
Wenn man die beiden mit Preisen ausgezeichneten Berlioz-Aufführungen “Les Troyens” und “La Damnation de Faust” mit John Nelson in den vergangenen Jahren in Strasbourg erlebt hat, dann waren die Erwartungen für die dritte Aufführung dieses Berlioz-Zyklus sehr hoch. Mit der “Symphonie dramatique avec choeurs, solos de chant et prologue en récitatif choral ROMÉO ET JULIETTE op.17H.79” wurden auch diesmal wieder alle Register gezogen und man darf von einer Aufführung auf allerhöchstem Niveau berichten. (Aufführung vom 07.06.2022)
Diesem Werk nahm sich der junge Berlioz bereits 1829 mit ersten Skizzen an. Doch erst am 24. November 1839 wurde es im Paris Conservatoire uraufgeführt. Es dauerte so lange, weil der Komponist anfänglich noch nicht genügend mit der Welt der Symphonie vertraut war und er sich zuerst eingehend mit dieser Musiksparte auseinandersetzen musste. Seine damals begrenzten Mittel erlaubten ihm aber nicht, sich nur damit zu beschäftigen. Der große Geiger Niccoló Paganini hatte bei ihm das Werk „Harold en Italie“ in Auftrag gegeben, es aber dann zurückgewiesen, weil es ihm als zu wenig virtuos erschien. Als dieses Werk dann durch einen anderen Solisten äußerst erfolgreich uraufgeführt wurde, erkannte Paganini, dass er sich getäuscht hatte. Er entschuldigte sich bei Berlioz mit einem großzügigen Check über 20‘000 Francs, einer zu jener Zeit enormen Summe. Dieses Geld erlaubte Berlioz, unbelastet zu komponieren. Eigentlich wollte er nur Opern schreiben, was ihm auch durchwegs gelang. Mit der Chorsinfonie ist aber ein großartiges Werk entstanden, welches die Welt der klassischen Musik enorm bereichert hat.
Die Orchesteraufstellung für die Liveübertragung aus der Salle Érasme im Palais de la Musique Strasbourg war sehr beeindruckend. Als Beispiel seien die 6 großen Harfen genannt.
John Nelson gilt als größter Kenner der Werke von Hector Berlioz. Das zeigte er auch an diesem Abend wieder, wo er vom Dirigentenpult aus sowohl das Orchester, als auch die Solisten und die im Raum verteilten Chöre leitete und zu einem wunderbaren Ensemble zusammenführte. So muss Berlioz klingen. Seien es die allerfeinsten Einsätze, das gewaltige Tutti oder einzelne Instrumente, welche die jeweilige Stimmung ausdrückten, stets hatte er alle Fäden in der Hand und liess das Publikum in eine begeisternde Klangwelt eintauchen. Wesentlich dazu beigetragen hat die ausgezeichnete Akustik in diesem Saal.

Bei den Solisten muss als erstes die bereits in den vorherigen Konzerten bewunderte Mezzosopranistin Joyce DiDonato genannt werden. Man spürte, wie verbunden sie sich mit diesem Projekt fühlt. Mit ihrem Lied “Premiers transports que nul n’oublie” drückte sie mit bezaubernder Stimme die Gefühle der Juliette aus. Schöner kann man dies nicht singen. Auch wenn der Auftritt in diesem Werk nur von kurzer Dauer ist, bleibt diese Partie unvergesslich.
Die Partie des Roméo sang der Tenor Cyrille Dubois mit viel Schalk im Rezitativ und Scherzetto, gemeinsam mit dem Coro Gulbenkian.
Im zweiten Teil erlebte man eine besondere Überraschung. Links und Rechts im Zuschauerraum plaziert, sangen die Herren des Coro Gulbenkian und des Choeur de l‘Opera National du Rhin die Szene mit den vom Fest zurückkehrenden Capulets. Ein ganz spezielles Hörerlebnis.
Als Père Laurence konnte der Bariton Christopher Maltman gewonnen werden, welcher mit eindrücklicher Stimme seine große Szene mit der Arie „Pauvres enfants..“ und gemeinsam mit den Chören, ein überwältigendes Finale darbot. Einen ganz gewichtigen Anteil am Gelingen dieser Aufführung hatten die beiden Chöre. Der Coro Gulbenkian, als Les Montaigus, von Jorge Matta einstudiert und der Choeur de l‘Opéra National du Rhin, als Les Capulets, von Alessandro Zuppardo geleitet. Das war Chorgesang auf höchstem Niveau.

Das Orchestre Philharmonique de Strasbourg bot eine überwältigende Leistung. Nur wenn sich alle Musiker mit Herzblut für ein solches Projekt einsetzen, kann ein solches Resultat erzielt werden. Genau dies spürte man an diesem Abend, wo sich alle zu einer Sternstunde zusammenfanden. Das Publikum war fasziniert und jubelte allen Mitwirkenden zu.
Dieses Konzert wurde LIVE auf dem Kanal medici.tv ausgestrahlt und kann dort bis September gehört werden. Eine CD wird im Frühling 2023 erscheinen und damit das Trio der Berlioz-Serie mit John Nelson ergänzen.
- Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN
- Orchestre Philharmonique de Strasbourg
- Titelfoto: ©Nicolas Rosès