Am 26. August 2018 wurde im Großen Festspielhaus die zweite konzertante Aufführung der „Perlenfischer“ von Georges Bizet gegeben, und es wurde wieder mal ein Triumph für Placido Domingo in der Rolle des Zurga. Er ist, was immer und wie immer er singt, ganz einfach der ultimative Liebling des Salzburger Festspielpublikums, zumindest, was die Herren anbelangt.
Bei den Damen dürfte es wohl Anna Netrebko sein, die mit ihrem Mann aber erst am 29. August in „A due voci“ „dran ist“. Zunächst fällt einmal auf, dass der Chor zu Beginn, „Sur la grève en feu…“ sehr stark an den Auftrittschor der Tabakarbeiterinnen in Bizets „Carmen“ erinnert. Bizet also unverkennlich. Dann wartete natürlich alles gespannt auf den absoluten Ohrwurm der „Perlenfischer“ und wohl einen der Opernliteratur überhaupt, das Duett von Zurga und dem Tenor Nadir „Au fond du temple saint…“. Und es verfehlte seine Wirkung bei Publikum nicht, erster starker Szenenapplaus! Den zweiten gab es dann bei der Arie des Nadir „Je crois entendre encore…“ des mexikanischen Tenors Javier Camarena. Wie wir heute im Tageskommentar lesen können, war auch Domingo einmal Mexikaner… Ob das an diesem Abend ein Zufall war?!
Camarena verfügt über einen feinen und technisch perfekt geführten lyrischen Tenor, aber keine allzu große Stimme. Ja, und Plácido Domingo. Es wurde wieder mal ein neuer Rekord aufgestellt, die 150. Rolle offenbar. Um die 30. als Bariton. Für mich ist Domingo immer ein auf bestimmte Weise „angesagter Tenor“, denn ich meine zu hören, dass er seine mittlerweile subtenorale Potenz immer noch ausspielt, wenn es geht. Somit bewegt er sich zwischen beiden Lagen. Aber das spielt bei diesem einzigartigen Sänger wirklich keine Rolle mehr, solange noch sein unverwechselbares Timbre und vokale Resonanz zu hören sind. Es ist ganz einfach die Persönlichkeit, die ebenso typische wie spezifische d e s Placido Domingo, die ihn selbst in einer konzertanten Aufführung noch zum Ereignis werden lässt. Dabei spielen sicher immer auch Gedanken und persönliche Erinnerungen an große sängerische Erlebnisse in der Vergangenheit eine Rolle.
Die junge russische Sopranistin Aida Garifullina sang die Leila so glockenrein wie eine Nachtigall und konnte dabei auch mimisch wie optisch überzeugen. Ihr perfekt geführter Sopran, so schön er auch klingt, hat allerdings kein in jeder Situation unbedingt wiedererkennbares Timbre, so wie jenes von Domingo praktisch immer wiederzuerkennen war und immer noch ist. Insbesondere wenn er den Simon Boccanegra singt, den ich für seine beste Bariton-Rolle halte. Das Quartett der Sänger dieser „Perlenfischer“ wurde durch den Russen Stanislav Trofimov in der etwas undankbaren Rolle des Nourabad abgerundet, der mit Respekt gebietender Aktion und einem warm und klangvoll intonierenden Bass aufwartete. Der stimmstarke und transparent singende Philharmonia Chor Wien wurde effektvoll von Walter Zeh geleitet. Riccardo Minasi dirigierte mit viel Verve das Mozarteumorchester Salzburg und vermochte die interessanten Momente der Partitur Bizets erfolgreich zum Leuchten zu bringen, wie auch die diversen Duette und Monologe der drei Protagonisten.
Dennoch wurde einmal mehr klar, warum sich das Stück nie im Opern-Mainstream etablieren konnte. Es fehlt ihm einfach an dramaturgischer Stringenz und musikalischer Kompaktheit, wie sie der französische Komponist bei seiner „Carmen“ so glorreich verwirklichen konnte. Dennoch bleibt die szenische Produktion vor vier Jahren im Theater an der Wien in guter Erinnerung. Was den Erfolg der „Perlenfischer“, die nach einem Aufsatz Anselm Gerhards im Programmheft laut einiger UA-Berichterstatter wegen des indischen Ambientes auch ‚Die Fischer aus Catania‘ oder ‚Die Krevettenfischer‘ hätten heißen können, an diesem Abend ausmachte, war eben Placido Domingo mit den anderen drei Sängern. Er animierte das Publikum unmittelbar nach Domingos finalem Ausruf „Reves d’amour, adieu !“ zu in der Tat authentischen standing ovations (also nicht nur weil der Vordermann aufsteht, man deswegen nichts mehr sieht und ebenfalls zum Aufstehen gezwungen ist), die gar nicht abnehmen wollten. Nach der offiziellen Blumenvergabe an die Künstler flogen ihnen dann noch weitere Blumensträuße entgegen, bis Domingo endlich abwinkte und alle beglückt das Haus verließen. Es war wieder einmal geschehen…
- Artikelübernahme von unserer Partnerseite DER OPERNFREUND/ Rezensent Dr. Klaus Billand, 28.8.2018
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