Opernhaus Zürich: Premiere „SIMON BOCCANEGRA“ – Karussell der Emotionen

Opernhaus Zürich/SIMON BOCCANEGRA/(l.n.r.:)C. Fischesser, J.Rowley, O.Jorikija, C.Gerharer/Foto @ Monika Rittershaus

Die Opernpremieren im Opernhaus Zürich finden in der Regel vor 1100 Zuschauern im ausverkauftem Haus statt. Nicht so am vergangenen Nikolaustag, als die Premiere von Simon Boccanegra wegen den pandemiebedingt restriktiven Auflagen vor nur gerade 50 Zuschauern gespielt werden durfte. Deshalb war es ein besonderes Glück, diese Premiere im Opernhaus miterlebt zu haben. Dank der Direktübertragung auf ARTE TV konnten trotzdem viele Menschen diese Aufführung auf dem Bildschirm mitverfolgen. (Rezension der Premiere v. 6.12.2020

 

Von Aussenstehenden kann nur bedingt nachvollzogen werden, welche Erleichterung es für alle Beteiligten gewesen sein musste, dass diese Aufführung überhaupt stattfinden konnte. Trotz ausgeklügeltstem Schutzkonzept und strengsten Regeln schwebt in diesen Zeiten über jedem Projekt die Gefahr, dass die Proben kurzfristig abgebrochen werden müssen, weil jemand plötzlich erkrankt ist.

Opernhaus Zürich/SIMON BOCCANEGRA/Ensemble/Foto @ Monika Rittershaus

An dieser Stelle muss besonders hervorgehoben werden, mit was für einem unglaublichen Aufwand die weltweit einzigartige Lösung zur Einhaltung der Distanzvorschriften befolgt werden konnten, nämlich indem man Chor und Orchester im 1 km vom Opernhaus entfernten Proberaum agieren liess und über Glasfaserkabel mit dem Geschehen auf der Bühne vereinte. Diese äußerst aufwändige Lösung hatte sich bereits im September bei der vorangegangenen Premiere bestens bewährt und funktionierte auch dieses Mal perfekt. Tonmeister Oleg Surgutschow und sein Team haben das Unmögliche möglich gemacht und einen Klang ins Opernhaus gezaubert, welcher das Fehlen des Orchesters im Raum kaum wahrnehmen lies. Alle diese Maßnahmen machten den Abend zu einem ganz unvergleichlichen Erlebnis. Dennoch wünscht man sich natürlich, dass die Normalität schnellstmöglich wieder zurückkehren möge.

Verdis Simon Boccanegra war nicht von Anfang an ein Erfolg. Erst in der durch Arrigo Boito bearbeiteten zweiten Fassung gelang diesem grandiosen Werk über Macht, Liebe, Rache und Versöhnung der Durchbruch.

Andreas Homoki hat in seiner Inszenierung die Geschichte in die Zeit um 1920 verlegt und der Bühnenbildner Christian Schmidt gestaltete eine eindrückliche auf der Drehbühne aufgebaute Kulisse, welche interessante Szenenwechsel ermöglicht. Die Lichtgestaltung von Franck Evin vermittelt stimmungsvolle Beleuchtungseffekte, welche die Handlung, wie auch die Rollen wirkungsvoll akzentuieren. Die spärlich eingesetzten Requisiten erinnern ein wenig an Bilder von Edward Hooper.

An diesem Abend gab es gleich mehrere Rollendebüts zu erleben.

Opernhaus Zürich/SIMON BOCCANEGRA/C. Gerharer/Foto @ Monika Rittershaus

Christian Gerhaher, der weltweit gefeierte Bariton, hat in Zürich bereits in zwei Opern debütiert und nun mit dem Simon Boccanegra seine zweite Partie von Verdi gesungen. Er ist ein sehr gediegener und emotionaler Simon, welcher diese Partie mit eleganter Stimme gestaltet. Sei es Wut oder Vergebung, stets konnte man die feinen Nuancen in der Gestaltung spüren und man darf von einem gelungenen Debüt berichten.

In der Rolle des Jacopo Fiesco gab Christof Fischesser ebenfalls seinen Rolleneinstand und überzeugt mit seinem eindrücklichen Bass.

Das erste Mal am Opernhaus erklang die Stimme von Jennifer Rowley. Die amerikanische Sopranistin gestaltete die Partie der Amelia mit großer Stimme und vermochte auch in den harmonischen Duetten zu begeistern. Ihre Emotionen kamen spürbar über die Rampe und man darf auf weitere Begegnungen mit dieser Sängerin gespannt sein.

Opernhaus Zürich/SIMON BOCCANEGRA/O. Jorjikia/Foto @ Monika Rittershaus

Otar Jorjikia, Tenor aus Georgien und ehemaliges Mitglied des Internationalen Opernstudios Zürich, kennt das Haus bestens. Die Partie des Gabriele Adorno hat er bereits an einigen anderen großen Häusern gesungen und konnte nun auch in dieser Aufführung überzeugen. Eine kräftige, gut sitzende Stimme, die man sich merken sollte.

Als Paolo Albiani stand Nicholas Brownlee zum ersten mal im Opernhaus Zürich auf der Bühne und konnte mit seiner herrlichen Bass-Bariton Stimme beeindrucken. Die Szene am Schluss des ersten Aktes war einer der Höhepunkte dieser Aufführung.

In weiteren Rollen sangen als Magd der Amelia, Siena Licht Miller, als Pietro, Brent Michael Smith und als Hauptmann Savelii Andreev, alles Mitglieder des Internationalen Opernstudios Zürich.

Fabio Luisi leitete die Philharmonia Zürich energievoll und einfühlsam und so entstand eine facettenreiche Interpretation des großartigen Werks. Unter derart speziellen Bedingungen zu spielen, setzt große Professionalität voraus und deshalb gebührt dem Orchester und seinem Dirigenten eine besondere Anerkennung.

Auch der Chor und Zusatzchor unter der Leitung von Janko Kastelic meisterte diese Herausforderung bravourös und man kann es kaum erwarten, bis alle Mitwirkenden wieder live im Opernhaus zu erleben sein werden. Die leider nur wenigen zugelassenen Zuschauer bedankten sich für diese große Leistung mit vielen begeisterten Bravos. Zweifellos spürten alle, an diesem Abend einen ganz außergewöhnlichen Opernaufführung beigewohnt zu haben.

Allen Beteiligten, welche hier nicht erwähnt wurden, aber auch wesentlich zum Gelingen dieses Abends beigetragen haben, gebührt ebenfalls ein großes Kompliment

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Opernhaus Zürich / Stückeseite
  • Bis zum 5.1.21 ist SIMON BOCCABEGRA aus Zürich per Stream anzusehen – LINK
  • Titelfoto: Opernhaus Zürich/SIMON BOCCANEGRA/C. Gerharer/Foto @ Monika Rittershaus
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