine Zugabe ihrer Stimme verwehrt geblieben ist.

Während des musikalischen Nachspiels im Foyer – Bearbeitungen für Klavier und Perkussion – konnte über das Gesehene und Gehörte mit den Studenten der Universität Bergen weiter diskutiert und reflektiert werden.

Edvard Grieg Museum

In Troldhaugen, unweit von Bergen, steht das Edvard-Grieg-Museum mit der Villa, in welcher der Komponist von 1885 bis zu seinem Tode im Jahre 1907 gelebt hat. Ein Museumsbesuch ist eine perfekte Ergänzung zu einem Konzert in der Grieghalle Bergen, der Geburtsstadt des Komponisten. Edvard Grieg war auf seine Villa besonders stolz und nannte sie „mein bestes Werk bisher“ (“mitt beste opus hittil”). Sie ist nun Teil des Museums und gefüllt mit Exponaten aus Griegs Leben, seinem Steinway Flügel aus dem Jahre 1892 und zahlreichen Fotos, die sein Schaffen illustrieren.

Neben Museum und Villa befindet sich auch ein kleiner Konzertsaal auf dem hügeligen Gelände, genannt „Troldsalen“, die „Troll-Halle“. Sie wird für zahlreiche Kammerkonzerte genutzt und bietet ein einmaliges Ambiente für die bis zu zweihundert Zuschauer. Wenn man durch den Garten streift, runter zur Komponistenhütte Griegs geht und das Grab des Komponisten besucht, oder sich auf eine Bank setzt, um auf die beeindruckende Fjordlandschaft Bergens zu blicken, kann man gut erahnen, woraus der bekannteste norwegische Komponist seine Inspiration geschöpft hat.

 

  • Rezension/Bericht von Phillip Richter / RED. DAS OPERNMAGAZIN 
  • Bergen Filharmoniske Orkester
  • Alle Fotos @ Alexandra Richter (Titelfoto: Grieghalle)

 

 

 

 

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